Nicole nörgelt … über Windelwechsel im Kindergarten
Von Nicole
GLOSSE | War es früher völlig normal, dass ein Kind erst in den Kindergarten gehen durfte, wenn es trocken war und einige grundlegende Dinge beherrschte, wie zum Beispiel Jacke und Schuhe anziehen, so gerät diese Normalität in den vergangenen Jahren mehr und mehr in Schieflage.

GLOSSE: Erziehung – ein Auslaufmodell?
Ein Kommentar zum Zeitgeist zwischen Windeln und Wischiwaschi-Pädagogik
Nein, früher war nicht alles besser – aber ganz sicher auch nicht alles schlechter. In einer Zeit, in der Kinder noch die ersten drei Lebensjahre zu Hause verbrachten – betreut, im besten Fall sogar erzogen – wurde der Grundstein gelegt für das, was man heute als „soziale Kompetenz“ zu bezeichnen pflegt. Eltern, Großeltern, Tanten oder Onkel – irgendwer war schon da, um das Menschlein in Richtung Menschsein zu begleiten. Der Kindergarten? Diente später der Vertiefung und Festigung durch pädagogisches Fachpersonal. So die Theorie – und oft auch die Praxis.
Bloß keine Verantwortung übernehmen
Und heute? Heute werden Kinder mit einem Jahr, spätestens nach dem zweiten Geburtstag, ganztags in die Kita gegeben. Nicht etwa, weil die Eltern alle als Notärzte im Dreischichtbetrieb arbeiten. Nein – weil „Eigenverwirklichung“ ruft. Oder Netflix. Natürlich gibt es Situationen, in denen Fremdbetreuung notwendig ist. Aber ist es nicht bemerkenswert, wie viele dieser Notwendigkeiten auch dann auftreten, wenn beide Elternteile nicht berufstätig sind? Wer ein Kind in die Welt setzt, übernimmt Verantwortung. Und die beginnt nicht mit dem ersten Elterngespräch in der Schule, sondern mit dem ersten Windelwechsel – zu Hause.
Wenn Vorschulkinder Windeln tragen
Und damit wären wir beim nächsten Punkt: dem modischen Trend, Kinder „selbst entscheiden zu lassen“. Toll, wirklich. Nur: Kein Kind entscheidet sich von allein für die Toilettenschüssel, wenn die Windel so komfortabel ist wie ein 5-Sterne-Hotelbett. Warum auch? Die Hightech-Pants saugen alles weg, da bleibt weder Druck noch Motivation. Dass sich die Erzieherin dann mit vier- oder fünfjährigen Kindern beschäftigen darf, deren Windel überquillt – geschenkt. Schließlich soll das Kind doch selbst entscheiden, wann es „bereit ist“. Nur: Die Kita ist kein Ersatzwohnzimmer mit Wickelstation. Erzieher sind nicht fürs Windelwechseln da, sondern für Bildung, Förderung, Menschwerdung.
Feinmotorik vs. Fehldenken
Und wo wir gerade dabei sind: Auch das Schleifenbinden, Malen, Basteln – all das fällt nicht vom Himmel. Kinder müssen Dinge lernen, weil sie sie sonst nicht können. Ganz einfach. Das ist keine Unterdrückung kindlicher Entfaltung, sondern Vorbereitung auf die Realität. Und diese besteht eben nicht nur aus Wunschkonzerten, sondern auch mal aus Pflichten, Grenzen und – Überraschung! – Regeln. Leben in einer Gemeinschaft heißt auch, dass man nicht jederzeit tut, was man will. Wenn doch, nennt man das übrigens Anarchie – nicht Autonomie.
Deshalb, liebe Eltern, die glauben, dass Kinder sich selbst erziehen: Das ist Ihr gutes Recht. Aber bitte übernehmen Sie dann auch die volle Verantwortung für die Ergebnisse – und überlassen Sie Windel, Schleife und Schere nicht dem pädagogischen Notdienst. Denn Erziehung ist kein Wunschkonzert. Aber ein bisschen Struktur wäre manchmal ganz musikalisch.
Ihre Nicole
Definition einer Glosse
Als Glosse wird ein kurzer journalistischer Text bezeichnet, in dem sich der Autor mit aktuellen Nachrichten auf satirische Art und Weise auseinandersetzt. Die Themen einer Glosse können sowohl gesellschaftlich wichtig als auch witzig oder kurios sein.
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Nicole nörgelt
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