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Nachricht vom 09.05.2022    

Europäischer Salon in Unkel: Ukrainekrise im Fokus

Die Villa Weingärtner lud den erfahrenden Außenpolitiker und Spezialisten für den europäischen Reformprozess Elmar Brok nach Unkel ein. Beim 4. Europäischen Salon in der Villa Weingärtner geht der Ex-Europaabgeordnete Elmar Brok hart mit deutschen Militärs und beschwichtigenden Putinverstehern ins Gericht.

Beim 4. Europäischen Salon wurde mit klaren Worten diskutiert. (Fotos: privat)

Unkel. Die außenpolitische Lage bleibt dramatisch und das Bedürfnis nach Einordnung und Austausch ist unvermindert groß. Deshalb lud die Villa Weingärtner den erfahrenden Außenpolitiker und Spezialisten für den europäischen Reformprozess Elmar Brok nach Unkel ein. Die Fragen stellte Dirk Brengelmann, Ex-Diplomat und Dozent für Internationale Beziehungen an der der Universität Bonn. Brok saß 39 Jahre lang im Europaparlament, engagierte sich im Verfassungskonvent und leitete lange den Auswärtigen Ausschuss des Hohen Hauses. Noch heute ist der 76-jährige CDU-Politiker als Vizepräsident der Christlich Demokratischen international viel auf Reisen und im ständigen Austausch mit Regierungsverantwortlichen.

Von einem Abendessen mit dem polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki berichtete Brok ausführlich, um deutlich zu machen, wie selten sich die Deutschen in ihre östlichen Nachbarn hineinversetzen. "Ich fragte ihn nach seiner Herkunft. Aus Breslau antwortete er – aber ich bin eigentlich Flüchtling. Aus der Ostukraine". Als Folge des Hitler-Stalin-Paktes hatte seine Familie ihre Heimat verlassen müssen – so wie sechs Jahre später die deutschstämmigen Menschen aus Westpolen vertrieben wurden. "Das weiß in Deutschland kein Mensch. Und wenn wir dann als die Lehrmeister auftreten, die angeblich als einzige was von Friedenspolitik verstehen, dann ist das peinlich", führte Brok aus.

Wenn er heute höre, man dürfe sich aus historischer Verantwortung gegenüber Russland nicht auf die ukrainische Seite schlagen, könne er das nicht nachvollziehen. Zuerst habe Polen unter dem Hitler-Stalin-Pakt gelitten, dann Weißrussland und die Ukraine. "In den ersten Tagen der Okkupation haben die Deutschen in Kiew 35.000 Juden aus den Häusern getrieben und erschossen. In zwei Tagen". Solange die Ukraine für ihre Freiheit kämpfen wolle, sollte Deutschland sie dabei unterstützten. "Schon aus unserem eigenen Interesse, damit Putin nicht demnächst an der deutschen Grenze steht. Dass man einem anderen Land dabei hilft, fremde Truppen zu vertreiben, halte ich für selbstverständlich".

Viele, die sich heute aus humanitären Gründen gegen Waffenlieferungen aussprächen, seien doch in Wahrheit nur besorgt wegen der hohen Energie- und Benzinpreise. "Zu sagen, wir leiden unter Preissteigerungen und deshalb sollen die Ukrainer kapitulieren – das ist eine unanständige Vorstellung, die unter der Hand bei vielen Menschen auftaucht". Scharfe Kritik übte Brok an den energiepolitischen Entscheidungen der vergangenen Jahre. Auch seine eigene Partei verschonte er dabei nicht. "Wir haben es zu der phänomenalen Entwicklung gebracht, eine 55 prozentige Abhängigkeit von Russland im Gas zu haben – schon ohne Nord Stream II, allein mit den aktuellen Kapazitäten. Ich bin immer für gute Beziehungen zu Russland gewesen – auch für Gasgeschäfte. Aber selbst die Sparkasse in Unkel sagt: Tu bei einer Anlage nicht alle Eier in denselben Korb". Es sei ja schon lange deutlich, dass Putin den Gaspreis als politische Waffe einsetze.

Gazprom halte 25 Prozent Anteile an den deutschen Gasspeichern. Vergangenes Frühjahr seien sie statt wie vorgesehen zu 80 Prozent nur zu 3 Prozent gefüllt gewesen. Er frage sich, wer derartige Verträge genehmige – sie seien schließlich sicherheitsrelevant.

Was die Zukunft der europäischen Verteidigungspolitik angeht, hofft Brok auf ein Umdenken in Berlin. Dort sei man noch immer in rein nationalen Mustern gefangen. "Wie kann man, nachdem wir in der Energiepolitik die größten Tolpatsche waren, jetzt auch noch die Verteidigung in den Sand setzen? Wie kann man exklusiv für Deutschland einen Raketenabwehrschirm planen, den Iron Dome? Man muss doch zumindest die mittel- und osteuropäischen Nachbarn einbeziehen. Wir in Deutschland begreifen nicht, dass wir dabei sind das Vertrauen zu verspielen, das wir über 40,50 Jahre in der EU gewonnen haben".

Noch immer leiste man sich in Europa 280 unterschiedliche Waffensysteme. Die USA beschränkten sich auf 25. Deutschland müsse bereit sein, seine Standards anzupassen. Die Zeiten, wo sich jeder General Sonderausstattungen in seinen Panzer habe einbauen lassen, seien vorbei. Der Ukrainekonflikt wirke – so schlimm das auch sei – als Katalysator in dieser Frage. "Viele Länder sagen nun, dass wir bei der Außen- und Sicherheitspolitik mit dem Einstimmigkeitsprinzip nicht mehr weiterkommen. Wladimir Putin sollte man ein Denkmal setzen als Gründervater der EU. Der hat es geschafft, EU und Nato so zusammen zu bringen, wie es jahrzehntelang niemandem mehr gelungen ist".

Wer sich für das Programm der Villa Weingärtner interessiert, kann sich über info@villa-weingaertner.de auf den Verteiler setzen lassen. (PM)



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