Kabarett vom Feinsten in Rommersdorf mit Wilfried Schmickler
Von Helmi Tischler-Venter
Wilfried Schmickler, wortgewaltiger Großmeister der Kabarettkunst bot am Mittwochabend, 18. Mai in der ausverkauften Abteikirche Rommersdorf trotz seiner beängstigenden Themen einen sehr unterhaltsamen Abend. Mit Poesie, Lyrik und Gesang sezierte der Freigeist gesellschaftspolitische Geschwüre und Verstopfungen, immer verbunden mit dem Appell, den Anstand nicht zu vergessen.

Neuwied. Lediglich beim Thema AfD fielen dem Rheinländer mit gutem Grund nur Schimpfwörter und Ablehnungen ein. Dieser Abend sei für ihn wie eine Therapie, bei der er sich den Ballast von der Seele reden könne. Er fühle sich in seiner "Lieblings-Abtei" komisch mit Jesus am Kreuz im Rücken. Der Ex-Katholik könnte beim Blick auf den Zustand der katholischen Kirche "Hostien kotzen".
Der Siebzigjährige ist noch weitgehend analog unterwegs, um den permanenten Shit in Charts, Apps und Smartphones zu vermeiden. Die Angstzustände der User, irgendetwas zu verpassen, finden sogar wissenschaftliche Diagnosen. Missgunst und Neid sei Teil der DNA und "mindhacking" nach dem Motto "Digitalisierung first, Bedenken second" eine große Gefahr, weil eine Handvoll Unternehmer, "die reicher sind als der Rest der Welt, kurz davor sind, die ganze Welt zu versklaven".
Dass Deutschland bei der PISA-Studie immer so schlecht abschneidet, liege an den falschen Fragen. Es gibt sehr viele Fragen. Was fehlt, sind Antworten. Zum Beispiel auf die Frage: "Ist Philipp Amthor eine invasive Art?" Oder: "Warum ist der Verkehrsminister immer die größte Knalltüte im Kabinett?"
In atemberaubendem Tempo feuerte er Überlegungen ab zum Zustrombegrenzungsgesetz, Work-Life-Balance, Brückentagen, der armen SPD, Christian Lindner als Ursache der Ampel-Katastrophe, der verbreiteten Wahrnehmung der Grünen als Zwangsernährungsterroristen und dem Überflieger aus dem Powerland Sauerland, dem ersten deutschen Bundeskanzler zweiter Wahl.
Der mit vielen Preisen ausgezeichnete Künstler will "vor der nächsten Bundestagswahl im nächsten Jahr" eine Verbotspartei gründen. Für die notwendigen Sanktionen ließ er sich neue, kreative Ideen einfallen, allerdings werde wohl die Partei für die meisten Wähler verboten.
Ein kleines, freundliches Lied über einen kleinen, freundlichen Mann von nebenan, entlarvte diesen am Schluss als braune Socke und in Gedichtform pulte er Gründe für die Wahl der AfD aus: Angst und Wut, als Grundgefühl der verbitterten Kreatur, immer auf der Suche nach jemand, der Schuld hat. Aber: Es gibt keine bessere Verfassung als eine demokratische. Die muss von allen akzeptiert und verteidigt werden. Der Einzelne kann mehr machen, als wir glauben. Daher lautet Schmicklers Appell: "Seien Sie zivil, aber ungehorsam!" Da wir genug Probleme haben, sollten wir uns nicht das Leben schwer machen, indem wir jeden Anstand und Benehmen verlieren. Fazit: "Wir schaffen das!"
Mit aufmunternden Worten und der Aufforderung, das grandiose Kulturprogramm der Rommersorf Festspiele weiterhin zu nutzen, entließ der Kabarettist das Publikum, das den Heimweg als Zeit zum Nachdenken über das verbale Feuerwerk nutzte. htv
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