Gemeinsames Lernen in den Schulen ist möglich
An einer Fachtagung zum Thema Inklusion in Altenkirchen nahmen rund 100 Personen aus den Landkreisen Altenkirchen und Neuwied teil. Dabei ging es besonders um die schulischen Belange, denen sich Lehrer und Pädagogen stellen müssen. Denn seit dem vergangenen Schuljahr besteht in Rheinland-Pfalz ein Rechtsanspruch für Eltern ihr Kind in eine Regelschule zu schicken. Einer der bundesweiten Vorreiter, Rektor Wilfried Steinert, aus Templin referierte.
Altenkirchen. „Wir brauchen alle. Wir bleiben zusammen. Niemand bleibt zurück. Niemand wird beschämt!“ Das ist die Philosophie der „inklusiven“ Waldhofschule im brandenburgischen Templin, die deren Rektor Wilfried Steinert bei einem „Fachtag-Inklusion“ in Altenkirchen vor knapp 100 Lehrern, Schulleitern, Pfarrern, Sozialarbeitern, Pädagogischen Fachkräften, Verwaltungsverantwortlichen und anderen Interessierten mit großer Verve vorstellte.
Der engagierte Pädagoge wollte in Sachen „gelingende Inklusion“ nicht als „Besserwisser“ dahergekommen. Eher sah er sich als Mutmacher, Wegräumer von Denkhindernissen und Wegbereiter einer Aufbruchstimung.
Gemeinsam hatten Landjugendakademie Altenkirchen, das Schulreferat der Evangelischen Kirchenkreise Altenkirchen und Wied, der HIBA und die Fachreferate der Kreisverwaltung Altenkirchen als Kostenträger den Fachtag „Inklusion in der Schule – Die Praxis entscheidet“ auf die Beine gestellt und es geschafft, so ziemlich alle Akteure, die sich in der (neuen) Praxis engagieren, zusammenzubringen. Die Landjugendakademie (Direktorin Anke Kreutz) bot hierzu als „Dritter Ort“ eine gute Veranstaltungsebene.
Erst seit vergangenem Schuljahr haben Eltern in Rheinland-Pfalz den rechtlichen Anspruch, ihr Kind mit Förderbedarf in eine Regelschule zu schicken.
Im Praxisalltag sind daher noch viele Fragen offen, wie der Fachtag deutlich machte. Es gab damit reichlich Gesprächsbedarf für einen ausführlichen Austausch im Plenum und vor allem auch in sechs Arbeitsgruppen, in denen sehr praxisnah verschiedene Herausforderungen in den Blick genommen wurden.
Das Organisationsteam hatte dafür gesorgt, dass Fachleute aus der Praxis (und mit Blick über den eigenen Tellerrand hinaus versehen), mit den Akteuren vor Ort in direkten Austausch kamen. Etwa über das Lernen in heterogenen Gruppen.
„Wie soll ich das benoten?“ oder „Verhaltenskreative im Unterricht – Pädagogik im Grenzbereich“ waren in Workshops ebenso im Blick wie die Rolle der Schulbegleiter, Bilderbücher als inklusive Medien oder eine gelingende Inklusionspädagogik.
Viele der Fachkräfte aus den Kreisen Altenkirchen und Neuwied waren froh über praxisnahe Hilfestellungen. Auch die Chance, die besonderen Herausforderungen einzelner Team-Mitglieder kennenzulernen und darzustellen, etwa die der Inklusions-Begleiter, die in vielen Klassenräumen mit den Kindern, die einen besonderen Förderbedarf haben, agieren, wurde gerne genutzt.
Deutlich wurde dabei an vielen Stellen, dass häufig die (politischen) Rahmenbedingungen noch nicht überall passen. Hier machte Wilfried Steinert auch Mut, sich kreativ einzusetzen: “Manches muss einfach anders und einfacher organisiert werden“.
Seine Erfahrungswerte aus der Waldhofschule in Templin, aber auch aus seinem bundesweiten Engagement für gelingende Inklusion, zeigten auf, wie manche „Hürde“ genommen werden kann. Patentrezepte – so Steinert – wolle er damit aber nicht anbieten. Schließlich sei gerade in diesem Arbeitsbereich „Schema F“ nicht praktikabel. Anschaulich stellte er vor, wie weitspannend etwa in einer Grundschulklasse das Entwicklungs- und Lernalter der Kinder divergieren kann. Obwohl etwa laut Geburtsurkunde alle sieben Jahre alt sind, entspreche das „Lernalter“ der Kinder einer Spanne von 5,5 bis zu 8,5 Jahren.
Dazu müsse - so Steinert – die Individualität jedes einzelnen Kindes, die sich in speziellen „Lernalter der Fähigkeiten“ äußere, beachtet werden. So könne ein sprachbegabtes neunjähriges Kind in diesem Bereich schon auf dem Stand eines 12jährigen sein, sich im mathematischen Bereich gleichzeitig als Siebenjähriger darstellen. „Es gibt keine Klassen mehr, die eine homogene Gruppe darstellen; Unterschiede werden eher noch größer“ und damit profitiere wirklich jedes Kind vom Angebot des „Gemeinsamen Lernens“.
Bei der pädagogischen Ausbildung – so ein Aspekt der Podiumsrunden, an denen unter anderem Schulrätin Marie-Luise Hees, Schulreferent Martin Autschbach, Toni Brenner vom Sozialamt und Melanie Sünhold vom Jugendamt der Kreisverwaltung Altenkirchen und die Schulleiter Ute van der Fluit (GS Asbach) und Ute Mülling (Christopherus-Schule Betzdorf), Helmut Molter (Förderschule Scheuerfeld), Andrea Lottritz-Roth (Förderschule Alserberg/Wissen), Christof Weller (Mitveranstalter/HIBA) sowie Moderatorin Prof. Dr. Marion Felder von der FH Koblenz) teilnahmen – müsse sich die Schwerpunktsetzung hin zu den neuen Herausforderungen der Inklusion ändern. So müssten auch die bislang allein wirkenden Pädagogen auf die Arbeitsweisen von Teams hin besser ausgebildet werden.
Zudem erging der eindringliche Appell an die Politik: „Wir brauchen entsprechende Rahmenbedingungen und unbedingt mehr Unterstützung und Freiräume!“ (PES)
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