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Nachricht vom 01.10.2023    

Raser-Prozess wegen versuchten Mordes mit Auto beim Landgericht Koblenz beendet

Von Wolfgang Rabsch

Nach nur drei Verhandlungstagen bei der 14. Strafkammer des Landgerichts Koblenz konnte unlängst das Urteil gesprochen werden. Dem heute 38-Jährigen wurde seitens der Staatsanwaltschaft Koblenz vorgeworfen, sich am 3. Februar 2021 einer routinemäßigen Verkehrskontrolle der Polizei entzogen zu haben, indem er den Anhaltezeichen der Polizei nicht folgte und flüchtete.

Der Angeklagte mit seinem Anwalt. Foto: Wolfgang Rabsch

Koblenz/Weißenthurm. Bei der daraufhin folgenden Verfolgungsfahrt erreichte der Angeklagte in der Bahnhofstraße in Weißenthurm eine Geschwindigkeit von bis zu 148 km/h. Dabei wurden an zwei Stellen Fußgänger, die mit ihren Kindern unterwegs waren, massiv an Leib und Leben gefährdet. Ein tödlicher Ausgang der Raserei konnte nur durch sehr gute Reaktionen der jeweils betroffenen Eltern verhindert werden.

Der BGH hat die Urteilsfeststellungen des Landgerichts Koblenz vom 29. Juni 2022 (Freiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten wegen versuchten Mordes) im Hinblick auf die Taten vom 3. Februar 2021 aufgehoben, aufgrund der Revision der Staatsanwaltschaft, da die Überprüfung ergeben habe, dass Rechtsfehler zugunsten und zulasten des Angeklagten gemacht wurden.

Zeugen befanden sich in akuter Lebensgefahr
Aus diesem Grund musste nochmals die Beweisaufnahme zu dem Geschehen am 3. Februar 2021 durchgeführt werden. Die Aussagen der beteiligten Eltern, die sie sich mit ihren Kindern in der Bahnhofstraße in Weißenthurm spazieren gingen, untermauerten eindringlich die Todesgefahr, in denen sie sich selbst und ihre Kinder befunden hatten. Die Bahnhofsstraße in Weißenthurm war wegen des Hochwassers am Rhein gesperrt und hätte sowieso nicht befahren werden dürfen. Viele Fußgänger nutzten diesen Umstand, um vermeintlich gefahrlos bis zum Hochwasser spazieren zu gehen. Im ersten Fall ging eine Mutter mit ihren beiden ein und zwei Jahre alten Kindern spazieren, wobei das Jüngere sich in einem Kinderwagen befand. Wörtlich sagte die Mutter aus: "Durch den aufheulenden Motor wurde ich Gott sei Dank aufmerksam und konnte mich noch gerade vor dem heranrasenden Auto mit einem Sprung auf den Bürgersteig retten. Das Auto raste mit quietschenden Reifen ungebremst weiter, es hatte auf mich den Eindruck, als wenn der Fahrer sich mit dem Auto das Leben nehmen wolle. Wenn ich nicht geistesgegenwärtig den Kinderwagen und den Zweijährigen auf den Bürgersteig gezogen hätte, wären meine Kinder und ich unweigerlich von dem Auto erfasst worden".

Ähnlich erging es einem Ehepaar, das mit ihrem Kind und Bekannten ebenfalls Bahnhofsstraße spazieren ging. Auch in diesem Fall lagen zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem heranrasenden Auto nur wenige Augenblicke. Der Vater sagte aus, dass er sich mit seinem Sohn, der auf einem Laufrad fuhr, auf der Straße befand. "Als ich den aufheulenden Motor hören konnte, war es fast schon zu spät. Im allerletzten Moment konnte ich meinen Sohn und mich selbst zur Seite retten. Ich konnte sogar den Fahrtwind des Autos spüren, es waren nur wenige Zentimeter Abstand zwischen dem Auto, mir und meinem Sohn. Mein Sohn fing an zu schreien und hat seitdem immer Angst, wenn Autos ankommen, dann will er immer auf den Arm. Anfangs hat er sogar ins Bett eingenässt, inzwischen hat sich sein Zustand gebessert".

Nun ergriff erstmalig der Angeklagte das Wort und erklärte, dass er über ausreichende soziale Kontakte verfügen würde. Seine Freundin, die bei jedem Prozesstag anwesend war, würde voll hinter ihm stehen und er könne nach seiner Haftentlassung auf dem Bauernhof des Vaters arbeiten. Zu einem Wort der Entschuldigung bei den Zeugen konnte sich der Angeklagte nicht hinreißen lassen.



Die Beweisaufnahme wurde geschlossen, nachdem die Strafliste (BZR) verlesen wurde, die eine Vielzahl von Vorstrafen auswies.

Der Vertreter der Staatsanwaltschaft war spürbar ungehalten über das Verhalten des Angeklagten. Wörtlich sagte er: "Es war Ihnen scheißegal, ob Sie Kinder und Eltern angefahren und eventuell sogar getötet hätten. Auf jeden Fall liege bedingte Tötungsabsicht vor. Sie hätten jederzeit die Möglichkeit gehabt zu bremsen oder anzuhalten. Auch im Fall der Polizeibeamten, die sich bei der Polizeisperre im Auto befanden, bestand bedingter Tötungsabsatz, da Sie ohne abzubremsen, mit Höchstgeschwindigkeit auf das Polizeiauto zurasten. Es war Zufall und Glück, dass Sie das Auto nur an der Seite rammten und durch eine schmale Lücke entkommen konnten".

Letztendlich beantragte die Staatsanwaltschaft wegen der Taten vom 3. Februar 2021 eine Freiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten gegen den Angeklagten zu verhängen, wegen versuchten Mordes in drei Fällen, in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs, vorsätzliches verbotenes Kraftfahrzeugrennen und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis unter Betäubungsmitteln. Unter Einbeziehung des Urteils der ersten Instanz soll eine Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Jahren und 10 Monaten ausgesprochen werden und die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet werden. Zudem eine lebenslange Sperre zur Erteilung einer Fahrerlaubnis und Fortdauer der Untersuchungshaft festgesetzt werden.

Rechtsanwalt Philipp Grassl hingegen beantragte Freispruch hinsichtlich des Vorwurfs des versuchten Mordes mit einem gefährlichen Mittel, da keine Heimtücke, Verdeckungsabsicht und dadurch kein bedingter Vorsatz und keine bedingte Tötungsabsicht vorgelegen habe.

Urteil im Namen des Volkes

Nach eingehender Beratung verkündete der Vorsitzende Richter Rupert Stehlin das Urteil: Der Angeklagte werde wegen des versuchten Mordes in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt, da in zwei Fällen die Mordmerkmale der Heimtücke, der Verdeckungsabsicht und des versuchten Mordes mit einem gemeingefährlichen Mittel vorgelegen haben. Zudem wird die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und eine Sperrfrist zur Erteilung einer Fahrerlaubnis auf fünf Jahre festgesetzt. Wenn der Angeklagte die zweijährige Therapie erfolgreich absolviert, dann besteht die Möglichkeit, dass die Hälfte der Haftstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Eigentlich hätte der Angeklagte noch eineinhalb Jahre Haft vorweg verbüßen müssen, bevor die Möglichkeit einer Restaussetzung zur Bewährung erfolgen kann. Da der Angeklagte bereits eine längere Zeit in Untersuchungshaft verbracht hat, bestehe die Möglichkeit, dass nach erfolgreicher Therapie, die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da diesbezüglich keine Erklärungen abgegeben wurden. (Wolfgang Rabsch)

Hier geht es zum Bericht des vorherigen Prozesstages.



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