Werbung

Nachricht vom 31.05.2020    

Buchtipp „Jeder kommt mal dran“ von Antonia Fournier

Von Helmi Tischler-Venter

Mit analytischem Blick und sicherem Strich skizziert die Westerwälderin Antonia Fournier ihre Mitmenschen. In der gerade publizierten erweiterten Neuauflage sind Typen festgehalten, die jeder von irgendwo kennt und mit einem Schmunzeln zuordnet. Mit einer guten Portion Humor ergänzen die Texte spöttisch und zuweilen sarkastisch gemäß dem Untertitel „(Ein) wenig Weisheit und Spott“ die sehr reduzierten Zeichnungen der Diplom-Grafikerin und freischaffenden Künstlerin.

Buchtitel. Zeichnung: Antonia Fournier

Oberdreis. Jeder kommt mal dran: der Undurchschaubare genauso wie der Morgenmuffel, der Gleichgültige, die wissende Alte und die Einfältige. Der Möbelträger ist eindeutig als solcher erkennbar, obwohl er gar kein Möbelstück in den Händen hält. Und die Körpersprache der Empörten ist abschreckend, sodass es des ergänzenden Texts „Die Hände in den Hüften, streitsüchtig wie ein Stier, grell keift sie in den Lüften, beherrscht ihr ganzes Revier“ in diesem Fall nicht bedarf. Dagegen ist die Psychoanalyse des Dicken nachvollziehbar und zum Grinsen: „Meine Hosenbundweite hat Drang zur Breite. Drum wies ich manch saftig‘ Stück standhaft und feste zurück. Doch manchmal vergess‘ ich’s, dann fress‘ ich’s.“

Fournier hat etliche neue Prototypen in dem Band festgehalten, vor allem Frauen, die sich bisher in der radikalen Minderheit befanden: die Weltfremde und das Blumenmädchen, Violinspielerin und Flötenspielerin, Marktfrau und Putzfrau sind jeweils in Physiognomie und Aktion sehr treffend festgehalten. Außer Musikern sind einige Handwerker – Möbelschreiner und Metzger und Arzt - neu aufgetaucht.

„Der Wanderer“ zeigt, dass die Künstlerin selbst gern unterwegs ist, auch die Sauna hat sie offensichtlich besucht. Wer erwartet, dass Fournier ständig mit Stift und Skizzenblock unterwegs ist, täuscht sich. Fournier sieht die Menschen, denen sie begegnet, unauffällig aber intensiv an und hält ihre Unarten und Eigenarten, Schwächen und Gebrechen im Gedächtnis fest. In den Karikaturen werden das Markante bildlich verstärkt und die Züge vereinfacht. Die Zeichnerin beherrscht die hohe Kunst des Weglassens perfekt, oft ist die Kontur unvollständig, trotzdem ist der dargestellte Typus eindeutig. Sogar Seelenzustände wie „Das schlechte Gewissen“ oder „Der Trotz“ sind mit sparsamem, pointiert gesetztem Strich getroffen.



Der Leser oder die Leserin erkennt sich wahrscheinlich in einigen Charakteren wieder. Vielleicht im „Eifrigen“, der mit seiner Figur kämpft: „Obwohl er sich recht eifrig schindet und immer strebend sich bemüht, kein Gramm von seinem Fette schwindet. – Das schlägt ihm heftig auf’s Gemüt.“ Und jeden trifft am Ende „Das Alter“: „Hier schlurft er im Rocke, gestützt auf dem Stocke und klagt als Pensionär: „Wenn ich doch jünger wär.“ Er wartet auf’s Essen von Vielen vergessen.“

Das Hardcover-Buch ist erschienen im Romeon Verlag, ISBN 978-3-96229-167-9. htv


Lokales: Puderbach & Umgebung
Feedback: Hinweise an die Redaktion

Anmeldung zum NR-Kurier Newsletter


Mit unserem kostenlosen Newsletter erhalten Sie täglich einen Überblick über die aktuellen Nachrichten aus dem Kreis Neuwied.

» zur Anmeldung



Aktuelle Artikel aus Kultur


Kunst als "Nebel in Tüten": Ausstellung in Linz endet mit bewegender Finissage

Am 13. Juli lud der Kunstverein Linz am Rhein zur Finissage der Ausstellung "Flood the Zone with Peace" ...

Lyyra verzaubert Andernach: A cappella-Klänge in der Christuskirche

Das renommierte britische Frauenensemble Lyyra gastiert erstmals beim Festival RheinVokal in Andernach. ...

VR-Kaiserfestival 2025: Ein Jahrzehnt voller Musik und Emotionen

Vom 3. bis 7. September wird das Deutsche Eck in Koblenz zur Bühne für eines der größten Open-Air-Festivals ...

Unvergessliche Sommernacht in der Wiedhalle Roßbach

In der Roßbacher Wiedhalle fand eine mitreißende Kölsche Sommernachts-Party statt. Drei bekannte Bands ...

Erste Filmnacht in Niederraden verspricht nostalgisches Kinoerlebnis

Am 29. August verwandelt sich der Bolzplatz neben dem Dorfgemeinschaftshaus in Niederraden in ein Freiluftkino ...

Spannendes Theaterstück "Corpus Delicti" in Neuwied beleuchtet Zukunftsvision

Im Stadttheater Neuwied wurde das Stück "Corpus Delicti" nach dem Roman von Juli Zeh aufgeführt. Unter ...

Weitere Artikel


Baldauf und Lefkowitz im Gespräch über die Auflagen für Schwimmbäder

Die Öffnung und die damit verbundenen Auflagen der Schwimmbäder in unserer Region schlagen hohe Wellen. ...

Gemeindeleitung in Windhagen wieder komplett

Im Rahmen der Sitzung des Ortsgemeinderates Windhagen am 28. Mai wurde ein neuer Beigeordneter gewählt. ...

Corona Online Gipfel: Kreis Neuwied erfindet sich in der Krise neu

Eine ordentliche Portion Mut strahlte der Live-Talk mit acht regionalen Wirtschaftsexperten aus, der ...

Tag der Nachbarn in Neuwied anders als geplant

Viele Ideen für den Tag der Nachbarn am 29. Mai 2020 musste Gemeinschaftlich Wohnen Neuwied e.V. verwerfen, ...

Extrem rücksichtslose Fahrweise im Wiedbachtal

Am Freitag, dem 29. Mai ereignete sich um kurz nach 16 Uhr im "Wiedtal" auf der L255 zwischen den Ortslagen ...

Bewegen für den guten Zweck

In diesem Sommer ist alles anders: Viele Menschen verzichten im Sommer auf Auslandurlaube – und Freizeitsport ...

Werbung