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Nachricht vom 09.11.2015    

Sia Korthaus macht sich erst morgen Sorgen

Mit Sia Korthaus ist es dem Hotel zur Post in Waldbreitbach gelungen, ein besonderes Bühnentalent in den Rittersaal zu holen. In ihrem Programm „Sorgen mache ich mir morgen!“ schauspielert und singt sie, ist philosophisch, lustig und überraschend zugleich.

Sia Korthaus auf der Kleinkunstbühne im Hotel zur Post. Fotos: Helmi Tischler-Venter.

Waldbreitbach. Sia Korthaus kam in ihrem Space-Shuttle-Outfit mit integriertem Körper-Chip auf die Bühne, denn sie reiste vorwärts und rückwärts in der Zeit mit ihrem außerirdischen Zeittaxifahrer, der die silberne Zeitmaschine steuerte. Der kleine Ede Olschewski mit der Berliner Schnauze wurde in seiner Galaxie als Zeittaxifahrer entlassen wegen eines „angeblich kundenunfreundlichen Umwegs“, weil er auf dem Weg in das Mittelalter über die Steinzeit gedüst war.

Da sie gerade aus dem Jahr 2054 angereist waren, wussten Korthaus und Ede zu berichten, dass Zeitreisen der neueste Schrei seien. Verändert habe sich einiges, es gebe wieder Tauschhandel wie früher, der mächtigste Mann sei einer der Google-Chefs und es gebe keine öffentliche Musik mehr. Schuld sei die GEMA – Gesellschaft zur Erpressung von Musikern und ihren Angehörigen. Im Jahr 2015 darf sie singen, zum Beispiel „An einem dieser Tage, wo alles nur gelingt.“ Singen kann die Korthaus mit kräftiger Stimme, besonders deutlich zu hören beim umgetexteten Brücken-Blues von Joy Flemming. Tanzen kann sie auch und besonders gut in verschiedene Rollen schlüpfen. Sie mimte eine Touristen-Führerin mit Scooter im fast menschenleeren „Europa-Park“, die reiche Chinesen herumführt, sie spielte mit blonder Perücke die Whiskey-süchtige Loreley, die „Each day is Ballantine’s day“ singt, sie spielte sich selbst als 86-Jährige, die vor Gericht aussagen muss, weil sie ohne Smart-Phone bei ihrer Schwester war. Diese Vergesslichkeit löst im Jahr 2054 eine tragische Kette von skurrilen Ereignissen und verdrehten Rettungsaktionen aus, weil alle Gerätschaften mit Sensoren ausgestattet sind und Meldungen weiterleiten.



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Der Clou war ihre Darstellung der eigenen Familie auf Urlaubsfahrt Anfang der 70er: Vater fährt den VW Käfer, in dem auch Mutter, Großeltern, Bruder und sie selbst untergebracht sind. Mit wandelbarer Stimme, passender Mimik und „typischen“ Aussagen gab die Künstlerin alle sechs Personen zum Besten in einer schreiend komischen Szene, die sehr viele zeittypische Elemente enthielt.

Im Jahr 2054 sieht sich die Kabarettistin gezwungen, einer Gruppe Jugendlicher Nachhilfeunterricht in Alkohol und Drogen zu geben, - „Einer muss den jungen Menschen ein bisschen Tradition beibringen“ - weil aufgrund umfassender Verbote Langeweile die einzige Krankheit ist. „Bewusstsein kann man nur entwickeln, wenn man das zwischendurch verloren hat.“

Sia Korthaus philosophierte außerdem über Star Wars, Sex in der Zukunft, den Untergang der Sozialdemokratie, Tubennahrung und die Auswirkungen des alten Sprichworts „Iss deinen Teller leer, sonst scheint morgen die Sonne nicht. Die Folge: fette Kinder und Klima-Erwärmung.

Die Aussage „Das größte Abenteuer liegt in dir“ kommentierte Handpuppe Ede: „Uns gehört nur der Augenblick, wir sind ja nur einen Wimpernschlag auf der Erde.“ Die Zukunft ist nichts anderes als die Vergangenheit von übermorgen. So endete das Programm mit dem Chanson „Sorgen mach ich mir morgen, dafür hab ich heute keine Zeit!“ Zeit für ein Gespräch mit Besuchern hatte die vielseitige Künstlerin erst nach zwei Zugaben. htv


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