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Nachricht vom 26.01.2020    

Welt-Lepra-Tag: Lepra, eine auch im Mittelalter bei uns verbreitete Krankheit

Der Welt-Lepra-Tag ist ein Aktions- und Gedenktag, der 1954 eingeführt wurde auf Initiative durch Raoul Follereau in Erinnerung an den Todestag von Mahatma Gandhi. Er findet immer am letzten Sonntag im Januar statt. Auch in unserer Heimat erinnern Orte an diese Krankheit.

Siechenkreuz bei Leutesdorf. Foto: Werner Schönhofen

Region. Wenn man weiß, dass in früheren Jahrhunderten ein erheblicher Teil der Bevölkerung mehr oder weniger nicht sesshaft war, wird einem wohl die Gefahr bewusst, was dies auf gesundheitlichem Gebiet bedeutete. Landsknechte, fahrende Scholaren, Bettler, Gaukler, Pilger, entlaufene Mönche und Nonnen und Leibeigene bildeten ein großes Potential, das Seuchen verbreitete. Große Pestepidemien zogen immer wieder wellenartig über ganz Europa. Eingeschleppt wurden sie von Osten durch Wanderratten und über infizierte Flöhe auf Menschen übertragen. Nicht minder gefährlich waren andere ansteckende Krankheiten, wie zum Beispiel die Lepra.

Pestepidemien sind allgemein bekannt – weniger bekannt ist sicher, dass es auch die Lepra bei uns im Mittelalter als gefährliche Krankheit gab. Von der Vorsorge her, lepröse Kranke aus der Gemeinschaft auszusondern, hat die Krankheit auch den Namen „Aussatz“ erhalten. Martin Luther gebrauchte in seiner Bibelübersetzung das Wort „Aussatz“, das so treffend die soziale Situation wiedergibt. Wer im Mittelalter von der Lepra befallen war, starb einen sozialen Tod. Bereits 643 wurde im Edictus Rotari, benannt nach einem Langobardenkönig, bestimmt, dass der Lepröse wie ein Gestorbener zu behandeln sei. Auch das 3. Laterankonzil von 1179 gebot die strenge Trennung von Kranken und Gesunden, die auch in einer Trierer Leprosenordnung festgelegt ist. Solche Ausgesetzten mussten in besonderen Häusern außerhalb geschlossener Ortschaften leben – den Siechenhäusern, auch Gutleut-, Pest- oder Melatenhäuser (vom Französischen malade = krank) bezeichnet, deren es im Mittelalter um die 1200 in Deutschland gab. Sie wurden an Handels- oder Zugangsstraßen errichtet, um den Aussätzigen das Betteln zu ermöglichen. Oft gehörten auch eigene Kapellen zu den Siechenhäusern wie Am Guten Mann bei Weißenthurm am Rhein

In diesen Isolierstationen waren sie jedoch keinesfalls vergessen. An bestimmten Stellen des Ortes wurde ihnen die Nahrung hingestellt, die sie sich dort abholen konnten. Lepröse waren durch einen schwarzen Umhang mit Kapuze gekennzeichnet. Sie mussten mit einer Rassel oder einem Glöckchen Zeichen geben, dass sie sich nahten. Dazu riefen sie, als Zeichen, dass sie in guter Absicht kamen: „Guter Mann“. Die Mehrzahl sind nun mal „Gute Leute“; so mag der (Neuwied-)Heddesdorfer Flurnamen „Am Guten Leut Pfad“ entstanden sein. Es war wohl ein Weg, den die Leprösen auf ihrem Bettelgang zwischen der Siedlung an der Kapelle Am Guten Mann – heute am ehemaligen AKW – und der Heddesdorfer Kirche benutzten.

In der Sonnenlandsiedlung gibt es den Straßennamen „Am guten Leitpfad“. Hier wäre wohl richtiger Leutepfad zu lesen. Auch die Kapelle vor dem AKW, dem hl. Nikolaus geweiht und bereits im 14.Jahrhundert erwähnt, war wohl für die Leprösen bestimmt. Im 17. Jahrhundert befand sich hier eine Siechensiedlung, nachdem entsprechende Häuser weiter rheinabwärts am Weißen Turm abgebrannt waren. Gegenüber der Kapelle lag auf dem rechten Rheinufer der Hof Rheinau. Von hier aus führte der Weg der Aussätzigen bis zur Heddesdorfer Kirche.

Am Rheinufer bei Leutesdorf steht das Siechenkreuz. Auch hier befand sich wohl ein Siechenhaus, dessen Grundmauern man vor vielen Jahren in der Nähe feststellen konnte. Das Siechhaustal zwischen Koblenz und Kapellen-Stolzenfels dürfte ebenfalls ein Ort sein, wo sich einst ein Siechenhaus befand. Sicherlich sind auch an anderen Orten unserer Heimat solche Häuser zu finden.



Kirchen, Mühlen, Bäckereien, Jahr- und andere Märkte durften Aussätzige nicht betreten. Sie durften sich nicht an öffentlichen Brunnen waschen. Gegenstände durften nur mit einem Stock berührt werden, an dem oft auch das Glöckchen befestigt war. Weitere Schutzmaßnahmen gegen Ansteckung waren, dass Lepröse nicht antworten durften; es sei denn, derjenige, der sie ansprach, stand an ihrer Windseite. Schmale Straßen und Gässchen durften – besonders abends – nicht betreten werden.

Wenn es schon solche strengen Vorbeugemaßnahmen gab, dann wusste man sicher um die Gefährlichkeit dieser Krankheit. Bei der Lepra gibt es eine ansteckende, eine nichtansteckende und eine Mischform. Sie wird durch Tröpfcheninfektion übertragen und hat eine Inkubationszeit zwischen sechs Monaten und 40 Jahren! Bricht jedoch meistens nach zwei bis drei Jahren aus. Wie macht sie sich nun bemerkbar? Das kann man kurz mit „Schmerzunempfindlichkeit“ und Faulen der Gliedmaßen, Verstümmelungen bis zur Unkenntlichkeit, umschreiben. Sie wurde auch Elefantiasis, Leontiasis = löwengesichtig oder Satyriasis bezeichnet wegen ihrer starken Veränderung der Gesichtszüge. Natürlich versuchte man schon möglichst frühzeitig, die Krankheit zu erkennen. Wer heiser und scharf sang, wer verhärtete Augenbrauenhaare hatte, wer eine Körperhaut schwarz und scharf wie eine gerupfte Gans hatte, wer eine übergroße Kopfhaut hatte und schließlich wer gefühllos in Fingern oder Zehen war, war von der Lepra befallen; dann wurde er „ausgesetzt“.

Nicht unerwähnt bleiben sollte auch, dass der Heilige Martin bei uns im Mittelalter als Schutzpatron der Lepra-Kranken galt. Teilte er vielleicht den Mantel mit einem leprakranken Bettler? Mit dem Eindämmen der Seuche ging dieses Wissen bei uns verloren. Auch die Heilige Elisabeth galt als Schutzpatronin der Leprakranken. War der Kranke, den sie der Legende nach in ihrem Bett pflegte und in dem sie Jesus sah, ein Leprakranker?

Wie steht es nun mit dieser Krankheit heute? Dass es schon eine alte Krankheit sein muss, wissen wir nicht nur aus der Bibel. An mehreren Stellen ist davon die Rede. Aussätzige kommen zu Jesus und erhoffen sich von ihm Heilung. Ihre Bekanntheit reicht bis ins 2. Jahrtausend vor Christus zurück. In Europa ist sie ausgestorben – von gelegentlicher Einschleppung aus der Dritten Welt durch Reisende abgesehen. Dort ist sie aber noch weit verbreitet. Begünstigt wird sie durch die Lebensverhältnisse der ärmeren Bevölkerung: Nahrungsmangel, einseitige Ernährung, Unsauberkeit. Die Zahl der Erkrankten wird weltweit auf zehn Millionen geschätzt, von denen etwa ein Drikttel behandelt werden. Es wird mit jährlich 230000 - 270000 Neuinfektionen gerechnet. Das Deutsche Aussätzigen-Hilfswerk aus Würzburg ist weltweit tätig. Die Lepra-Ärztin Ruth Pfau war in Pakistan tätig und wurde unter anderem durch die Abtei Maria Laach unterstützt. Um die Leprösen auf der Hawai-Insel Molokai kümmerte sich Pater Damian de Veuster von den Missionaren von den Heiligsten Herzen Jesu und Mariä (Arnsteiner Patres), der heiliggesprochen wurde. Die Krankheit kann heute mit Medikamenten bei recht geringem finanziellem Einsatz geheilt werden.
Werner Schönhofen




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