Macht im Umbruch: Lesung im Alten Bahnhof Puderbach mit Herfried Münkler
Von Helmi Tischler-Venter
Die WW-Lit-Veranstaltung im Alten Bahnhof war am Freitagabend ausverkauft und der hohe Männeranteil im Publikum war dem brisanten politischen Thema geschuldet. Professor Herfried Münkler, ein deutscher Politikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Politische Theorie und Ideengeschichte, präsentierte sein neuestes Buch "Macht im Umbruch".

Puderbach. Dr. Sabine Knorr-Henn von der Projektgruppe Jugend, Kultur und Soziales der Verbandsgemeinde Puderbach begrüßte die Zuhörer und Moderator Prof. Dr. Jürgen Hardeck, Staatssekretär im Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration des Landes Rheinland-Pfalz stellte den Schriftsteller vor. Lachen erntete er für die Bemerkung, Münkler sei immer noch Mitglied der SPD.
Der Autor bezeichnete sich selbst als unruhigen Charakter mit relativ breit gestreutem Interesse. Die augenblickliche geopolitische Lage zu beschreiben, habe - im Gegensatz zu Frankreich - in Deutschland keine Tradition, weil man Räume durch technologische Leistungen erschließen wolle.
Putins Reden in den Jahren 2001 und 2007, in denen er den Verzicht auf eine Osterweiterung und den Rückzug der USA aus Europa forderte, hätten unsere Politiker nicht begriffen und daher keine Strategie entwickelt. Die Sandwich-Konstruktion durch Putin einerseits, der droht und Trump andererseits, der erpresst und verachtet sowie Erdogans neo-osmanischen Bestrebungen habe mehr Sprengkraft als der 2. Weltkrieg, befürchtet der Wissenschaftler. Die Ukraine habe eine geopolitische Schlüsselposition. Wenn Russland gegen die Ukraine gewonnen habe, seien im nächsten Jahr die Ostseeanrainer dran. Durch Betrachtung der Vergangenheit könne man die Zukunft antizipieren.
Trump handele nach dem alten Prinzip, beide Seiten der Küste zu sichern, daher sei sein Verbleib der USA in Europa keine Freundlichkeit, sondern Eigeninteresse. Bereits Obama habe - politisch hierzulande unbemerkt - mehr Wert auf den pazifischen als den transatlantischen Raum gelegt und den Rückzug aus der herkömmlichen Weltordnung begonnen. Trump wolle eine kostengünstige Kontrolle des Atlantiks über die großen Inseln. Ergo müssen wir in der Mitte zwischen Ost und West Europa handlungsfähig machen. Wir brauchen einen Verbund, der stark genug ist, um Europa zu vertreten.
Trump will die große Verantwortung der Nato-Anführung nicht haben. Münklers Vorschlag sieht eine jährliche Rotation des Oberkommandeurs in Europa vor. Doch wenn die Transformation zur europäischen Einigkeit nicht gelingt, wird es zerfallen und verschwinden!
Professor Hardeck bekannte, der Vortrag sei "ganz schön dicht" gewesen, Münkler habe ein starkes Defizit angepackt. Er bezweifele die Bereitschaft der Europäer, diesen Weg mitzugehen.
Münkler bestätigte: "Wir sind ein Akteur, der kein Akteur ist." Er analysierte anhand der Geschichte die russische Mentalität und ihren Groll. Mentalität sei wichtig: "Wir schauen in die Zukunft, wenn wir in unsere eigene Vergangenheit schauen."
In seinem Buch forderte der Politikvisionär, in Deutschland müsse sich einiges ändern, damit die Demokratie eine Zukunft hat. Demokratie ist ein Wagnis und verwundbar. Da die Spielräume für Politiker immer enger geworden sind, müsse man mit Änderungen unten anfangen. Optimal sei eine Beschäftigung mit politischen Alternativen im Losverfahren: "Wenn einen das Los getroffen hat, muss man machen."
Münkler beantworte im Anschluss Zuschauerfragen zum Rechtspopulismus, zur Rolle Chinas, dem Einkreisungsbegriff und dem AfD-Verbotsverfahren. Sein Fazit: "Wir müssen darüber nachdenken, inwiefern die gegenwärtige Krise auch eine Chance ist."
Weitere Veranstaltungen der Westerwälder Literaturtage findet man hier. htv
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