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Nachricht vom 26.11.2025    

Ärztemangel im Westerwald: "Die Bedarfsplanung ist längst überholt"

Von Regina Morkramer

Die Menschen im Westerwald sind unzufrieden mit der medizinischen Versorgung. Doch wer ist dafür verantwortlich und welche Lösungsansätze für eine bessere Versorgung gibt es? Wir haben bei der Kassenärztlichen Vereinigung in Rheinland-Pfalz nachgefragt.

Symbolbild (Foto: Pixabay)

Region. Wir haben unsere Leser um ihre Einschätzung gebeten, wie sie die medizinische Versorgung im Westerwald erleben und ob sie sich im Krankheitsfall noch sicher fühlen. Die Antworten haben ein überwiegend negatives Bild gezeichnet, die Mehrheit fühlt sich im Krankheitsfall nicht mehr sicher versorgt. Diesen Antworten zufolge gibt es zu wenige Fachärzte in der Region, die Wartezeiten sind zu lang, selbst Hausarztpraxen nehmen oftmals keine neuen Patienten mehr auf.

In welcher Region wie viele Ärzte tätig sind, regelt die sogenannte Bedarfsplanung. Sie soll die ambulante medizinische Versorgung sicherstellen und sie gibt die Verteilung von Ärzten und Psychotherapeuten für die Behandlung gesetzlich Versicherter vor. "Wo sich Ärztinnen und Ärzte einer Fachgruppe beziehungsweise Psychotherapeutinnen oder Psychotherapeuten niederlassen dürfen, gibt bundesweit die Bedarfsplanungs-Richtlinie vor", erklärt die Kassenärztliche Vereinigung in Rheinland-Pfalz (KV RLP) auf Anfrage. "Die Richtlinie enthält verschiedene Regelungen, unter anderem auch rechnerische Verhältniszahlen hinsichtlich der von einer Arztgruppe zu versorgenden Patientinnen und Patienten." Die Bedarfsplanungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses gibt den bundeseinheitlichen Rahmen für die Bedarfsplanung vor. Auf Landesebene erfolgt die eigentliche Umsetzung und Erstellung der konkreten Bedarfspläne dann durch die Kassenärztlichen Vereinigungen in Abstimmung mit den Landesverbänden der Krankenkassen. Die ambulante medizinische Versorgung im Westerwald und im nördlichen Rheinland-Pfalz richtet sich also nach der bundesweiten Bedarfsplanung, die vorgibt, wie viele Ärzte und Psychotherapeuten für die Versorgung gesetzlich Versicherter nötig sind und wo sie sich niederlassen dürfen.

Bedarfsplanung nicht mehr bedarfsgerecht - medizinische Versorgung verbessern
Aktuell zeigt die Bedarfsplanung, dass im Westerwald mehrere hausärztliche Sitze unbesetzt sind, beispielsweise 5,5 im Planungsbereich Westerburg/Hachenburg oder sogar sieben im Bereich Montabaur. Auch in einigen fachärztlichen Bereichen (Gynäkologie, HNO, Kinder- und Jugendmedizin) bestehen noch einzelne freie Sitze. Die KV in Rheinland-Pfalz bestätigt einen "wachsenden Ärztemangel im ambulanten Sektor". Sie empfindet nach eigener Aussage die aktuelle Bedarfsplanung als längst überholt und nicht mehr bedarfsgerecht: "Sie bildet nicht mehr den realen Bedarf ab." Die gültigen Zulassungsbeschränkungen seien in dieser Form nicht mehr zeitgemäß. Auch wenn Versorgungsgrade offiziell noch nicht unterschritten sind, müssten sich nach Ansicht der KV RLP im Idealfall also mehr Ärzte in der Region niederlassen. Nur: Mehr Sitze gibt die Bedarfsplanung insbesondere im fachärztlichen Bereich aktuell nicht her. "Wir brauchen eine umfassende Reform, wobei hier die Politik gefragt ist", betont die KV RLP.



Auf die Frage, wie die medizinische Versorgung im Westerwald verbessert werden kann, erklärt die KV RLP, dass die Ressource Arzt und Ärztin aus vielfältigen Gründen immer knapper werde. "Die Bedarfsplanung, die Budgetierung, die Bürokratie, der Fachkräftemangel, fehlende Medizinstudienplätze und der Generationenwechsel spielen dabei eine Rolle." Um diese Entwicklung aufzuhalten, stellt die KV RLP
verschiedene Forderungen an die Politik. Dazu gehört etwa die Abschaffung der Bedarfsplanung in ihrer jetzigen Form, Bürokratieabbau, Kostenausgleich oder eine angemessene Bewertung der Arbeit. Zudem ergreift die KV RLP nach eigener Aussage verschiedene Maßnahmen, um gegen den Ärztemangel vorzugehen und somit die ambulante medizinische Versorgung in Rheinland-Pfalz sicherzustellen. "Darunter fallen unter anderem eine Vielzahl an Beratungs- und Förderangeboten, die Ärztinnen und Ärzte auf den Praxisalltag vorbereiten sowie insbesondere den medizinischen Nachwuchs fördern." Auch Kampagnen zur ärztlichen Weiterbildung, die Mobile Arztpraxis oder die Beschäftigung von Ärzten aus Drittstaaten zählen zu den Bemühungen der KV, die medizinische Versorgung zu verbessern.

Engpässe in der medizinischen Versorgung nicht mehr aufzuhalten
Dass die Menschen im Westerwald die medizinische Versorgung als "katastrophal" empfinden, liegt laut KV RLP vor allem an strukturellen Entscheidungen der Vergangenheit: In den 1990er-Jahren wurden bundesweit etwa 6.000 Medizinstudienplätze abgebaut, weil man eine Ärzteschwemme befürchtete. Auch dieser Abbau hat laut KV RLP zur Folge, dass immer mehr Arztsitze nicht mehr besetzt werden können. Heute fehlen laut Prognosen bis 2040 jährlich im Durchschnitt rund 2.500 Ärztinnen und Ärzte, in den Jahren 2024 bis 2026 sogar bis zu 5.000. "Angesichts der Versäumnisse, frühzeitig dem erwarteten Mangel an Ärztinnen und Ärzten durch ein Aufstocken der Studienplätze entgegenzuwirken, sind Engpässe in der medizinischen Versorgung nicht mehr aufzuhalten", prognostiziert die KV RLP.

In Rheinland-Pfalz kommt verschärfend hinzu, dass nur die Universität in Mainz Studienplätze für Humanmedizin anbietet. "Rheinland-Pfalz kann weniger als andere Bundesländer den eigenen Bedarf an Ärztinnen und Ärzten ausbilden und ist somit stärker auf die Zuwanderung junger Medizinerinnen und Mediziner angewiesen", so die KV RLP. "Da viele Absolventinnen und Absolventen aber einen heimatnahen Einsatz anstreben oder ihre Partnerin beziehungsweise ihren Partner am Studienort finden, dürfte es rheinland-pfälzischen Ärztinnen und Ärzten schwerer als Ärztinnen und Ärzten anderer Bundesländer fallen, eine Nachfolge für ihre Praxen zu finden."

Gleiche Behandlung für alle?
Auf den von Lesern in unserer Umfrage vorgebrachten Vorwurf der Ungleichbehandlung von privat und gesetzlich Versicherten durch Ärzte kann die KV RLP übrigens keinen Einfluss nehmen, wie sie erklärt: "Solange Vertragsärztinnen und Vertragsärzte ihren mit der Zulassung verliehenen Versorgungsauftrag erfüllen, kann eine Einflussnahme zur Aufnahme von Patientinnen und Patienten durch die KV RLP nicht erfolgen."



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