Die Polizei ist eher Opfer als Täter von Gewalt
Überwachungsprogramme wie "PRISM" stören aktuell unser Demokratieverständnis. Trotz extremster Sicherheitsmaßnahmen nimmt die Brutalität an vielen Stellen der Gesellschaft zu und macht die Menschen besorgt. Sabine Bätzing-Lichtenthäler hat diese Tendenzen zum Anlass genommen, Sicherheitsexperten aus der Region und interessierte Kommunalpolitiker zu einem Fachgespräch mit dem Bundestagsabgeordneten Michael Hartmann und Bernd Becker, Landesvize der Polizeigewerkschaft, nach Oberlahr zum „Sichereitsfrühstück“ einzuladen.
Oberlahr. Michael Hartmann ist als innenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion und Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums der Geheimdienste (PKGr) intimer Kenner der deutschen Sicherheitsarchitektur. Entsprechend detailliert und aufschlussreich war seine Darstellung zum Thema Zusammenarbeit von Geheimdiensten und Polizei sowie zu erforderlichen Eingriffsermächtigungen für deutsche Polizeibehörden.
Viele der Fragen an Michael Hartmann befassten sich mit dem aktuellen Überwachungsskandal. Der Innenpolitiker umriss das Grundprinzip von Überwachungsprogrammen wie PRISM mit dem kernigen Satz: "Wenn ich die Nadel im Heuhaufen suche, mache ich mir erst mal einen Heuhaufen." Dafür habe er kein Verständnis.
Sabine Bätzing-Lichtenthäler konnte ihrem Kollegen nur beipflichten. Sie kritisierte die "Datensammelwut" der Amerikaner scharf: "Aufklärung ist dringend erforderlich! Unsere Sicherheitsinteressen dürfen nicht zur pauschalen und totalen Einschränkung von Freiheit und Menschenrechten führen. Es muss immer wieder sorgsam abgewogen werden".
Bernd Becker, Landesvize der Gewerkschaft der Polizei (GdP), beleuchtete das Thema aus Sicht der rheinland-pfälzischen Polizei und befasste sich mit dem im Polizeidienst allgegenwärtigen Gewaltphänomen. Becker: "Die Polizei leistet eine wichtige und bisweilen sehr anspruchsvolle Arbeit. Dabei gehören die Anwendung und die Erfahrung von Gewalt leider zum Berufsalltag der Kolleginnen und Kollegen". Das Gewaltmonopol des Staates werde nun mal von der Polizei ausgeübt.
Die Wahrnehmung der Polizei, zunehmend Gewalt und Respektlosigkeit ausgesetzt zu sein, werde - so Becker - durch eine Studie des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen sowie die seit 2010 durch das Mainzer Innenministerium erstellten Lageberichte eindeutig belegt.
An die 80 Prozent der Polizistinnen und Polizisten waren Opfer von "Gewalt", von der Beleidigung bis hin zu schweren Verletzungen. Dies gilt insbesondere für den Wechselschichtdienst. In Rheinland-Pfalz seien 2012 1.548 Fälle gezählt worden, in denen 3.499 Polizistinnen und Polizisten von rechtwidrigen Taten betroffen gewesen seien.
Auf der anderen Seite werde derzeit in den Medien und durch Forderung der Grünen nach einer "Beschwerdestelle Polizei" und die Kennzeichnungspflicht der Eindruck ausufernder Polizeigewalt vermittelt.
"Um es ganz klar zu sagen: Jeder polizeiliche Übergriff ist einer zu viel", postulierte Becker. Er stellte aber gleichzeitig heraus, dass der gelegentliche mediale Eindruck durch die tatsächliche Entwicklung in keiner Weise gedeckt sei.
Becker schätzt die Zahl der in Rheinland-Pfalz jedes Jahr getroffenen Eingriffsmaßnahmen - von der Feststellung der Personalien bis zur Festnahme mit Schusswaffengebrauch - auf nahezu 70.000. Dabei komme es zu circa 130 Anzeigen (2012) gegen die Polizei. Bei diesen Verfahren komme es in einstelligem Umfang zu Strafbefehlen oder Verurteilungen.
Angesichts dieser Zahlen sei jedes pauschale Misstrauen unangebracht, meinte Becker. Er warb für Vertrauen in die Arbeit der Polizei. Er schlug vor, beispielsweise durch Lagevorträge in kommunalen Gremien für noch mehr Transparenz und ein Bündnis mit den Bürgerinnen und Bürgern zu sorgen.
Sabine Bätzing-Lichtenthäler schloss sich dieser Einschätzung an, auch vor dem Hintergrund ihrer eigenen Erfahrungen auf den Dienststellen der Polizeidirektion Neuwied. Für sie steht fest: "Die Polizei ist und bleibt der Freund und Helfer der Bürgerinnen und Bürger."
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