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Nachricht vom 21.06.2022    

"Sie hat die Welt gerettet": Jayson (10) hat seine Stammzellenspenderin getroffen

Von Angela Göbler

Eigentlich ist Jaysons zehnter Geburtstag erst im August, aber die Tage bis dahin zählt er schon lange. Und wem er es zu verdanken hat, dass er seinen runden Ehrentag überhaupt feiern kann, weiß der kleine Junge aus Straßenhaus auch ganz genau: Beyza heißt die junge Frau, die ihm vor drei Jahren mit einer Stammzellenspende das Leben rettete. Vor Kurzem durften sich die beiden kennenlernen – und haben jetzt eine wortwörtliche Freundschaft fürs Leben.

Jayson und Beyza durften sich endlich kennenlernen. (Fotos: Privat)

Straßenhaus. Aplastische Anämie, so heißt die Autoimmun-Erkrankung, die Jaysons blutbildendes System zerstört hat, als er noch keine sechs Jahre alt war. Schon den sechsten Geburtstag hat er im Krankenhaus verbracht, isoliert in einem sterilen Zimmer, sogar Michaela Seybold durfte nur vermummt und unter strengsten Hygienemaßnahmen zu ihm. Jayson ist das leibliche Kind ihrer verstorbenen Schwester, seitdem ist sie die Mama und mit dem Kleinen durch alle schweren Zeiten gegangen. Dass Jayson das Down-Syndrom hat, war da manchmal beinah ein Glück: Wie schlimm es um ihn stand, hat der kleine Junge so nie völlig erfassen müssen und sich seine Fröhlichkeit und Zuversicht die ganze Zeit bewahrt.

Sogar 2019, als sein Körper längst kein eigenes Blut mehr produzieren und auch nicht mehr alle lebensverlängernden Blutkonserven vertragen konnte, hat sich Jayson noch mit Karnevalsliedern die Zeit im Krankenhaus vertrieben. Dass das Kind ohne Knochenmarksspende nicht überleben und irgendwann innerlich verbluten würde, war da schon lange bekannt. Bei der Suche nach einem geeigneten Spender haben viele mitgeholfen, nicht zuletzt ein großes Helferteam aus Straßenhaus, das schon 2018 eine Typisierungsaktion zusammen mit der DKMS auf die Beine gestellt hat.

Eine lebensrettende Tat
Und die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen wurde wirklich gefunden: Beyza war im Frühjahr 2019 erst 19 Jahre alt und ging direkt aus dem Urlaub ins Krankenhaus, um einem ihr unbekannten Kind das Leben retten zu können. „Altersgruppe 6 bis 12 Jahre“, mehr wusste sie damals nicht über den kleinen Patienten. Unter Vollnarkose haben die Ärzte der jungen Frau Stammzellen direkt aus dem Beckenkamm entnommen, drei Tage Klinik mussten sein, für Beyza war es der erste Krankenhausaufenthalt überhaupt. Für Jayson war die Übertragung da fast unkompliziert und nur wie eine weitere Transfusion: Die lebensrettende Spende kam in einem unscheinbaren Beutel, gefüllt mit dickflüssigem Blut, das Michaela Seybold jede halbe Stunde durchkneten musste.

Ausgestanden war die Krankheit damit für Jayson aber noch nicht: Ein halbes Jahr nach der Spende entwickelt er eine sogenannte Immunthrombozytopenie (ITP), einen Mangel an Blutplättchen, bei dem jede Verletzung zum innerlichen Verbluten führen könnte, mehrere Krankenhausaufenthalte waren nochmal nötig. „Wir mussten aufpassen, dass Jayson nicht stürzt oder zu wild spielt, er durfte nicht Rad fahren oder schwimmen, das war schwer für ihn“, berichtet Michaela Seybold. Aber auch diese Krise meistert der kleine Patient und im Lauf eines Jahres verwächst sich die ITP bei dem Kind spurlos und verschwindet so schnell, wie sie gekommen ist.



Aber mit Corona wartet schon die nächste Hürde, Michaela Seybold will nichts riskieren und fährt den Kleinen jeden Morgen selbst zur Schule, eineinhalb Stunden Zeit frisst das täglich. Und trotz aller Vorsicht infiziert sich die ganze Familie rund um Ostern 2022 reihum mit dem Virus – und diesmal ist es Jayson, der alles – auch dank Impfung - am besten wegsteckt und schon nach einem Tag Fieber wieder munter ist.

Eine besondere Freundschaft
Fast drei Jahre hat es jetzt gedauert, bis Jayson seine Lebensretterin Beyza endlich kennenlernen durfte, Corona hat die Wartezeit noch zusätzlich verlängert. Wer Beyza ist, weiß Jayson ganz genau: „Sie hat die Welt gerettet“, strahlt er beim Gedanken an seinen genetischen Zwilling. Kein Wunder also, dass die beiden sich gleich vertraut und nah waren, als sich die Familien vor Kurzem in Beyzas Heimatort Neuenburg am Rhein mit ihren Familien getroffen haben, viele Geschenke und Umarmungen im Gepäck. In der baden-württembergischen Stadt findet gerade die Landesgartenschau statt, einen passenderen Ort für das Treffen als mittendrin im blühenden Leben hätte es wohl kaum geben können.

Denn heute ist für Jayson alles anders und auch sein Leben blüht wieder: Er geht in die Carl-Orff-Schule in Engers und sitzt mit sieben Mädchen in einer Klasse, „alles Zicken“, findet Jayson, „außer Annalena, die ist nett“, ruft sogar nach der Schule manchmal an und umarmt ihren Mitschüler zum Abschied. Für Jayson ist damit auch die Zeit der Einsamkeit vorbei, kein Homeschooling alleine vor dem Bildschirm mehr, er darf raus, spielen, schwimmen gehen und mit seinen drei Geschwistern toben, inzwischen kann er sogar ohne Stützräder Fahrrad fahren und selber jeden Dienstag gegrillte Hähnchen und Pommes vom Imbisswagen für die Familie holen. „Er ist gerissen“, schmunzelt seine Mama, denn Jayson weiß sich immer einen Snack zu ergaunern oder heimlich den Fernseher anzumachen, um auf Youtube seine Lieblings-Musikvideos anzuschauen, Thomas Anders und Florian Silbereisen sind seine Lieblingsstars.

Übrigens: Durch die Typisierungsaktion für Jayson sind noch vier weitere Stammzellenspender für andere Patienten gefunden worden. Vier weitere potentielle Helden, die vielleicht für jemanden die Welt retten können. Bei Jayson und Beyza hat es jedenfalls geklappt. (agoe)

Wer auch zum Lebensretter werden will, findet bei der DKMS weitere Informationen.



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