"Lady Kalaschnikow": Vom Westerwald ins Zentrum eines Doppelmords
Von Lara Schumacher
Zwei brutale Morde, ein berüchtigter Spitzname und eine Täterin aus dem Westerwald - der Fall „Lady Kalaschnikow“ sorgte Ende der 1990er Jahre bundesweit für Entsetzen. Petra F., in ihrer Heimat als resolute, aber hilfsbereite Frau bekannt, stieg im harten Drückerkolonnen-Milieu zur gefürchteten Chefin auf – bis ihr Leben in einer tödlichen Gewaltspirale mündete.

Region. Ein Fall, der Gänsehaut bereitet, und durch die aktuelle Folge des True-Crime-Podcasts „Sisters in Crime – Frauen, die töten“ wieder in Erinnerung gerufen wurde: Morde im Drückerkolonnen-Milieu, direkt vor der Haustür. Petra F. wuchs in den 1970er Jahren im Westerwald auf. Ursprünglich wollte sie Friseurin werden, doch mit 16 Jahren wurde sie erstmals Mutter, innerhalb von drei Jahren folgten zwei weitere Kinder. Die Ehe zerbrach, als ihr Mann für bewaffnete Raubüberfälle verurteilt wurde – Petra hatte ihm dabei geholfen. Sie selbst erhielt 1990 eine zweijährige Bewährungsstrafe, ihre Kinder kamen in staatliche Obhut, wie die Süddeutsche Zeitung berichtete.
In den Folgejahren schlug sich Petra mit Gelegenheitsjobs als Schlammcatcherin, Callgirl und Darstellerin in einem Sexfilm durch, bevor sie Mitte der 1990er im Tür-zu-Tür-Verkauf von Zeitschriftenabonnements Fuß fasste. Dort stieg sie rasch zur Kolonnenführerin auf – in einer Szene, die sonst fast ausschließlich Männer dominierten. Auch ihr Spitzname „Lady Kalaschnikow“ stammte aus dieser Zeit: Auf Werbefotos posierte sie in Unterwäsche mit Pistole, galt als durchsetzungsstark und gefürchtet, wie der Spiegel schrieb.
Im Westerwald sah man sie oft in ihrer Stammkneipe „Uncle Sam“ in Höhn. Dort kehrte sie mit ihrer gesamten Kolonne ein, übernahm die Rechnungen und wurde von manchen als „wie eine Mutter“ beschrieben. Doch in der Drückerszene führte F. ihre Gruppe mit harter Hand, setzte hohe Verkaufsquoten und ahndete Misserfolge mit Demütigungen und Gewalt – ein Klima, das die taz später als „von Prügeln und Einschüchterung geprägt“ charakterisierte. An ihrer Seite stand zunehmend die 21-jährige Deborah O., eine junge Drückerin aus schwierigen Verhältnissen, die Falb bewunderte und ihr hörig folgte.
Im Sommer 1997 verschärfte sich die Situation. Am 22. Juli erklärte Petra F. vor ihrer Gruppe, der leistungsschwache 23-jährige Thorsten M. habe „den Grünen Punkt“ und müsse „entsorgt“ werden. Zwei Tage später lockte sie ihn in ein Waldstück bei Silberg im Sauerland. Dort musste er sein eigenes Grab ausheben, wurde über Stunden gedemütigt und gefoltert. Deborah O. fügte ihm mit Messer, Peitsche und erhitztem Metallstab schwere Verletzungen zu, bis sie ihn schließlich erstach und mit einem Spaten erschlug. „Lady Kalaschnikow“ saß währenddessen rauchend und Schokolade essend auf einem Baumstumpf, beobachtete die Tat und fotografierte das Geschehen mit einer Polaroidkamera – Details, die später im Gerichtsprozess in Ellwangen zur Sprache kamen.
Nur zwei Monate später, am 28. September 1997, fiel das nächste Opfer: Volkmar Granz, Deborahs früherer Chef und Verlobter. Ott reiste mit ihrem neuen Freund Marco Schulz nach Aalen, erschoss Granz in seiner Wohnung, stach mehrfach auf ihn ein und durchschnitt ihm die Kehle. Ziel war es, Granz’ Kolonne zu übernehmen, wie das Landgericht Ellwangen in seinem Urteil feststellte.
Die Ermittler kamen den Täterinnen über gestohlene Handys auf die Spur. Am 1. Oktober 1997 nahm ein Spezialeinsatzkommando Petra F. in einem Hotel in Gummersbach fest. In ihrem Koffer lagen die Tatwaffe und die Polaroidfotos vom Mord an Mumm. Auch Deborah O. wurde festgenommen.
1998 verurteilte das Landgericht Ellwangen Petra F. zu lebenslanger Haft mit besonderer Schwere der Schuld – ein vorzeitiger Haftentlassungstermin ist damit praktisch ausgeschlossen. Deborah O. erhielt ebenfalls lebenslang, jedoch ohne diese Feststellung, und hat damit die Möglichkeit einer Entlassung nach frühestens 15 Jahren, wie der Stern berichtete.
Wer die ganze Geschichte in allen Details, mit Hintergrund zu den Persönlichkeiten und der Szene hören möchte, findet in der aktuellen Folge des True-Crime-Podcasts „Sisters in Crime – Frauen, die töten“ („Lady Kalaschnikow – Von der Drückerkolonne zum Killerkommando“) eine eindringliche und gut recherchierte Aufarbeitung. LJS
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