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Nachricht vom 21.07.2015    

Menschen mit Demenz melden sich zu Wort

Wanderausstellung „Augen-Blicke“ zeigt Bilder und Fotos dementiell Erkrankter. Bei der Eröffnung gab es eine Kombination von Autorenlesung und Ausstellungseröffnung, in deren Mittelpunkt, als Kreative wie Akteure, Demenzerkrankte selbst stehen sollten.

Fotos: privat

Neuwied. „Mit der heutigen Veranstaltung, dem zweiten Geburtstag der Lokalen Allianz für Menschen mit Demenz in Stadt und Kreis Neuwied, wollen wir Menschen mit Demenzerkrankung handelnd in den Mittelpunkt stellen, ihnen eine „optische und akustische Stimme“ geben“, sagte Beatrix Röder-Simon in ihrer Begrüßung. Etwa 100 Personen waren der Einladung zur Autorenlesung und Ausstellungseröffnung gefolgt. Sie drängten sich im und vor dem großen Tagungssaal des Friedrich-Spee-Hauses, die jüngste zwanzig, die älteste weit über achtzig. Fachleute und Kooperationspartner, einige der KünstlerInnen mit und ohne Familie, zahlreiche Betroffene, pflegende Angehörige und viele Interessierte.

Vor zwei Jahren hatte das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) im Rahmen der nationalen Demenzstrategie unter anderem das Mehrgenerationenhaus Neuwied zum Standort der „Lokalen Allianz für Menschen mit Demenz in Stadt und Kreis Neuwied" ausgewählt. Die bundesweit verteilten Lokalen Allianzen haben zwei Aufträge. Sie sollen vor Ort und im Verbund mit anderen Aktiven vorhandene Angebotslücken schließen. Außerdem sollen sie das öffentliche Bewusstsein für dieses Zukunftsthema sensibilisieren, sodass Betroffene und Angehörige zu der Erkrankung stehen können, ohne Angst vor Stigmatisierung und Ausgrenzung, haben zu müssen.

In seiner Ansprache würdigte Achim Hallerbach, 1. Kreisbeigeordneter des Landkreises Neuwied die überaus produktive und erfolgreiche Arbeit der Lokalen Allianz. Marion Schreiber, die Projektkoordinatorin fügte dem noch einen Dank an alle beteiligten Kooperationspartner hinzu.

Gespannt erwartete das Publikum die Demenz-Aktivistin“ Helga Rohra die mit ihrer Lesung „Ich bin dement, na und?“, für den ersten Höhepunkt der Feier sorgte. Rohra erhielt mit 54 Jahren die Diagnose Lewy-Body Demenz und gehört damit zu den zehn Prozent der sogenannten Früh-Betroffenen. Die Diagnose riss sie völlig unvermittelt aus ihren privaten Bezügen und ihrem Berufsleben als erfolgreiche Dolmetscherin.

„Ich habe etwa ein Jahr gebraucht um mich von meinem alten Leben zu verabschieden. Geholfen hat mir dabei die Selbsthilfegruppe der deutschen Alzheimer Gesellschaft München.“ erklärte Rohra. Mittlerweile hat sie ihren Weg gefunden. Sie schreibt authentische, aufrüttelnde Bücher zum Thema, meldet sich bei Kongressen und Talkshows zu Wort, mischt sich ein und macht sich stark für einen neuen selbstbestimmten Umgang mit dem Thema. Nach fast 70 Minuten Lesung, Vortrag und Gespräch mit viel Witz, schonungsloser Ehrlichkeit und einer gehörigen Portion Selbstironie schließt Helga Rohra mit der aufrüttelnden Botschaft „In zehn Jahren gibt es in Deutschland nur noch zwei Gruppen von Menschen. Die eine Gruppe hat Demenz und die andere Gruppe pflegt oder betreut sie.“ Höchste Zeit also das Thema offensiv anzugehen.



Auch der zweite Teil der Veranstaltung, die Wanderausstellung „Augen-Blicke“ spiegelte den Wunsch nach einem Dialog auf Augenhöhe wieder. 27 mehrheitlich kleinformatige Acrylgemälde und Aquarelle, kreiert von 22 Malerinnen und Malern in verschiedenen Demenz-Stadien. Doch was „verraten“ diese Bilder über ihrer Schöpfer? Wäre ein Experte dazu in der Lage, sie von den Produkten, normaler/gesunder’ Kunsthandwerker zu unterscheiden? Auch die Demenz, so die Maltherapeutin Andrea Kollig, unter deren fachkundiger Anleitung die meisten dieser Bilder entstanden, berge Möglichkeiten zu überraschender Kreativität. „Die Diagnose „Demenz“ bedeutet nicht zwangsläufig, dass der Betroffene Abschied nehmen muss von kulturellen Erfahrungen, Fähigkeiten und Lebensfreude.“

Begleitet werden die Bilder von 33 Fotografien aus dem Alltag der KünstlerInnen. Susanne Isaak-Mans, Leiterin des diakonischen Besuchs- und Begleitdienstes für ältere Menschen „Menndia Neuwied", hat den Malprozess begleitet und fotografisch festgehalten. Doch ganz bewusst haben wir Fotos ausgewählt, die nicht nur demenziell erkrankte Menschen zeigen. „Denn wir wollen Menschen nicht vorführen. Wir wollen Stigmatisierungen aufbrechen, die die Menschen auf ihre Defizite reduzieren, und zum Nachdenken anregen, welches Leben und welches Potential hinter diesen Schicksalen steht.“, sagte Isaak-Manns.

„Augen-Blicke“ so der Titel der Wanderausstellung, ist bis zum 25. September während der regulären Öffnungszeiten im Mehrgenerationenhaus Neuwied zu sehen, und kann anschließend, komplett oder in Teilen, an andere Institutionen ausgeliehen werden. Weitere Informationen zur Ausstellung und Ausleihe im MGH Neuwied unter Telefon: 02631 / 344 596 oder per Email: mgh@fbs-neuwied.de.


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