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Nachricht vom 12.09.2023    

Landes-Kita-Gesetz: Ministerin Hubig sah sich in Asbach massiver Kritik gegenüber

Notbetreuung, überarbeitetes Personal, gestresste Eltern, eingeschränkte Öffnungszeiten: Die Situation in Kindertagesstätten in der Region ist angespannt. Das seit Juli 2021 in Rheinland-Pfalz gültige neue Kita-Gesetz hat die Lage offenbar nicht verbessert, wie Dr. Stefanie Hubig, die Bildungsministerin des Landes, in Asbach deutlichst zu hören bekam.

Ministerin Dr. Stefanie Hubig war stark gefordert bei der Zusammenkunft in Asbach auf Einladung von MdL Ellen Demuth (rechts). (Foto: vh)

Asbach. Zum guten Schluss sollte es wohl ein Wink mit dem Zaunpfahl sein, als der Knirps mit dem Büchlein in der Hand sich vor Dr. Stefanie Hubig (SPD) „aufbaute“ und ihr es mit wenigen Worten, die er nicht ins Mikrofon sprechen wollte, überreichte. „Der Kita-Kollaps“ stand in großen, schwarzen Lettern auf dem Einband – sehr zum Vergnügen des zahlenmäßig großen Publikums und eher zur Überraschung der Bildungsministerin des Landes. „Dieses Wissen ist an diesem Tisch vorhanden“, konterte Xenia Roth, Referatsleiterin „Kindertagesbetreuung" in Hubigs Verantwortungsbereich, mit Blick auf den wohl bekannten Inhalt, ehe Ellen Demuth, Landtagsabgeordnete der CDU aus dem Wahlkreis Linz-Rengsdorf und Organisatorin des Meinungsaustausches unter der Überschrift „Lage der Kitas im Kreis Neuwied“, anfügte, dass es manchmal gut sei, etwas nachzulesen. Unter dem Strich waren nach mehr als 120 schweißtreibenden Minuten im Bürgerhaus Asbach am Montagabend (11. September) die meisten der rund 150 Teilnehmer froh, den Saal verlassen zu können – viele aus dem Auditorium, weil sie Hubig harsche Kritik am seit 1. Juli 2021 gültigen Kita-Gesetz mit auf den Nachhauseweg gegeben hatten, und Hubig, weil sie der zahlenmäßig immens überlegenen Gegnerschaft „entkommen“ konnte und eigentlich nur Roth auf ihrer Seite gewusst hatte.

Personelle Ausstattung im Fokus
Viele Äußerungen aus den Reihen Mivon tarbeitender in Kindertagesstätten (Kitas), von Vertretern von Elterngremien oder Eltern selbst drehten sich um die personelle Ausstattung, die in den Augen vieler eine vernünftige Arbeit zum Wohle der Kinder nicht zulasse. Obwohl Hubig mehrfach betonte - teils trotz lautstarkem Gemurmel und auch darauf hinweisend, dass die Gegenseite sie doch auch bitte ausreden lassen möge -, der Personalschlüssel sei besser als vor der Einführung der neuen Richtlinien, berichtete eine Kita-Fachkraft aus der Praxis. Demnach besuchten 50 Kinder in zwei Gruppen die Einrichtung, wovon 18 „Wickelkinder“ seien. Vor diesem Hintergrund sei also immer eine von vier Erzieherinnen mit dem Tausch von Pampers & Co. den Tag über beschäftigt. Oder: Die Öffnungszeit habe sich pro Woche um 3,25 Stunden erhöht, die Zahl der Kinder sei von 51 auf 75 gestiegen, „und wir haben eine Vollzeitkraft weniger“, hieß es aus einer anderen Kita. Darüber hinaus wurde das Fehlen von Integrationskräften sehr intensiv bemängelt, gleichfalls wie das von ebensolchen Plätzen. Kinder mit erhöhtem Förderbedarf könnten nicht adäquat unterstützt werden, die U-3-Personalbemessung sei neu zu veranschlagen. Vor dem Hintergrund ausufernder Bürokratie werde den Leitungskräften zu wenig Zeit für die administrativen Aufgaben zugestanden. Auch die zunehmende Zahl von Teilzeitkräften (wie auch bei Lehrern) bereiteten Hubig Sorgen. Ein Potpourri an Aussagen aus dem Plenum: „Wir verstehen uns als Anwalt des Kindes und nicht als Handlanger der rheinland-pfälzischen Politik.“ „Ich wünsche mir, dass Sie in erster Linie auf die Kinder schauen“ heimste Applaus, der zum großen Teil im Stehen dargeboten wurde, ein. Kinder mit Mehrbedarf müssten genau die gleichen Rechte haben wie Kinder ohne Mehrbedarf. „Ich verstehe unzufriedene Eltern.“ Auch die Bildung („Wir sind eine Bildungseinrichtung“) müsse hinten anstehen mit Auswirkungen auf den weiteren Lebensweg der Kinder. Die extreme Belastung sei ein bundesdeutsches Problem, fügte Roth an.

Gute Arbeit gut bezahlen
So stand Hubig ob des massierten Angriffs unter massivem Druck. Sie versprach, die „Dinge, die sie sich auf ihre Liste geschrieben hat“, neu zu bewerten. Darüber hinaus betonte Hubig, dass es sie freue, dass die Bezahlung des Kita-Personals (außerhalb ihres Verantwortungsbereiches) dank eines „guten Tarifabschlusses“ sich verbessert habe. „Gute Arbeit muss gut bezahlt werden“, resümierte sie. Das wirke sich offenbar auch auf die Zahl derer aus, die diesen Beruf anstrebten. Derzeit gebe es landesweit rund 6000 „Azubis, so viel wie nie. Wir haben die Ausbildungskapazität erhöht. Unsere Kraftanstrengungen sind immens, wir lassen dabei nicht los“, erklärte Hubig. In den zurückliegenden zehn Jahren würden 37 Prozent mehr Fachkräfte in Kitas arbeiten, natürlich habe sich auch die Zahl der Plätze erhöht. 1600 neue Stellen seien mit dem Kita-Gesetz geschaffen worden. Grundsätzlich, so die Ministerin Richtung Versammlung, „wertschätze ich ihre Arbeit. Viele Dinge in Kitas haben sich in Rheinland-Pfalz mit dem neuen Kita-Gesetz verbessert.“ Das Gesetz sei nicht an der Praxis vorbei geplant worden, „der Fachkräftemangel hat nichts mit dem Kita-Gesetz zu tun“. Auf der anderen Seite dauere es durchaus bis zu einem Jahr, bis eine Integrationsfachkraft eingestellt werden könne, „wenn wir denn eine überhaupt finden“, tat eine Insiderin kund.



Das Land und die Zuschüsse
Und dann war noch die Kita in Erpel, die wahrscheinlich als Beispiel für viele im Land steht und das Prinzip der Konnexität konterkariert (kurz gefasst: wer bestellt, bezahlt), das in der Landesverfassung festgeschrieben ist: Die Zwänge aus dem Kita-Gesetz (jedem Kind eine siebenstündige Betreuung mit Mittagsmahlzeit) bedingen den Umbau vieler Einrichtungen (Mensa, Ruheräume, Küche etc.). In der kleinen Rhein-Gemeinde stehen Investitionen in Höhe von 3,5 Millionen Euro an. Lautes Gelächter war zu vernehmen, als der Landeszuschuss zu den Baukosten in Höhe von 100.000 Eruro genannt wurde. Da war es nur ein schwacher Trost, dass sich Hubig noch einmal die Förderung (das Land zahlt nur für neu zu schaffende Plätze) anschauen will. Seit 2012 hätten Bund und Land rund 270 Millionen Euro in rheinland-pfälzische Kitas gesteckt.

Evaluation vorziehen
Als nächster Fixpunkt gilt das Jahr 2028, in dem eine Evaluation (Überprüfung des neuen Kita-Gesetzes) angesetzt ist, obwohl laut Hubig schon dauernd Anpassungen vorgenommen würden. Neuwieds Landrat Achim Hallerbach appellierte nachdrücklich, diesen Prozess vorzuziehen. „Ich habe Angst, dass es unsere Kita-Kräfte bis dahin nicht schaffen werden“, lautete ein lakonischer Kommentar, der den Stress und den Druck in Einrichtungen verdeutlichen sollte. „Man läuft am Limit“, folgte auf dem Fuße. Es sei wie ein Teufelskreis, „aus dem wir nicht rauskommen“. Auf die Kinder gucke kein Mensch. Zuvor hatte Hallerbach in wenigen Worten die aktuelle Kita-Landschaft im Kreis Neuwied (ohne die Stadt Neuwied) skizziert: 5500 Plätze in 66 Kitas, 1200 neue Plätze seit 2013, zu den 200 derzeit in Planung befindlichen müssen noch einmal 300 „obendaruf“ kommen und elf provisorische Gruppen. Demuth bezeichnete in ihrer Einführung das „Kita-Zukunftsgesetz als Dauerbrenner in Rheinland-Pfalz“ und prognostizierte: „Wenn die Opposition einlädt, wird es kein einfacher Termin für die Ministerin.“ Christoph Zimmer hatte als Vorsitzender des Kreiselternausschusses Neuwied die Diskussion mit einer detaillierten Bestandsaufnahme der Situation eröffnet. (vh)



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