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Nachricht vom 12.08.2017    

Else: Vier in einem Aufzug

Else war wegen ihren chronischen Zipperlein in Kur. Auch in der Kurklinik erlebte sie Situationen, die ihr zum Kopfschütteln Anlass gaben. Im dem Text „Vier in einem Aufzug“ berichtet Else von einer skurrilen Situation im Lift.

Region. Frühstückszeit. Der Klinikaufzug will im vierten Stock gerade die Tür schließen, als ich um die Ecke komme. Prima, dann fahre ich zur Feier des Sonntags automatisch zum Speisesaal, statt wie meist die Treppe hinunter zu laufen. „Oh“, sagt die schlanke Dame, die bereits drinsteht, als ich schnell an der sich schließenden Tür vorbeihusche. Sie lächelt. Die Luft im Lift ist schwül und muffig.

Im dritten Stock stoppt der Aufzug, ein älteres Paar steigt ein, eine dicke Frau mit blondiertem Haar und ein alter Herr mit Rollator. Nachdem der Lift wieder losgefahren ist, stoppt er nicht mehr, auch nicht im Erdgeschoss, wo alle hinwollen. Die Kabine fährt durch bis zur Endstation im zweiten Untergeschoss. Die Tür bleibt zu. Ich drücke auf die „0“. Aufjaulen des Motors, aber der Lift bleibt stehen und die Tür bleibt zu. Ich drücke auf die Taste zum Türöffnen. Keine Reaktion. Die blonde Frau drückt die Türöffnertaste mehrfach ohne Erfolg. „Drück mal minus 1“, sagt der Mann. Die Blonde drückt auf die angegebene Taste. Motorgeräusch, sonst nichts.

„Oh, nein“, jault die schlanke Dame und fängt an zu weinen. „Nicht in Panik geraten“, sage ich in beruhigendem Ton, „gleich kommt Hilfe“ und drücke auf den Notschalter. Eine weibliche Stimme fragt aus dem Deckenlautsprecher: „Hallo, ist bei Ihnen alles in Ordnung?“ „Nein“, antworte ich, „der Aufzug ist in der untersten Etage stehengeblieben.“ „Drücken Sie mal auf die zweite Taste links oben“, kommt die sachliche Anweisung. Ich reagiere wie befohlen und sage gleichzeitig: „Das haben wir schon mehrfach versucht, die Tür bleibt zu.“

„Ich rufe den Monteur. Es wird zehn Minuten dauern, bis er kommt.“, teilt der Deckenlautsprecher mit. Die schlanke Dame setzt sich auf den Klappsitz und weint noch mehr.

„Werner“, befiehlt die Blonde, „setz dich auf deinen Rollator, dafür ist der Sitz da!“ „Nein“, ich muss üben. Liegen und sitzen kann ich, aber stehen muss ich üben.“ „Einer, der gerade an der Wirbelsäule operiert wurde, kann nicht so lange stehen!“, kommandiert die Blonde, „Setz dich hin!“ „Es wird nicht so lange dauern. Ich kenne das doch, ich habe schon viele Aufzüge repariert und viele Leute herausgeholt.“

„Die Luft ist hier so doof, da haben wir bald keinen Sauerstoff mehr“, mault die Blonde. Die Schlanke schlägt die Hände vor das Gesicht und weint noch mehr. „Blödes blondes Weib“, denke ich.

Der Deckenlautsprecher meldet sich wieder: „Ist bei Ihnen alles in Ordnung?“ „Nein“, antwortet die Blonde energisch, „eine Dame hat Panik.“ „Wie heißt die Dame?“, fragt der Deckenlautsprecher. „Marietta Rodonkov“, antwortet die Schlanke unter Tränen. „Wie?“ „Marietta Rodonkov aus Polen.“ „Atmen Sie tief ein und aus: einatmen, ausatmen, einatmen,… „ „Mit Atmen ist nicht viel, der Sauerstoff wird knapp“, fällt die Blonde dem Deckenlautsprecher ins Wort. „Der Monteur kommt in zehn Minuten“, antwortet der Deckenlautsprecher. „Wie? Immer noch zehn Minuten? Solange reicht der Sauerstoff nicht“, mault die Blonde und lehnt sich ächzend mit dem Rücken an die Blechwand.



„Na, dann setze ich mich doch auf den Rollatorsitz“, murmelt Werner und nimmt Platz.

„Wie viele Personen sind Sie?“ „Vier“, sagt die Blonde. „Wenn jemand übel wird, sollte er sich auf den Boden legen“, rät der Deckenlautsprecher. „Auf den dreckigen Boden?“ mault die Blonde. „Ist doch jetzt ganz egal, ob der dreckig ist“, sage ich. „Ja“, antwortet der Deckenlautsprecher mit erleichterter Stimme. Nach dem Gespräch murmelt Rollator-Werner stolz: „Sag ihnen, es ist ein Fachmann für Aufzüge dabei.“

Die Blonde schaut mich an: „Wer unter Klaustrophobie leidet, hat jetzt ein Problem“, meint sie fachmännisch. Die Polin schlägt ihre Hände vor das Gesicht und weint noch lauter. Ich denke: „Halt endlich Mund, damit die Frau nicht noch mehr in Panik gerät“.

Alle paar Minuten jault der Motor auf. Offenbar versuchen immer wieder vergeblich Menschen den Lift auf ihre Etagen zu rufen. Ich setze mich auf den Boden. „Wärme steigt nach oben, hier unten ist es erträglicher“, sage ich ruhig. „Ich würde mich auch setzen, aber dann komme ich nicht mehr hoch“, jammert die Blonde.

Die Polin steht vom Klappsitz auf und setzt sich neben mich auf den Boden. Sie weint jetzt weniger. Die Blonde setzt sich auf den Klappsitz. „Hoffentlich kommt der Monteur bald, der Sauerstoff ist bald verbraucht“, seufzt sie. Die Polin senkt das Gesicht zwischen die Knie und bricht in verzweifeltes Weinen aus. „Du dumme Dicke, halte endlich den Mund“, denke ich. Tatsächlich meint die dumme Blonde: Beim Reden verbraucht man noch mehr Sauerstoff. ---So eine große Klinik müsste doch immer einen Monteur im Haus haben.“ „Nein, wozu?“, antworte ich, Lift-Ausfälle sind selten. Gestern war der Hausmeister im Haus, aber heute ist Sonntag, da hat er sicher Rufbereitschaft.“

„Ach guck mal“, sagt Werner plötzlich erfreut zu seiner Blonden, „das ist ein Aufzug von Isto. Weißt du, wo die sitzen? Gegenüber von der Alten Gärtnerei sitzt die Firma.“

Es kratzt und klopft an der Aufzugtür. Rumpelnd öffnet sie sich und gibt den Blick auf den Monteur frei, der fröhlich ruft: „Guten Morgen, die Herrschaften!“

Ich laufe die zwei Stockwerke zum Speisesaal im Treppenhaus hoch.



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