Deichinformationszentrum Neuwied: Hochwasserschutz zum Anfassen
Von Katharina Kugelmeier
Das Deichinformationszentrum in Neuwied ist weit mehr als ein Museum - es ist ein lebendiges Zeugnis vom Kampf einer Stadt gegen die Naturgewalt des Rheins. Hier erfahren Besucher die dramatische Geschichte der Hochwasser, die Neuwied jahrhundertelang bedrohten, und lernen das einzigartige Schutzsystem kennen, das die Stadt seit fast 100 Jahren vor den Fluten bewahrt.
Neuwied. Die Geschichte des Hochwasserschutzes in Neuwied ist eine Geschichte des Überlebens. Seit der Stadtgründung 1653 wurden die Neuwieder regelmäßig nach der Schneeschmelze am Oberrhein von verheerenden Hochwassern heimgesucht. Besonders die sogenannten "Eishochwasser" im Winter hatten eine zerstörerische Kraft und richteten erheblichen Schaden an Gebäuden und Infrastruktur an. Die Katastrophenhochwasser von 1920, 1924 und 1926 brachten schließlich das Fass zum Überlaufen: 1926 stand das Wasser drei Meter hoch in der Stadt, der Schaden belief sich auf drei bis fünf Millionen Reichsmark - für die damalige Zeit eine astronomische Summe.
Bürgermeister Robert Krups wurde daraufhin zum Initiator eines gewaltigen Bauprojekts: des ersten und bis heute einzigen innerstädtischen Hochwasserschutzdeiches am Rhein. Von 1928 bis 1931 entstand ein ingenieurtechnisches Meisterwerk, das bis heute seinesgleichen sucht. Das 7,5 Kilometer lange Schutzsystem besteht aus einer 500 Meter langen, fünf Meter hohen gemauerten Deichmauer in der Innenstadt und einem anschließenden Erddeich, der sich bis zum Werk Rasselstein erstreckt. Der Bau war damals eine logistische Meisterleistung: 25 Baufirmen und 90 Lieferfirmen waren beteiligt, 2.450 Notstandsarbeiter leisteten rund 180.000 Tagewerke.
Das Deichinformationszentrum befindet sich am schlossnahen Ende der Deichmauer im ehemaligen Aufenthaltsraum der DLRG an der Ecke Schloss- und Deichstraße. In der modernen Dauerausstellung wird die komplette Geschichte des Neuwieder Hochwasserschutzes anschaulich präsentiert. Besucher können sich über interaktive Exponate und Modelle ein Bild davon machen, wie weit sich die Rheinhochwasser vor dem Deichbau in die Stadt ausgebreitet haben. Historische Fotografien dokumentieren die dramatischen Überschwemmungen und zeigen eindrucksvoll, warum der Deichbau überlebenswichtig für die Stadt war.
Besonders faszinierend sind die technischen Details des Schutzsystems: Drei Deichtore können nach einem festgelegten Plan geschlossen werden, kleinere Durchlässe werden bei Hochwasser mit speziellen Stahlkonstruktionen verschlossen, und drei Pumpwerke halten den Grundwasserspiegel auf einem kontrollierten Niveau. Die Gesamtförderleistung aller Pumpen beträgt rund 13 Kubikmeter pro Sekunde - eine beeindruckende Leistung, die verhindert, dass Grundwasser in die Keller der Innenstadt eindringt.
Ein besonderes Highlight ist die Ausstellung zur Konstruktion der Deichmauer: Für den Bau wurden 33.500 Tonnen einheimische Grauwacke, Basalt- und Lavasteine verbaut sowie 3.000 Tonnen Würzburger Sandstein für die Verkleidung. 25.000 Kubikmeter Beton, 7.250 Tonnen Zement und 450 Tonnen Trassmörtel waren nötig. Damit der Untergrund das Gewicht tragen konnte, wurden rund 2.000 Stahlbeton-Pfähle mit einer Länge von 7,5 bis 8,5 Metern in den Boden gerammt und 1.260 Tonnen Spundwand verbaut.
Das Informationszentrum macht aber nicht nur Geschichte erlebbar, sondern zeigt auch die Gegenwart und Zukunft des Hochwasserschutzes. Aktuelle Pegeldaten werden angezeigt, und Besucher erfahren, wie das System heute funktioniert und gewartet wird. Der Deich hat seit seiner Fertigstellung 1931 alle Hochwasser erfolgreich abgewehrt - das bisher höchste Hochwasser am 23. Dezember 1993 wurde mit 10,28 Metern gemessen und lag damit etwa 90 Zentimeter unterhalb der Deichkrone.
Das Zentrum ist ein technisches Museum der besonderen Art: Als einziges seiner Art weltweit präsentiert es ein noch voll funktionsfähiges Hochwasserschutzsystem. Regelmäßige Führungen bringen Besuchern die Funktionsweise von Deichtoren und Pumpwerken nahe. Bei den beliebten Deichführungen spazieren Teilnehmende über die komplette Deichmauer und ein Stück des Erddeichs, besuchen das Informationszentrum und erfahren dabei spannende Details zur Geschichte und Technik des Hochwasserschutzes.
Das Deichinformationszentrum wird vom gemeinnützigen Förderverein Neuwieder Deich e.V. betrieben, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Bewusstsein für den Hochwasserschutz zu stärken. Für Schulklassen werden spezielle Programme angeboten, und auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten sind Führungen nach Voranmeldung möglich.
Nur wenige Schritte vom Deichinformationszentrum entfernt findet sich auf der einen Seite die Deichpromenade, auf der anderen erhebt sich Schloss Neuwied, das ehemalige Residenzschloss der Grafen und Fürsten zu Wied. Das barocke Ensemble aus drei separaten Gebäuden entstand ab 1707 nach Plänen des nassau-weilburgischen Baumeisters Julius Ludwig Rothweil. Ursprünglich war eine geschlossene Hufeisenanlage nach dem Vorbild von Versailles geplant, doch Geldmangel verhinderte die Verbindung der Flügel. Das imposante Corps de Logis mit seiner klassizistischen Fassade, die beiden Seitenflügel und das schmiedeeiserne Eingangstor mit den Wappenträgern prägen noch heute das Stadtbild. Das Schloss wird seit seiner Fertigstellung von der Fürstenfamilie zu Wied bewohnt und ist nicht öffentlich zugänglich, doch der 21 Hektar große Schlosspark ist größtenteils öffentlich und lädt zu entspannenden Spaziergängen entlang des Rheinufers ein.
Informationen:
Adresse: Schlossstraße 2, 56564 Neuwied
Öffnungszeiten: Freitag, Samstag, Sonn- und Feiertage 14 bis 17 Uhr
Führungen: Nach Voranmeldung auch außerhalb der Öffnungszeiten
Kosten: Erwachsene 6 Euro, Kinder (6 bis14 Jahre) 4 Euro, unter 6 Jahren frei
Anmeldung: Tourist-Information Neuwied, Tel. 02631/802-5555
Besonderheiten: Einziges technisches Museum für aktiven Hochwasserschutz weltweit
Hinweis: Öffnungszeiten, Preise oder Fahrpläne bitte tagesaktuell prüfen!
Weitere Infos
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