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Nachricht vom 01.03.2024    

Mord in Bad Hönningen - Täter muss in die Psychiatrie

Von Wolfgang Rabsch

Vor der 14. Strafkammer des Landgerichts Koblenz, unter dem Vorsitz von Richter Rupert Stehlin, endete am Donnerstag, dem 29. Februar der aufsehenerregende Prozess gegen einen 39-Jährigen wegen eines Mordes und versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung.

Foto: Wolfgang Rabsch

Koblenz. Die Staatsanwaltschaft legt dem 39-jährigen Beschuldigten in dem vorliegenden Sicherungsverfahren zur Last, am 8. Juli 2023 im Zustand der Schuldunfähigkeit in Tötungsabsicht und heimtückisch handelnd, zunächst einen ihm zuvor unbekannten Mann unvermittelt mit einem Messer angegriffen und ihm hierbei mehrere Stiche - und Schnittverletzungen zugefügt zu haben. Dem Geschädigten soll es gelungen sein, den Angriff abzuwehren und sich schwer verletzt vom Tatort zu entfernen.

Kurz darauf soll der Beschuldigte eine ihm zuvor unbekannte Frau unvermittelt mit einem weiteren mitgeführten Messer angegriffen und ihr hierbei derart erhebliche Verletzungen zugefügt haben, dass sie trotz sofort eingeleiteter Rettungsmaßnahmen am Tatort verstarb.

Nach einem vorläufigen psychiatrischen Sachverständigengutachten soll der Beschuldigte aufgrund einer schweren psychischen Erkrankung bei der Begehung der Taten schuldunfähig gewesen sein, weshalb die Staatsanwaltschaft die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus beantragt hat.

Zusammenfassung der bisherigen Verhandlungstage

Am ersten Verhandlungstag wurden die dramatischen Ereignisse des 8. Juli 2023 in Bad Hönningen erörtert. Der Beschuldigte schilderte, dass er Alkoholiker gewesen sei und an manchen Tagen bis zu zwei Flaschen Wodka getrunken habe. Er habe in der Schweiz gelebt und trotz seines Alkoholkonsums als Bauleiter gearbeitet. Er habe es aber gut kaschieren können, sodass es weder bei der Arbeit noch seiner Lebensgefährtin, die in Bad Hönningen lebt, aufgefallen sei. Da er zu einer Geburtstagsfeier nach Bad Hönningen eingeladen worden war, habe er am Tag zuvor keinen Alkohol getrunken. Wegen des starken Alkoholkonsums sei er in der Schweiz krankgeschrieben worden, da an seiner Leber bereits Schäden attestiert wurden und er starke Schmerzen gehabt habe. In Bad Hönningen habe der Beschuldigte optische und akustische Halluzinationen bekommen, die hätten sich so gesteigert, dass eine Stimme ihm befahl, zwei Menschen zu töten, ansonsten würde er sterben. Da die Halluzinationen nicht nachließen, folgte er der Stimme, nahm zwei Messer an sich und ging auf die Straße, um den "Auftrag" zu erledigen. Was danach geschehen sei, daran könne er sich nicht erinnern.

"Der Teufel hat es mir befohlen"
Danach beging der Beschuldigte die ihm vorgeworfenen Taten und schnitt sich an beiden Armen in suizidaler Absicht die Pulsadern auf, weil er den "Auftrag" nicht befehlsgemäß ausgeführt hatte. Als die Polizei ihn festnahm, gab er an, "der Teufel hätte es ihm befohlen". Bei den Geschädigten handelt es sich um "Zufallsopfer", die der Beschuldigte tragischerweise als erste antraf, um den "Auftrag" auszuführen.

Das männliche Opfer war gerade dabei, sein Auto zu beladen, als der Beschuldigte ihn unvermittelt mit dem Messer angriff und ihn schwer verletzte. Dem Mann gelang es jedoch, trotz der Verletzungen, sich zu entfernen, worauf der Beschuldigte sich in eine andere Richtung begab. Dort traf er auf die 55-jährige Frau, eine Touristin aus Belgien, die den Beschuldigten sogar besorgt fragte, als sie seine blutverschmierte Kleidung sei, ob sie ihm helfen könne. Daraufhin stach der Beschuldigte wiederum unvermittelt auf die ahnungslose Frau ein, die später an den Stichverletzungen verstarb.

Die nächsten Prozesstage gehörten den Zeugen, behandelnden Ärzten und Sachverständigen. Das Abschlussgutachten erstattete Dr.med. Gerhard Buchholz, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, der dem Beschuldigten eine Alkoholhallizinose attestierte. Das Krankheitsbild ist gekennzeichnet durch akustische Halluzinationen, wie Beschimpfungen oder Bedrohungen. Der Beschuldigte sei zur Tatzeit nicht desorientiert gewesen, seine Ängste hätten ihn jedoch überflutet, es sei keine Einsichtsfähigkeit vorhanden gewesen. Das plötzliche Absetzen von Alkohol habe die psychotische Störung verstärkt, eine Therapie gemäß Paragraf 67 StGB wäre für den Beschuldigten ungeeignet, da er aus eigener Kraft nicht in der Lage sei, seine Krankheit zu beheben. Ohne Wenn und Aber stellte der Sachverständige fest, dass eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß Paragraf 20 StGB die einzige Möglichkeit sei, den Beschuldigten von seiner Alkoholhalluzinose zu befreien.



Nachdem der Sachverständige entlassen worden war, schloss der Vorsitzende die Beweisaufnahme, es folgten die Plädoyers. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft beantragte wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen Mord, begangen im Zustand der Schuldunfähigkeit, gemäß Paragraf 20 StGB Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Die Tatmerkmale des versuchten Mordes und des Mordes (Heimtücke, Arglist, Wehrlosigkeit) hätten vorgelegen. Eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß Paragraf 64 StGB lehnte die Vertreterin der Staatsanwaltschaft ab.

Die Vertreterinnen der Nebenklage schlossen sich den Anträgen der Staatsanwaltschaft an, wiesen jedoch auf die dramatischen Folgen innerhalb der Familie der Getöteten hin.

Rechtsanwältin Maike Naumiuk vertrat eine gegensätzliche Meinung, sie beantragte die Schuldunfähigkeit festzustellen und den Angeklagten gemäß Paragraf 64 StGB in eine Entziehungsanstalt einzuweisen. Das Mordmerkmal der Heimtücke sei in beiden Fällen nicht gegeben, daher käme Totschlag in Betracht.

Mit brüchiger Stimme erklärte der Angeklagte bei seinem letzten Wort, dass er sich bei allen, denen er unendliches Leid zugefügt habe, entschuldigen möchte. Er wolle wieder gesund werden und sein ganzes Leben lang daran arbeiten.

Urteil im Namen des Volkes
Gemäß Paragraf 20 StGB wird die Unterbringung des Beschuldigten wegen Schuldunfähigkeit in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Zur Begründung führte Richter Rupert Stehlin aus, dass die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zwingend geboten sei, da eine dauerhafte psychotische Störung und Alkoholabhängigkeit vorlägen. Nach erfolgter Rechtsmittelbelehrung wurden keine Erklärungen abgegeben, demzufolge ist das Urteil noch nicht rechtskräftig geworden. (Wolfgang Rabsch)

Hintergrund:
Warum Sicherungsverfahren und keine Anklage?
Voraussetzung für die Eröffnung des Sicherungsverfahrens ist nach § 413 StPO, dass ein normales Strafverfahren wegen Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) oder dauernder Verhandlungsunfähigkeit des Täters nicht durchgeführt werden kann, aber anstatt einer Verurteilung zu Freiheitsstrafe seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt in Betracht kommt. Im Sicherungsverfahren wird der Täter übrigens Beschuldigter genannt und nicht Angeklagter.


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