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Nachricht vom 10.11.2020    

Ökumenischer Gedenkgottesdienst in Erinnerung an die Pogromnacht

Während eines beeindruckenden Erinnerungsgottesdienstes in der Marktkirche im Gedenken an die von Josef Goebbels befohlene „Reichskristallnacht“, die zur abscheulichen Pogromnacht wurde, hatten Kantor Thomas Schmidt mit der Orgel sowie die Sänger Rudi Geil und Helga Knöbel und bereits bei der Auswahl der Lieder die Gemeinde emotional mit dem damaligen Geschehen vor 82 Jahren konfrontiert.

Fotos: Jürgen Grab

Neuwied. Neben Pfarrer Werner Zupp, der die Predigt hielt, waren Karen Wilson von der Evangelischen Brüdergemeine sowie Dr. Jürgen Ries, der Kantor der Jüdischen Kultusgemeinde Koblenz, an der Gestaltung des Gottesdienstes beteiligt. Neben Oberbürgermeister Jan Einig waren zahlreiche Christen und Juden der Einladung des Deutsch-Israelischen Freundeskreises in die Marktkirche gefolgt und konnten die Gottesdienstabfolge gemäß den Corona-Verordnungen in entsprechender Weise nachvollziehen.

„Diese Nacht mit den Zerstörungen jüdischer Gottes- und Warenhäuser und der Jagd auf jüdische Mitbürger bildeten den Auftakt einer unbarmherzigen Verfolgung der Juden in vielen Ländern Europas bis hin zur sogenannten „Endlösung“, zum Holocaust“, betonte Pfarrer Zupp zu Beginn seiner eindringlichen Predigt. Dabei verwies er auch auf den engagiert auftretenden Pfarrer der Bekennenden Kirche, Dietrich Bonhoeffer, der das schreckliche Geschehen voraussah und schon zum Zeitpunkt der Zerstörung von Synagogen, Wohnungen und Geschäften sowie den Gewaltaktionen gegen jüdische Mitbürger vor diesem Fanal des fürchterlichen Faschismus warnte. In seiner Predigt musste Pfarrer Zupp eingestehen, dass leider auch „die Kirchen“ bis auf wenige Ausnahmen sowohl zu dieser Pogromnacht als auch zu späteren Ereignissen geschwiegen und die nachfolgenden schrecklichen Ereignisse manchmal sogar gutgeheißen haben.

„Gerade heute ist es wichtig, dass wir uns den dunklen Seiten unserer christlichen Tradition stellen. Dabei kann nicht unbeachtet bleiben, dass bei etlichen Christen die uralte Judenfeindschaft immer wieder zum Ausdruck kam und somit auch kaum etwas gegen die Verbrechen der Nationalsozialisten unternommen wurde. Diesem Antijudaismus, aber auch nach dem Erschrecken und Entsetzen über die Ermordung von sechs Millionen Juden folgte eine mühsame verlaufene Neubesinnung. Zur positiven Erneuerung des Verhältnisses zwischen Juden und Christen trug nicht zuletzt der Synodalbeschluss der Evangelischen Kirche Deutschlands von vor 40 Jahren bei, in dem es heißt, dass die EKD unbedingt die bleibende Erwählung des jüdischen Volkes als Gottes Volk anerkennt, dass die christliche Kirche jedoch durch Jesus Christus in den Bund Gottes mit seinem Volk mit hineingenommen ist. Wir haben gelernt, dass christliche Identität ohne Bezug auf den jüdischen Glauben gar nicht denkbar ist“, betonte Pfarrer Zupp in seiner Predigt.



Er erläuterte weiter, dass es eine besondere Aufgabe der Kirchen ist, das Gedenken an den 9. November 1938 wachzuhalten und sie sich ihrer Verantwortung gerecht werden müssen, die Erinnerung mit Leben zu erfüllen. „Höre Israel“ - betete der jüdische Kantor Dr. Jürgen Ries in der Marktkirche und verwies dabei auf das „Schema Jisrael“ als dem ältesten Ausdruck jüdischen Selbstverständnisses (jüdisches Glaubensbekenntnis) hin. Darin wird die Einheit und Einzigkeit Gottes angesprochen und dabei in den rezitierten Toraabschnitten mehrere für die Glaubenspraxis wichtigen Gebote erwähnt. In seinem liturgischen Sprechgesang erinnerte der jüdische Kantor an die vielen Vernichtungslager im Nazi-Deutschland und den „eroberten“ Ländern und beklagte voller Trauer die ermordeten sechs Millionen Glaubensbrüder und deren Leiden.

„Sie starben als der Wahnsinn die Welt regierte und das Böse in der Welt wohnte. Möge ihr und das Opfer der nichtjüdischen Frauen und Männer, die den Mut hatten an ihrer Seite zu stehen, nicht vergebens sein“, gab Dr. Ries seinen Hoffnungen Ausdruck. Übereinstimmend vertraten Werner Zupp und Dr. Jürgen Ries den Standpunkt, dass die Wunde der brennenden Synagogen und noch schlimmer, der vielen Ermordeten bleiben wird, dass aber jeweils Neuanfänge, in denen Vertrauen wachsen kann, in jedem Fall möglich sind, auch wenn dies manchmal in diesen Zeiten der latenten Judenfeindlichkeit nicht immer danach aussieht.

„Wir suchen das Gespräch miteinander, weil wir viel voneinander und miteinander lernen können, wenn wir uns mit Respekt und frei von Ressentiments begegnen“, hoffen Pastorin Karen Wilson, Pfarrer Werner Zupp und Kantor Dr. Jürgen Ries sowie Lektor Christian Schulze auf eine gute und in keinem Fall zerrüttete gemeinsame Zukunft. Würdevoll unterstützt wurde dieser Gottesdienst von Kantor Thomas Schmidt sowie den Sängerinnen Renate Heers und Helga Knöbel und dem Sänger Rudi Geil, die den corona-bedingten fehlenden Gesang der versammelten Gemeinde in wunderbarer Weise ersetzten.
(PM)


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