Stirbt der Westerwald den Hitzetod?
Von Helmi Tischler-Venter
Zum Beginn der Veranstaltungsreihe „Wald. Werte. Wandel – Klimawandelfolgen im Westerwald“ referierte Klimaforscher Dr. Ulrich Matthes, Leiter des Kompetenzzentrums für Klimawandelfolgen Rheinland-Pfalz zum Thema: „Der Klimawandel – Angekommen im Westerwald“. Die große Anzahl interessierter Besucher zeigte, dass der Nerv der Wäller getroffen wurde.
Hachenburg. Das Forstliche Bildungszentrum mit Sitz in Hachenburg als Veranstalter hatte den Vortrag eigens in den großen Kinosaal des CINEXX verlegt. Monika Runkel, Leiterin des Forstamtes Hachenburg fungierte als Moderatorin.
Stefan Leukel, Bürgermeister der waldbesitzenden Kommune Hachenburg stellte fest, das Thema Westerwald sei in aller Munde, denn die Folgen des Klimawandels seien nicht mehr zu übersehen. Sie werden sich in den nächsten Jahren noch dramatisch zeigen, da der Wald auch Trinkwasserspeicher, Sauerstoffproduzent, Luftfilter und Erholungsgebiet ist. Sein Appell: „Wir müssen und können vor Ort die Verantwortung übernehmen. Lassen Sie uns anpacken!“
Monika Runkel belegte am Beispiel früher aufgetretener Stürme, dass es niemals zuvor eine solche Katastrophe gab. „Wir wissen nicht, wie lange der Wald den Stress ober- und unterirdisch aushält.“ Sie fragte den Referenten: „Was kommt auf uns zu? In welchen Bereichen wird sich etwas verändern?“
Der Klimaforscher stellte zu Beginn seines Vortrags die provokative Frage: Der kühl-raue Westerwald bald oder schon Vergangenheit?“ Der Wandel ist in der Natur beobachtbar: Das Frühjahr beginnt früher, der Winter ist verkürzt, die Vegetationsperiode ist drei Wochen länger. Messungen zeigen, dass Rheinland-Pfalz überdurchschnittlich vom Klimawandel betroffen ist, die Wärmestufe „kühl“ ist schon fast verschwunden. Um 1,6 Grad ist die Durchschnittstemperatur im Land seit Beginn der Wetteraufzeichnungen angestiegen. Wir spüren auch die Zunahme von Sommertagen und heißen Tagen. Früher gab es maximal drei heiße Tage, heute sind es etwa zehn. Extremwetterereignisse treten gefühlt häufiger und intensiver auf. Trockenheit und Dürre verursachen Trockenstress, unsere Systeme können sich nicht mehr erholen! Wo die Reise hingeht, wissen wir nicht.
Dr. Matthes zeigte zwei Szenarien auf: Wenn wir das Paris-Ziel mit einem Temperaturanstieg unter 1,5 Grad Celsius schaffen, wird der Anstieg in Rheinland-Pfalz bis 2100 0,5 bis 1,5 Grad betragen mit den Folgen: Niederschlag geht zurück, das Bodenwasser noch mehr, bis zu 20 Prozent weniger Niederschlag in der Vegetationszeit bei längerer Vegetationsperiode, wahrscheinlich mehr extreme Wetterereignisse. Nach dem Motto „Weiter wie bisher“ wäre mit einem Temperaturanstieg sogar bis 4 Grad Celsius bei uns zu rechnen.
Die menschliche Gesundheit leidet zunehmend unter der Hitzebelastung, die Hitzemortalität nahm seit 1998 belegbar zu.
Die Baumarten Buche, Eiche, Kiefer, Tanne könnten im Westerwald überleben. Aber Extremwetterlagen können die Modelle ändern. Krankheiten und Schädlinge profitieren und es wandern neue ein, zum Beispiel Esskastanien-Gallwespe oder Eichenprozessionsspinner. Die natürliche Anpassung der Baumarten, wenn der Klimawandel nicht zu stark ausfällt, wird in Richtung Laubwald gehen, auch eine genetische Anpassung ist möglich. Der Wald wird anders strukturiert sein, es werden Abstriche beim Wachstum gemacht werden müssen, was ein Problem für die Holzindustrie darstellt.
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Als Anpassung und Gegenmaßnahmen empfiehlt das Klimawandelinformationssystem Rheinland-Pfalz eine breite Palette möglicher Maßnahmen auf kommunaler Ebene, wie klimagerechte Stadtentwicklung nach den Farben Blau, Grün und Beige für Wasser, Pflanzen und Holz, weil klimafreundliches Bauen mit Holz etwa 30 Prozent CO² und viele umweltschädliche Materialien ersetzen hilft. Das Problem ist nach Dr. Matthes Erfahrung oft die Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen. Daher sei es wichtig, die Öffentlichkeit mitzunehmen.
Mehr Trockentage sind aus touristischer Sicht zunächst positiv, aber die Schwületage nehmen stark zu. Schnee bleibt aus, Bäche und Seen trocknen aus und der Wald verliert sein beliebtes Grün. Wenn der Wald leidet, leidet auch der Mensch.
Gabriele Greis, Erste Beigeordnete der Verbandsgemeinde Hachenburg bedauerte den Verlust ihrer Heimat, denn der Westerwald verliert durch sterbende Wälder sein Gesicht, parallel dazu verlieren Menschen ihr Gesicht durch Masken. Greis hofft, dass Wohlstand erhalten bei weniger Ressourceneinsatz zukunftsfähig ist.
Marco Dörner, der Leiter der Verbandsgemeindewerke Hachenburg sieht ein großes Einsparungspotential an CO2 in Privathaushalten durch Fernwärme. Ihm ist wichtig, in der Bevölkerung das Bewusstsein zu stärken, dass Wasser und Energie nicht grenzenlos zur Verfügung stehen.
Bei der anschließenden Diskussion mit dem sehr interessierten Publikum wurde die Ambivalenz der Positionen deutlich: Einerseits wurde gefordert, die Wirtschaftlichkeit des Forsts müsse hinter die ökologischen Gesichtspunkte zurücktreten, andererseits wurde mangelnde Verkehrssicherung beklagt. Dazu erklärte Monika Runkel, die Kosten für die Verkehrssicherungspflicht blieben am Waldbesitzer hängen, während die einzige Möglichkeit, mit dem Wald Gewinn zu erzielen, die Holzentnahme sei.
Daraus wurde die Forderung abgeleitet, dass Waldbesitzer für die allgemeinen Funktionen des Waldes Geld beziehen müssten.
Runkel betonte zum Abschluss, man werde keine Experimente mit Baumarten machen, die aus Asien, Afrika oder Amerika kommen. Es wird vermehrt Eichen geben, denn die Eiche ist er Klimaxbaum des Mittelmeerregion. „Den Wunderbaum gibt es nicht! Jeder Baum braucht Wasser!“
Um Wasser wird es in einem weiteren Fachvortrag am 25. November gehen, zu dem Forstliche Bildungszentrum Rheinland-Pfalz einladen wird. htv
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