Stauwehr in Altwied: Zwischen Debatten, Neuanfang und Fischesterben
Von Regina Morkramer
Seit im Sommer 2024 Untersuchungen ergeben haben, dass das Stauwehr in Altwied nicht mehr den Sicherheitsanforderungen entspricht, hat sich etwas an der Anlage getan. Im Rahmen der sogenannten Staulegung ist für weitere Schritte das Wasser abgelassen worden. Das hat Folgen für die Umwelt.

Neuwied. Seit 1912 sorgt das Stauwehr in Altwied dafür, dass sich die Wied oberhalb des Ortskerns aufstaut. Ursprünglich diente die Wehranlage, die zu den ältesten Wasserkraftanlagen Deutschlands zählt, in erster Linie der Wasserregulierung; heute ist sie vor allem ein technisches Bauwerk und gehört zum Wasserkraftwerk der Firma Süwag. In den vergangenen Jahren bereitete die in die Jahre gekommene Anlage Betreibern und Anwohnern gleichermaßen Sorge: Risse, Totholzansammlungen und Sedimentsablagerungen im Stauraum sowie mögliche Folgen für den Ort führten zu Forderungen nach Prüfungen und Maßnahmen. Denn Anlagen dieser Art müssen in regelmäßigen Abständen durch eine vertiefte Überprüfung analog DIN 19700 untersucht werden - dies ist jedoch nicht fristgerecht geschehen.
Es "kann nicht sichergestellt werden, dass ein Jahrtausendhochwasser abgeführt werden kann", beschrieb die Süwag schließlich den Zustand, die als Betreiberin des Wasserkraftwerks Altwied für die Sicherheit und Funktionstüchtigkeit der Wehranlage verantwortlich ist. "Im Ergebnis entspricht die Stauanlage damit nicht den Anforderungen der DIN 19700 und damit nicht mehr den allgemein anerkannten Regeln der Technik", teilte die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord als zuständige Landesbehörde mit. Im schlimmsten Szenario hätte das Stauwehr im Falle eines Hochwassers versagt. Auf Druck von Bürgern, Kreis- und Lokalpolitik wurde schließlich die eingehende Untersuchung des Stauwehrs beschlossen. Die SGD verfügte im Juli 2024 wegen Gefahr im Verzug die Absenkung des Wassers; im September 2024 wurde das Stauwehr für die weitere technische Untersuchung trocken gelegt, was sich aufgrund der massiven Schlammablagerungen vor dem Stauwerk und der Stauhaltungsmauer als schwierig erwies.
Umweltschützer warnten vor ökologischer Katastrophe
Schon bei der Staulegung machten Umweltschützer darauf aufmerksam, dass eine "ökologische Katastrophe" drohe. Das Wasser werde zu schnell abgelassen, nicht alle Fische konnten anderweitig untergebracht werden, kritisierte damals etwa Frank Sterz, Vorsitzender der Angelsportfreunde Altwied, das Vorgehen. Tonnenweise Biomasse gehe zugrunde. Um genau solche gravierenden Folgen zu vermeiden, hatte die SGD in ihrer Verfügung eine ökologische Baubegleitung vorgeschrieben, denn neben der statischen Prüfung des Bauwerks steht auch die ökologische Bewertung im Fokus. Doch das beauftragte Ingenieurbüro sei laut Sterz zu kurzfristig herangezogen worden.
Zuletzt, rund ein Jahr nach der Staulegung, haben Naturfreunde und Umweltschützer erneut darauf hingewiesen, dass sich am Stauwehr mehrere kleine pfützenartige Wasserbereiche im ehemaligen Flussbett gebildet haben, "wo tausende von kleinen Fischen und sonstigen Wasserlebewesen dem Tod entgegensehen, wenn diese komplett austrocknen. Diese kleinen Wasserbereiche haben die Anbindung an die Wied verloren. Diese Pfützen sind voll von Fischen und keinen interessiert es" - so beschreibt eine "Naturfreundin" die Situation in einer Mitteilung an unsere Redaktion. "Leidtragend sind die unzähligen Tiere, die durch diese lange Zeit ihr Leben lassen müssen, falls die Stauanlage überhaupt nochmal in Betrieb genommen wird."
"Die aktuelle Situation ist alles andere als befriedigend", bestätigt auch Frank Sterz aktuell. "Es gab Versuche, Fische zu retten. Aber im Moment müssen wir damit leben, dass viele Kleinfische und ihre Brut am Stauwehr kaputt gehen." Sterz beschreibt die Lage als "bedenklich, weil die Durchgängigkeit des Flusses nicht mehr gewährleistet ist." Aber das lasse sich nicht beheben, solange das Wasser abgelassen ist. "Bis dahin müssen wir mit diesem Zustand und mit den Konsequenzen für die Fische leben", so Sterz.
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Natürliche Prozesse an Fließgewässern
Die Süwag erklärt auf Anfrage, dass sie bezüglich der Bildung von Pfützen und Wasserstellen im Bereich des ehemaligen Flussbettes "kürzlich eine Einschätzung des Instituts für Umweltplanung Dr. Kübler erhalten" habe. Demnach entspreche der aktuelle Zustand der Wied dem eines natürlichen Fließgewässers, das ohne unmittelbare menschliche Eingriffe besteht: "Längere Regen- und auch Trockenperioden haben Einfluss auf natürliche Gewässer. In Trockenperioden fallen Uferbereiche trocken, es bilden sich kleinere Tümpel, die vom eigentlichen Fließgewässer abgeschnitten werden. Die in diesen Tümpeln festsitzenden Tiere können eintrocknen und verenden. Das betrifft Fische und andere Arten. Die allermeisten schaffen es aber, sich rechtzeitig in tiefere Flussabschnitte zurückzuziehen." Der jetzige Zustand an der Wied entspricht der Einschätzung zufolge also natürlichen Prozessen, die an Fließgewässern nicht unüblich seien.
Um sicherzustellen, dass im Zuge der Arbeiten am Stauwehr allen ökologischen Herausforderungen und naturschutzrechtlichen Anforderungen Rechnung getragen wird, erfolgen nach Aussage der Süwag alle Maßnahmen in enger Abstimmung mit den zuständigen Behörden. Das Institut für Umweltplanung Dr. Kübler sei weiterhin mit der ökologischen Baubegleitung der Maßnahmen beauftragt. Auch die SGD Nord verweist darauf, dass die Süwag "zur weiteren Einschätzung der ökologischen Situation der Fische und der weiteren Lebewesen, die sich in den Wasserpfützen befinden, (…) ein Fachbüro für die Ökologische Baubegleitung hinzugezogen" hat. "Mit der wasserbehördlichen Anordnung zur vollständigen Staulegung wurde der Süwag Grüne Energien und Wasser AG & Co. KG ebenfalls auferlegt, eine ökologische Baubegleitung durch ein auf dem Gebiet des Naturschutzes und der Landschaftspflege erfahrenes Fachbüro zu beauftragen", erklärt die SGD Nord weiter. Dieses Fachbüro begleite die gesamten Maßnahmen, treffe naturschutzrechtlich relevante Feststellungen und die daraus abzuleitenden Maßnahmen erfolgen in Abstimmung mit der SGD Nord.
Untersuchungen laufen, Ergebnisse noch in diesem Jahr
Doch wie geht es weiter am Stauwehr in Altwied? Im Juni 2025 haben nach der langen Vorlaufzeit schließlich die Untersuchungen am Wehrbauwerk begonnen. "Seit der Staulegung sind verschiedene Untersuchungen durch Fachbüros am Wehrbauwerk erfolgt. Diese sind zwischenzeitlich abgeschlossen", teilt die Süwag aktuell auf Anfrage mit. So hat das Ingenieurbüro Fichtner Water & Transportation die Betonteile und Stahlwasserbauteile geprüft und deren Zustand beurteilt. Die Planungen zur Ertüchtigung des rechten Stauhaltungsdamms sind abgeschlossen. "Derzeit sind wir mit der Sicherung erforderlicher Flächen beschäftigt. Darüber hinaus führen wir dauerhafte Betriebskontrollen durch und beseitigen außerdem Totholz auf Grundstücken entlang der Wied, die im Besitz der Süwag sind", erklärt die Süwag. Bis Ende des Jahres schließlich sollen Ergebnisse und Handlungsempfehlungen für weitere Maßnahmen vorliegen; erst dann werden sich die nächsten Schritte am Stauwehr in Altwied ergeben. Eine Gefahr geht aktuell zumindest offenbar nicht mehr vom Stauwehr aus: "Im Rahmen der Überprüfungen wird auch die Standsicherheit der Anlage untersucht. Aktuell ist durch die Staulegung ein Standsicherheitsproblem des Bauwerkes nicht zu erwarten und die zuvor bestehende Gefahrensituation ausgeschlossen", versichert die SGD Nord. (rm)
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