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Nachricht vom 27.10.2017    

Düsteres Ende einer kalten Nacht in Dierdorf

Bei der Lesung mit der Dierdorfer Autorin Michaela Abresch und Hangspieler Uwe Wagner wurden die Zuhörer in das Jahr 1871 entführt, als das Schloss noch stand und als Lazarett für die Verwundeten des deutsch-französischen Krieges genutzt wurde. Mit Kerzenlicht wurde die passende Atmosphäre unter den Balken der Alten Schule am Dämmchen erzeugt.

Michaela Abresch liest. Fotos: Wolfgang Tischler

Dierdorf. Karl-August Heib kündigte am Freitag, den 27. Oktober im gänzlich gefüllten Festraum für den Kulturkreis und die Stadt Dierdorf eine Premierenlesung an. Abresch, die seit dreißig Jahren in Dierdorf lebt, las aus ihrem neuesten Werk „Kalt ruht die Nacht“ eine historische Kriminalgeschichte, die in Dierdorf spielt: „Schrei nicht, kleine Schwester“. Anlass gab die Flurbezeichnung „Sauplatz“ in alten Dokumenten. Dieser muss sich im Märkerwald hinter dem heutigen Waldhotel befunden haben.

Hauptprotagonistin der Geschichte ist Lotte, die vom Leben nicht begünstigt war. Das zeigte sich schon bei ihrer Geburt: Sie wurde mit einem vom linken Ohr über die Wange bis zum Nasenflügel ziehenden feuerroten Mal geboren, ihre ebenso gezeichnete Zwillingsschwester kam tot zur Welt. Die Mutter lehnte die makelbehaftete Tochter ab: „Wie hässlich du bist!“ Das für die Mutter wertlose Kind liebte den Vater, der es seit dem fünften Lebensjahr mit in den Wald zum Sauplatz an der Wolfsbuche nahm, die Schweine zu hüten. Lotte lernte das Horn zu blasen und die Schweine folgten dem Signal.

Als „Krüppellotte“ vierzehn war, starb der Vater und Lotte verdiente Geld, indem sie dreißig Schweine allein hütete. Die lieblose Mutter war durch fortschreitende Lähmung bettlägrig und musste von Lotte versorgt werden. An ihrem fünfzehnten Geburtstag schien ein besonderer Segen auf Lotte zu ruhen, weil sie an diesem Tag ihre „Schwester“ fand, die noch nicht einmal drei Jahre alte Leni mit einem ebensolchen Feuermal im Gesicht. Lotte rettete das ertrinkende Kind und nahm es mit in die Schutzhütte am Sauplatz. Allabendlich wiegte Lotte ihre neue Schwester in den Schlaf. Michaela Abresch sang mit zarter Stimme „Wer hat die schönsten Schäfchen?“



Die mitreißende Lesung Abreschs wurde noch verfeinert durch die angenehmen Klänge des „Hang“ – eines Ufo-ähnlichen Acht-Ton-Instruments, das vor wenigen Jahren in der Schweiz aus steel-drums entwickelt wurde. Uwe Wagner entlockte mit den Händen den Text untermalende dumpfe Laute, Glockenschläge, aber auch beruhigende sanfte Melodien.

Die Geschichte endet tragisch. Totenstille herrschte im Raum, nachdem die letzten Worte und Hang-Töne verklungen waren. Ulli Christian resümierte, dass mit der Lesung und der Musik in Kenntnis der Stadt Dierdorf und der in der Geschichte angesprochenen Ortsangaben in den Köpfen der Zuhörer Bilder entstanden. Die Unterbrechungen durch die Musik habe Gelegenheit geboten, diesen nachzuhängen und sie zu vertiefen.

Michaela Abresch betonte, es sei ihr wichtig gewesen, die sechs historischen Kriminalgeschichten unterschiedlich zu gestalten. Jede habe einen anderen Schauplatz, Motiv und Tathergang, aber die Motive seien alle nachvollziehbar, es werde nie aus Lust gemordet.

Am Ende eines schönen Kulturabends signierte die Autorin zahlreiche Bücher. Erschienen ist das Taschenbuch „Kalt ruht die Nacht“ im „acabus“-Verlag, ISBN: 978-3-86282-538-7. htv


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