Nicole nörgelt… über den Sperrmüll gegenüber
Von Nicole
GLOSSE | Er tut mir ja fast ein bisschen leid. Morgen ist Sperrmülltag und dieses traurige Gesicht, mit dem er jetzt schon seit mindestens zehn Minuten neben dem Möbelstapel vor der Gerageneinfahrt steht, könnte einem fast ans Herz gehen. Aber seine Freundin ist unerbittlich.
Dierdorf. Gegenüber wird ausgemistet und anscheinend sind es vor allem seine Sachen, die rausfliegen. Ich gebe mir gar keine Mühe, mir das Grinsen zu verkneifen. Tja. Das passiert eben, wenn man das sichere Single-Leben aufgibt und unbedingt zusammenziehen will.
Und nun geht das Schauspiel schon den ganzen Tag dahin: Bei jedem Stück, das sie aus dem Haus tragen, wird diskutiert. Er mit zunehmend verzweifelten Gesten, sie mit kühl vor der Brust verschränkten Armen und rigorosem Kopfschütteln. Als er vorhin diesen hässlichen grünen Kunstledersessel an den Straßenrand gerückt hat, dachte ich für einen Augenblick, er fange gleich an zu weinen. Ich betrachtete das abgeranzte Sitzmöbel neugierig vom Fenster meiner Wohnung aus. Ehrlich, das Teil ist unfassbar hässlich! Jägergrün, plattgesessen und mit verschrammten Holzbeinen. Aber die abgewetzten Stellen an den Armlehnen und diese blankgeriebene Stelle an der Kopfstütze, wo anscheinend immer beim Fernsehabend der Kopf des Sesselbesitzers gelegen hat, zeugen auch von einer jahrelangen Männer-Möbel-Freundschaft. Awww. Süß!
Forschend sehe ich mich in meiner Wohnung um. Hmpf. Der alte Schrank da nervt mich schon lange. Und diesen Wohnzimmertisch habe ich noch von meinen Eltern übernommen. Stabil, aber so unmodern, dass es langsam peinlich wird. Der hat ja sogar noch Kacheln auf der Tischplatte. Kacheln! Ich rümpfe die Nase, aber gleichzeitig habe ich auch das Bild der neu eingezogenen Einrichtungsdiktatorin von Gegenüber im Kopf. Vor meinem geistigen Auge sehe ich sie durch meine Wohnung marschieren und mit strengem Fräulein-Rottenmeier-Gesicht auf meine Einrichtung deuten. „Das kommt raus, das, das und das!“
Schon der Gedanke macht mich wütend und plötzlich spüre ich eine ungeheure Welle der Solidarität für den geplagten Sesselliebhaber. Entschlossen stapfe ich in meine Schuhe, binde meine Haare zu einem strengen Pferdeschwanz und werfe mir einen kämpferischen Blick im Spiegel zu. Ich gehe jetzt rüber und „helfe“, die brauchen doch bestimmt jemand, der anpackt und ein bisschen Unfrieden stiftet.
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Ich habe die Wohnungstür noch nicht hinter mir geschlossen, da bleibe ich auch schon stehen. Gegenüber ist Bewegung in die Sache gekommen. Sie steht mit geradezu entsetztem Gesicht vor der Tür und er grinst. Grinst breit von einem Ohr zum anderen, als er ein weißes Etwas an den Straßenrand trägt. Ist das ein Schminktisch? So einer von der alten Sorte, weiß lackiert, mit Schubladen und einer Halterung für den Spiegel. Ich fasse es nicht, dass er sich da durchgesetzt hat. Kaum steht das Teil am Straßenrand, machte er kehrt, geht beschwingt zurück zum Haus und schmatzt ihr im Vorbeigehen einen Kuss auf die Wange, den sogar ich auf der anderen Straßenseite hören kann.
Ich bin ja fast ein bisschen stolz auf ihn, obwohl wir sonst nicht wirklich viel miteinander zu tun haben. Ich schmunzele ich mich hinein, als ich wieder ins Haus zurückgehe. Vielleicht gehe ich doch mal zu den Beiden rüber. Heute noch. Aber noch nicht jetzt. Erst, wenn es dunkel ist. Um Mitternacht oder so. Ich könnte einen neuen Schminktisch gebrauchen…
In diesem Sinne - Bleiben Sie gesund!
Ihre Nicole
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