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Nachricht vom 10.01.2020    

Mindestlohn – Was er für Handwerk und Industrie bedeutet

Viele feierten die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns als einen wichtigen Schritt sozialer Gerechtigkeit. Andere sorgten sich um die Existenz von Unternehmen und der Arbeitsplätze, die an ihnen hängen. Doch was bedeutet ein gesetzlicher Mindestlohn von knapp zehn Euro für zwei der wichtigsten deutschen Wirtschaftszweige? Was ändert sich in den nächsten Jahren für Industrie und Handwerk? Wir klären auf.

Foto und Quelle: niekverlaan | pixabay.com

Was ist der Mindestlohn?
Als Mindestlohn bezeichnet man das Gehalt, das ein Arbeitnehmer mindestens pro Stunde verdienen muss. Zahlt ein Arbeitgeber weniger, ist das Lohndumping und somit strafbar. Der gesetzliche Mindestlohn beträgt derzeit 9,35 Euro pro Stunde. Allerdings gibt es einige Ausnahmefälle, in denen weniger gezahlt werden darf. Diese sind:

Azubis
Ehrenamtlich Tätige
Pflichtpraktikanten oder Praktikanten, die maximal drei Monate im Betrieb sind
Langzeitarbeitslose innerhalb des ersten halben Jahres nach Arbeitsaufnahme
Jugendliche in der Einstiegsqualifizierung zur Vorbereitung auf eine Berufsausbildung

Allen anderen Arbeitnehmern darf nicht weniger als 9,35 Euro pro Stunde gezahlt werden. Teilweise gibt es sogar noch höhere Mindestlöhne in einzelnen Branchen. Auf dieser Website finden sich weiterführende, ausführliche Informationen zum gesetzlichen Mindestlohn. Ein Beispiel für eine erhöhte Mindestvergütung ist das Dachdeckerhandwerk. Nicht nur die attraktive Vergütung macht den Beruf ansprechend. Wir berichteten bereits, was in der Ausbildung zum Dachdecker dazugehört.

Welche Bedeutung hat der Mindestlohn für Industrie und Handwerk?
Kaum ein anderer Wirtschaftszweig hat historisch gesehen eine solche Bedeutung für Deutschland wie diese beiden. Die deutschen Handwerker sind hochangesehen und daher meistens ausgebucht, die von der hiesigen Industrie gefertigten Autos sind weltberühmt. Außerdem sind diese Branchen dafür bekannt, im Allgemeinen sehr gut zu bezahlen. Da sollte der Mindestlohn doch keine Rolle spielen, oder? Sollte man meinen, aber ganz so einfach ist es dann doch nicht. In beiden Branchen fallen viele leichte Hilfstätigkeiten an, die als Grundlage für die spätere Wertschöpfung dienen. Dazu gehören Beschäftigungen wie Putzen, Sortieren und Aufräumen: Weder eine Fabrik noch eine Werkstatt kann konstant hohe Qualität bieten, wenn es dort dreckig, chaotisch und unorganisiert zugeht. Früher wurden beispielsweise Studenten bezahlt, um angeliefertes Holz nach Qualität zu sortieren oder um in der Fabrik Ausschussware zu überprüfen. Das ist heute immer noch möglich, aber durch den Mindestlohn viel teurer geworden. Entweder ein Betrieb leistet sich diese Hilfe, was seinen Gewinn enorm reduziert und Investitionen erschwert, oder er verzichtet darauf. Letzteres führt dazu, dass die restlichen Beschäftigten einen Teil ihrer Zeit darauf verwenden müssen, vor- oder nachbereitende Tätigkeiten auszuführen. Das senkt die Produktivität enorm. Sonst konnte ein Schreiner beispielsweise in seine saubere, vorbereitete Werkstatt kommen, acht Stunden arbeiten und anschließend wieder gehen. Ohne Hilfskraft muss er – je nach konkreter Arbeit – ein bis zwei Stunden aufräumen, was seine effektive Arbeitszeit auf sechs bis sieben Stunden reduziert. Die Wirkung für den Kunden ist in beiden Fällen die gleiche: Er muss mehr bezahlen. Entweder, um die zusätzlichen Kosten zu kompensieren, oder, um die gesunkene Produktivität abzufedern.

Um dieses komplizierte Thema leicht verständlich darzustellen, haben wir die Vor- und Nachteile des gesetzlichen Mindestlohns in einer übersichtlichen Tabelle dargestellt:

Gesetzlicher Mindestlohn von 9,35 € pro Stunde

Vorteile: Geringverdiener müssen weniger arbeiten, um ihr Existenzminimum zu sichern. | Es gibt keine juristischen Schlupflöcher: Ausbeutung wird effektiv verhindert. | Trägt zur sozialen Gerechtigkeit bei.

Nachteile: Höhere Lohnkosten für Arbeitgeber. | Preisanstiege durch die höheren Kosten. | Entlassung einiger Beschäftigter, um die Kosten für die Übrigen decken zu können.

Wie man sieht, ist der Mindestlohn ein zweischneidiges Schwert. Seine Wirkung für die soziale Gerechtigkeit in Deutschland ist ebenso unbestritten wie die Last, die er besonders für kleine Betriebe bedeutet. Hier muss die Politik das richtige Maß finden: Ein zu niedriger Lohn bedeutet Ausbeutung, zu hoch gefährdet die Wirtschaftsleistung. Der aktuelle Mindestlohn von 9,35 Euro ist jedenfalls noch nicht die Obergrenze: Mitte 2021 wird die Mindestlohn-Kommission eine Empfehlung für die weitere Erhöhung aussprechen. In der Vergangenheit hat die Bundesregierung diesen immer entsprochen. Wie es dieses Mal laufen wird, wird sich zeigen. (PRM)



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