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Nachricht vom 14.12.2019    

Waldboden, ein Mord und Zivilcourage zum Hören

Am 12. Dezember spielte das berühmte Ensemble der jungen Sparte des Herxheimer Theaters für die MSS 12 und 10. Klassen am Wiedtal-Gymnasium Neustadt/Wied das Stück „Jugend ohne Gott“ nach dem Roman von Ödön von Horváth.

Fotos: pr

Neuwied. „Jugend ohne Gott“ ist die fünfte eigene Produktion der Expedition Chawwerusch der jungen Sparte des Herxheimer Theaters und kein herkömmliches Theaterstück. Ein Schauspieler und ein Musiker machen Ödön von Horváths gleichnamigen Roman zu einem Hör-Erlebnis. Jule Kracht – erstmals zu Gast bei Chawwerusch – hat die Bühnenfassung geschrieben und führte Regie.

„Jenseits von Gut und Böse“ heißt das Motto für die Inszenierung und jenseits von Gut und Böse oder eben „ohne Gott“ sind die Jugendlichen, um die es in Horváths Text geht. Ein Lehrer erzählt von der Schülergeneration, die er im Deutschland der 30er Jahre unterrichtet. Diese ist beunruhigend empathie- und gewissenlos und wird auf Leistung und Gefühlskälte gedrillt. Als während eines vormilitärischen Zeltlagers einer von ihnen ermordet wird, entwickelt sich eine spannende Kriminalgeschichte. Am Ende muss der Lehrer seine sichere Beobachterposition aufgeben und mutig Zivilcourage zeigen. Nur so können der Mord und sein Hintergrund aufgedeckt werden.

Ein Bauernhof im Alpenvorland – die Hühner und Schafe dösen in der Sonne. Plötzlich wird der friedliche Frühlingstag vom Klirren eines zerbrochenen Tellers und dem Schreckensschrei einer alten Frau jäh durchbrochen. Ein paar Kinder rennen mit einem gestohlenen Brot und einer Vase davon – die Dorfbewohner bezeichnen die Bande als „Unkraut“ – werden sie gefasst werden? Das ist eine der vielen spannenden Szenen, die die Besucher von „Jugend ohne Gott“ sehen, allerdings nur vor ihrem inneren Auge. Sounds, Stimmen, Geräusche und Hintergrundatmosphäre – alles wird live auf der Bühne erzeugt nur mit ein paar Requisiten, Kisten voll Alltagsgegenständen.

Das Geraschel von trockenen Blättern wird zum Waldboden, über den die nackten Füße der Kinder schleichen, Instrumente wie Glockenspiel, Hangdrum, Snare und Hackbrett und natürlich auch die Stimmen des Schauspielers Stephan Wriecz und des Gastmusikers Peter Hinz erzeugen die perfekte Illusion – alles geschieht genau hier und jetzt. Wriecz spricht den Text, während Hinz im Hintergrund Töne abmischt und durch die technische Bearbeitung treibende Klangbilder entstehen. Dabei ist



alles offen und beobachtbar, die sonst versteckte Technik ist nur durch Plexiglas abgetrennt. Die Töne werden spielerisch-experimentell erzeugt. Vielleicht kann das den einen oder anderen Zuhörer und Zuschauer motivieren, auch selbst etwas Neues auszuprobieren. Zum Beispiel können sich Jugendliche Anregungen dafür holen, ihre YouTube-Videos nicht nur mit dem Handy aufzunehmen, sondern mit einem Mikrofon oder einer Loopmaschine eigene musikalische Produktionen zu machen.

Jule Kracht und Walter Menzlaw, der sie als Dramaturg unterstützt hat, haben den Text nicht modernisiert und keine direkten Bezüge zur heutigen Zeit eingebaut. Trotzdem ist die Geschichte von der gefühlskalten heranwachsenden Generation nicht einfach nur ein Rückblick. Heute scheinen oft die Anforderungen einer globalen Wirtschaft so hoch zu sein, dass bei der Erziehung und Bildung von jungen Menschen Leistungsbereitschaft und -vermögen als wichtigste Ziele propagiert werden. Mitmenschlichkeit und andere moralische Werte müssen oft hintangestellt werden oder fallen gleich ganz aus dem vollgepackten Stundenplan. Auch an den Grenzen Europas werden sichergeglaubte christliche Grundsätze derzeit in Frage gestellt. Das Chawwerusch Theater hat „Jugend ohne Gott“ aus dem Jahr 1937 in sein Programm genommen, aus der Überzeugung, dass der Stoff immer noch viel zu sagen hat.

Dieser Meinung waren auch die von dem Hörerlebnis faszinierten Schüler/innen des WTGs, die am Anschluss an die Aufführung voller Hochspannung und großartiger Bühnenkunst im Gespräch mit dem Schauspieler Stephan Wriecz und dem Gastmusikers Peter Hinz die Möglichkeit hatten, Fragen zu stellen und ihre Ansichten über die Aktualität des Stückes mitzuteilen. (PM)



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