Warum Assetpreise nicht mehr nur von Fundamentaldaten gesteuert werden
Dieser Artikel stellt keinerlei Finanz- oder Anlageberatung dar. Die Inhalte dienen ausschließlich der allgemeinen Information und ersetzen keine professionelle Beratung durch einen qualifizierten Experten. Wenn du jemals auf eine Aktie oder ein Krypto-Asset geschaut und gedacht hast: „Dieser Preis ergibt keinen Sinn“, bist du nicht allein. Im Jahr 2025 stellen sich immer mehr Trader und Investoren dieselbe Frage: Was bewegt die Märkte wirklich? Über Jahre wurde uns gesagt, dass sich Assetpreise nach Fundamentaldaten richten. Gute Gewinne, wachsendes BIP, stabiler Cashflow – das sollten die Anker sein. Aber irgendwo auf dem Weg hat sich etwas verändert. Das ist kein kurzfristiger Trend. Es ist ein struktureller Wandel. Assetpreise werden nicht mehr allein durch Fundamentaldaten gesteuert – und wer die anderen Einflussfaktoren nicht versteht, tappt im Dunkeln.

Was „Fundamentaldaten“ früher bedeuteten
Eine klassische Anlageklassen Übersicht zeigt, dass Assetpreise ursprünglich dazu gedacht waren, den inneren Wert eines Vermögenswerts widerzuspiegeln. Das bedeutete konkret:
● Aktien: Gewinne, Umsatzwachstum, Margen und zukünftiger Cashflow
● Anleihen: Zinssätze, Kreditrisiko und Inflation
● Rohstoffe: Angebot, Nachfrage, Produktionskosten
● Währungen: Zinsdifferenzen und Handelsbilanzen
Dieses Framework funktionierte gut, als Märkte langsam waren. Nachrichten brauchten Zeit, um verarbeitet zu werden. Die Teilnehmer waren überwiegend langfristig orientiert. Algorithmen liefen nicht den Headlines voraus. Informationen waren nicht sofort und überall verfügbar. Die heutigen Märkte leben in einem anderen Takt.
Warum Fundamentaldaten nicht mehr die Hauptrolle spielen
Es gibt fünf zentrale Gründe, warum Fundamentaldaten in den Hintergrund getreten sind:
1. Liquidität bewegt den Markt – nicht der Wert
Liquidität ist heute der direkteste Preistreiber. Wenn Kapital in ein Asset strömt – ob über Trading-Apps, Hedgefonds-Rotationen oder ETF-Zuflüsse – bewegt sich der Preis vor den Fundamentaldaten.
● Aktien steigen, bevor die Gewinne kommen.
● Oder sie fallen, obwohl die Zahlen gut aussehen.
Das ist Liquidität auf der Suche nach Rendite – nicht eine Bewertung basierend auf Performance. In illiquiden Märkten können schon kleine Kapitalflüsse den Preis deutlich von seinem fairen Wert entfernen.
2. Die Marktstruktur basiert auf Fluss – nicht auf Analyse
Mit dem Aufstieg von ETFs, Derivaten, passiven Fonds und Market-Making-Algorithmen stammen viele Preisbewegungen nicht mehr aus Analyse, sondern aus mechanischem Verhalten.
Beispiele:
● Options-Hedging, das Market-Maker zwingt, Assets zu kaufen oder zu verkaufen
● Indexanpassungen, die ganze Sektoren verschieben
● Quant-Strategien, die auf Volatilitätssignale reagieren, nicht auf Geschäftsberichte
Wenn Struktur den Fluss vorgibt, kann der Preis steigen oder fallen, ohne dass neue Daten vorliegen. Und wenn diese Struktur zusammenbricht, entstehen Crashes – auch ohne fundamentale Veränderungen.
3. Narrative sind stärker als Zahlen
In einer vernetzten Welt bewegen sich Geschichten schneller als Excel-Tabellen. Ein starker Makro-Narrativ (z. B. KI-Boom, Energiewende, Inflationsschutz, Zinssenkung) bringt Kapital in Sektoren lange bevor die Zahlen den Trend bestätigen.
Der Markt wartet nicht darauf, Recht zu haben – er preist ein, woran er glauben will. Fundamentaldaten zählen irgendwann – aber Narrative kommen zuerst. Deshalb bleiben Bewertungsmultiples länger hoch, als viele erwarten.
4. Massenverhalten und Sentiment sind dominanter
Retail-Trader, soziale Medien und kollektive Psychologie prägen die Preisbildung stärker als je zuvor. Das gilt nicht nur für Meme-Aktien – sondern auch für Blue Chips, Krypto und Rohstoffe.
Sentimentindikatoren sind heute genauso wichtig wie Quartalszahlen.
Wenn die Masse einen Pivot, einen Ausbruch oder einen Dump erwartet, spiegelt der Preis diese Erwartung – manchmal viel zu früh.
5. Notenbanken haben das Spiel verändert
Die globale Geldpolitik hat die Bewertungslogik nachhaltig verändert. Jahrelang unterdrückte Zinsen, QE-Programme und Liquiditätsflutungen haben klassische Bewertungsmodelle entkoppelt. Selbst in der aktuellen Hochzinsphase bleiben Assetpreise stark abhängig von:
● Zentralbank-Kommunikation
● Liquiditätssignalen
● Forward Guidance
Oft wichtiger als Gewinnmargen oder Wirtschaftsdaten.
Beispiele aus 2025, die das klassische Modell sprengen
● Nvidia und KI-Aktien: Handeln auf Rekordbewertungen, nicht wegen aktueller Gewinne – sondern wegen erwarteter KI-Dominanz.
● Bitcoin und Ethereum: Steigen trotz regulatorischer Unsicherheit und begrenzter realer Nutzung – getragen von ETF-Zuflüssen und Knappheitsnarrativen.
● Ölpreise: Reagieren mehr auf Futures-Flow und geopolitische Stimmung als auf aktuelle Produktionsdaten.
● US-Dollar-Index (DXY): Schwankt basierend auf Positionierungen und Zinserwartungen – oft unabhängig von Inflation oder Handelsbilanz.
Was Trader und Investoren stattdessen tun können
Wenn Fundamentaldaten allein nicht mehr reichen – worauf kannst du dich verlassen?
Kombiniere Fundamentals mit Flow-Analyse
Nutze Fundamentaldaten zur langfristigen Einordnung, aber Flow-Daten (Volumen, Optionsaktivität, ETF-Rotation, Sentiment) für Entry & Exit.
Fundamentals = die Story. Flow = der Trade.
Verstehe das Marktökosystem
Frage dich bei jeder Bewegung:
● Wer ist aktiv? Retail oder Institutionelle?
● Treiben Optionsmärkte den Spotpreis?
● Ist die Liquidität dünn oder stabil?
Das schützt dich vor falschen Ausbrüchen – und hilft dir, echte Wendepunkte zu erwischen.
Achte zuerst auf Makro und Struktur
Strukturelle Faktoren wie:
● Indexzugehörigkeit
● Hedging durch Derivate
● Zentralbank-Kommunikation
bestimmen wann und wie Fundamentals überhaupt im Preis ankommen.
Fazit: Fundamentaldaten zählen noch – aber der Takt wird vom Flow bestimmt
Bewertungen, Gewinne, Wachstum – das alles ist nicht tot. Aber es ist nicht mehr der Haupttreiber kurzfristiger Preisbewegungen. Wenn du 2025 mit einem echten Edge handeln oder investieren willst, brauchst du das volle Bild:
● Makro-Umfeld
● Liquiditätslage
● Massenpsychologie
● Marktstruktur
Und dann – erst dann – prüfe die Fundamentaldaten, um den Trade zu bestätigen. Nicht, um ihn zu rechtfertigen, bevor du einsteigst. Denn in den heutigen Märkten bewegt sich der Preis oft, bevor der Wert überhaupt Sinn ergibt. Und wer wartet, bis der Wert logisch erscheint, kommt oft zu spät. (prm)