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Nachricht vom 21.04.2018    

Wenn Schlenkescheißer Platt schwetzen

Wenn Schlenkescheißer Platt schwetzen, muss es sich um Dierdorfer handeln, die der wäller Mundart noch mächtig sind. Das Thema „Wie de Leit frejer en Deerdorf geschwetzt han – Die Geschichte und die Entwicklung der Mundart im Dierdorfer Raum“ setzte die Reihe des Kulturkreises „Dierdorf früher“ am Freitagabend, 20. April fort. Rund 80 Interessenten bevölkerten die Gute Stube der Stadt Dierdorf in der Alten Schule am Damm.

Die Redner: Alfred Lotz, Erwin Kuhn und Harald Kaulbach (von links). Fotos: Helmi Tischler-Venter

Dierdorf. Karl-August Heib stellte in seiner Begrüßungsrede fest, dass noch in den 1950er Jahren die meisten Dierdorfer Leute „dierdorferisch“ sprachen – Hochdeutsch mit Streifen. Die Entwicklung der Sprache habe eine eigene Entwicklung genommen und den Dialekt weitestgehend verdrängt: Mit jeder Generation verliert der Dialekt zehn Prozent seiner Benutzer. Wissenschaftler stellten fest, dass Dialket lernen schlau macht, weil das Kind sich deswegen früh mit Fremdsprachen lernen befassen muss.

Germanist Erwin Kuhn erläuterte kompakt und anschaulich die Entwicklung der deutschen Sprache, deren Ursprache das Indogermanische war durch Vermischung indogener mit germanischen Stämmen. Die Rhein-Weser-Germanen entwickelten unseren Dialekt. Die Germanen in unserer Region, die Katten waren ein wilder Volksstamm, gegen den die Römer den Limes errichteten, der allerdings kleinen Grenzverkehr erlaubte. Da die Römer den Germanen überlegen waren, übernahmen die einheimischen Katten mit den römischen Kulturelementen auch deren lateinische Bezeichnungen. Durch Lautverschiebungen wurde zum Beispiel aus „murus“ Mauer und aus „vinum“ Wein.

Die deutsche Hochsprache bildete sich aus den germanischen Sprachen heraus zur Zeit Karls des Großen durch Vereinigung der Großstämme. Althochdeutsch entwickelte sich zwischen 600 und 1000 (Beispiel: Merseburger Zaubersprüche) und Mittelhochdeutsch ab 1000 bis 1500 (Nibelungenlied). Die Vokale veränderten sich radikal beim Übergang zum Neuhochdeutschen (Beispiel: Luthers Deutsch). Älter als die Schriftsprache oder Hochsprache ist die Mundart, die nur gesprochen wird und die Sprache des gemeinen Volkes verkörpert.

Um 1880 hat Professor Wenker alle Mundarten erfragt, indem er alle Volksschullehrer im Reich 40 Sätze schreiben ließ in den jeweiligen Dialekten, das Problem war das lautgetreue Aufschreiben. Es wurden 1.600 Karten gezeichnet zur Einteilung des Deutschen. Das Mitteldeutsche im Rheinland, der rheinische Fächer entstand durch Abgrenzungen, gebildet durch Flüsse, territoriale Grenzen und die Erzbistümer Mainz (rheinfränkisch), Trier (moselfränkisch) und Köln (ripuarisch). Die Region um Dierdorf gehört zum Moselfränkisch und entwickelte sich am Rhein entlang von „uns“ zu „us/os“. Typische Mundartsprecher sind ältere Bauersfrauen.



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Kuhn zitierte ebenso wie Heib den großen Goethe: „Jede Provinz liebt ihren Dialekt, denn er ist doch eigentlich das Element, in welchem die Seele ihren Atem schöpft".

Im zweiten Teil der Veranstaltung erfreuten die beiden Dierdorfer Originale Harald Kaulbach und Alfred Lotz die Zuhörer mit „Stickelcher“ vun frejer und vun frejere Originale. Zum Beispiel erzählte Kaulbach, wie 1884 die „erschte Lok dursch Deerdorf fuhr – mit 60! – auweiauwei!“ Oder er erinnerte sich an das Heumachen mit Wiesbaum auf dem hohen Leiterwagen und Kuh- oder Pferdegespann davor. Sogar ein altes Foto mit Klein-Harald auf einem Kuhrücken sitzend, durfte das Publikum bewundern.

Der Schmied Alfred Lotz musste früher Pferde und Kühe beschlagen. Die störrische Kuh wurde dazu über das Knie „gebreedelt“ bis das Bein zum Beschlagen hoch genug war.

Die Anekdoten, die die beiden Dierdorfer zum Besten gaben, erzeugten viel Gelächter. Ganz ernst nehmen durfte man nicht alle Schwänke. Aber Lotz hatte auch eine Erklärung für den Begriff „Schklenkeschisser“, der Synonym für die Dierdorfer Bevölkerung war: Früher gab es keine Kanalisation, die überlaufende Jauchegrube wurde öfters kurzerhand in die „Schlenk“ oder Gosse entsorgt. Im Winter wurden braune Eisschollen aufgehackt.

Im Anschluss an die originellen Erzählungen stellte Erwin Kuhn ein Ratespiel auf Zuruf mit originalen Mundartwörtern wie „Schapelche“, „Plautsche“, „Gehannstrouwen“ oder „Mahn“. Für alle im moselfränkischen Sprachbereich aufgewachsenen Besucher waren die Begriffe leicht zu übersetzen.

Ulli Christian dankte den Rednern für die Rückführung, denn Altes wert zu schätzen und zu bewahren sei auch eine Aufgabe des Kulturkreises. Mit der am Ausgang erbetenen Spende will der Kulturkreis die Stadt Dierdorf bei der Beschaffung einer bronzenen Tafel für die „Alte Schule“ unterstützen.

Viele Besucher blieben noch eine Weile zusammen, um sich an früher zu erinnern und su ze schwetze wie de Leit frejer en Deerdorf. htv


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