Rekordbeteiligung bei Demonstration gegen Rechtsextremismus in Neuwied
Von Helmi Tischler-Venter
Ausgelöst durch die Enthüllungen des Rechercheverbundes Corretiv über ein Geheimtreffen von Rechtsradikalen und AfD-Politikern in Potsdam, rief ein breites Bündnis aus insgesamt 29 Neuwieder Parteien, Vereinen, Verbänden und Kirchengemeinden am Samstag, 3. Februar, um 11 Uhr zu einer Demonstration für Demokratie und Toleranz auf.
Neuwied. Erwartet wurden 1.000 Teilnehmer, es kamen rund 3.000. Sie versammelten sich mit Plakaten und Fahnen in der Langendorfer Straße, zwischen Luisenstraße und Schlossstraße. Familien mit Kindern, junge und alte Menschen zeigten Flagge gegen Hass und Populismus. Viele Plakate mit kreativen Aufschriften wurden hochgehalten, zum Beispiel "Wer die Politik nicht rafft, wählt ekelhafd" oder "Frauen in die Küche, Behinderte in Einrichtungen, 12-Jährige in Jugendarrest. AfD - nein, danke."
Mit "Imagine" eröffnete Alexander Reffgen auf dem Saxophon stimmungsvoll die Veranstaltung. Initiator Peter Schwarz vom Neuwieder Bündnis für Demokratie und Toleranz freute sich über das "herzerwärmende" Bild, das von der Bühne aus eine Teilnehmermasse bot, die sich aufgemacht hatte, um gemeinsam ein Zeichen zu setzen. Zeichen gegen Gewalt, Rechtsextremismus und die widerlichen Absichten der AfD.
Schwarz zitierte den Artikel 1 des Grundgesetzes, der die Würde des Menschen garantiert. Die Mütter und Väter der Demokratie hatten mit dem Grundgesetz einen Kompass gestellt. Mithilfe dessen müssen wir unsere Demokratie gegen Feinde verteidigen und die schützenswerten Werte bewahren, mit Gemeinsinn und toleranter Lebensart.
Das Geheimtreffen in Potsdam zeigte den Willen der Rechten: Mitbürger mit Migrationshintergrund oder Kontakten zu Migranten müssten mit Konsequenzen rechnen. Der AfD fehle der moralische Kompass, daher sei sie eine Gefahr für die Demokratie und für uns alle. Der Redner rief den Mitbürgern, die sich enttäuscht durch die Probleme der letzten Jahre der AfD zuwenden, zu: "Kommt zurück in unsere Mitte. Ihr gehört zu uns! Nur gemeinsam trotzen wir allen Krisen und schaffen Gerechtigkeit und Frieden. Euere Wahl ist eine Entscheidung über die Zukunft unserer Gesellschaft. Unsere Kinder sollten frei und nicht in einer Diktatur aufwachsen!"
Schwarz zeigte auf, dass die AfD nicht der Anwalt der kleinen Leute ist, denn sie will einen autokratischen Staat nach russischem Vorbild. Die beabsichtigte Zerschlagung der Europäischen Union sei dumm und gefährlich. Das Neuwieder Bündnis bleibe wachsam, damit kein neues 1933 entstehe. "Wer aus der Geschichte nicht lernt, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen", zitierten mehrere Redner.
Oberbürgermeister Jan Einig äußerte sich erfreut, dass so viele Menschen gekommen waren, um für Demokratie, Freiheit und Pluralismus einzustehen. Die Demonstration mache Mut. Die schweigende Masse schweige nicht mehr. "Neuwied ist bunt. So soll es bleiben." Einig warnte, dass die schauerlichen Visionen der AfD konkrete Pläne seien und unsere Demokratie stark, aber nicht unverletzlich sei. "Wir müssen sie verteidigen. Wir müssen geeint sein im Kampf gegen alle Arten von Extremismus!" Für seine Rede, die er mit einem Zitat von Niemöller beendete, erhielt der Hausherr viel Applaus.
Jutta Lange, die in Koblenz Demonstrationen organisiert hatte, appellierte an alle Demokraten, zur Wahl zugehen und die demokratische Mitte zu wählen. Sie machte den Politikern und Richtern Mut: "Seid ihr jetzt auch wehrhaft. Handeln müssen Sie jetzt!" Sie sollten das Grundgesetz in Gang setzen, den Populisten die Finanzen und das Recht zu kandidieren entziehen sowie Landesverband und Partei verbieten. Die Mitbürger forderte sie auf, im Internet die Grundrechte-Petition zu unterschreiben und in vier Monaten zur Europa-Wahl zu gehen und die Mitte zu wählen.
Der Kölner Dieter Markowski forderte eine Brandmauer gegen Braun, die die Untergrabung der rheinischen Lebensfreude und das Unthema "Remigration" verhindert.
Landrat Achim Hallerbach stellte mit Stolz fest, dass in mehreren Orten des Kreises Veranstaltungen zeigen, dass Deutschland aufsteht, um gegen die wiederkehrenden Teufel der Vergangenheit aufzustehen. "Wir sehen das Signal: Das Volk will in überwältigender Mehrheit keine Faschisten und falsche Heilsbringer!" Demokratie erfordere Kooperation, die im Kreis Neuwied im demokratischen Wettstreit der Meinungen gut funktioniere. "Die Mühe lohnt sich. Lasst uns weiter dafür kämpfen!" Die Abwesenheit von Krieg und das Leben in Freiheit sei zur Selbstverständlichkeit geworden, aber die Bequemlichkeit sei gefährlich. Man dürfe sich nicht betrügen lassen von den Feinden der Demokratie. "Nie wieder ist jetzt! Deutschland, steh auf!"
Der junge syrische Immigrant Agid al Massalmeh, der nach seiner Flucht 2015 herzliche Gastfreundschaft gefunden hatte, hat Angst davor, dass Menschen den Populisten Glauben schenken. Ekelhafte Begriffe wie "Deportation" und "Remigration" zeigten, dass es sich bei ihnen um moderne Nazis handelt.
Lina Krämer, die Kinderkarnevalsprinzessin von Oberbieber, die sich mit ihrem Hofstaat für Kinderrechte einsetzt, forderte Freiheit, Frieden und Bildung für alle Kinder. Dominik Springer trug das Poetry eines anonymen Neuwieders vor. Es endete mit dem Reim: "Wir Bürger aus dieser toleranten Stadt, wir haben euch Nazis so was von satt!"
Die jungen Mitbürger sind dem Bündnis für Demokratie und Toleranz wichtig, denn "Was wir hier tun, tun wir für unsere Nachkommen", verwies Initiator Peter Schwarz.
Demonstration auch in Linz
Fast zeitgleich fand um 11:55 Uhr auf dem Markplatz in Linz eine genehmigte Versammlung mit dem Motto "Demonstration für Demokratie und Vielfalt. Gegen Rechtsextremismus! Linz bleibt BUNT" statt. Die Teilnehmerzahl wird auf rund 500 geschätzt. Die Versammlung verlief ebenso wie in Neuwied friedlich und aus polizeilicher Sicht ohne besondere Vorkommnisse.
Hintergrund
Das Neuwieder Bündnis für Demokratie und Toleranz richtet sich gegen alle Strömungen, die sich als extremistisch darstellen. Das sind nicht die Parteien, die demokratische Ideen vertreten, sondern alle Gruppen und Parteien, die unsere demokratischen Werte und unser Grundgesetz infrage stellen! Zu dem Bündnis gehören: die Stadtratsfraktionen von CDU, FDP, FWG, Linken, Grünen, Neuwieder Bürgerliste und SPD sowie Amnesty International, Ahmadiyya-Gemeinde Neuwied, Beirat für Migration und Integration, Deichstadtkirche, Deutsch-türkischer Freundeskreis, DGB, Eirene, Evangelische Kirche in Neuwied, Grüne Jugend, Junge Union, Jusos, Katholische Kirche in Neuwied, KAB Neuwied, Kolpingsfamilie Neuwied, NKVM Neuer Kunstverein Mittelrhein, Pulse of Europe Neuwied, Rat der Religionen Neuwied, Seniorenbeirat Neuwied, Volt Deutschland sowie die Städtepartnerschaften: Deutsch-israelischer Freundeskreis Neuwied e.V. und Freundeskreis Neuwied-Bromley e.V.
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