Prozess: Familientragödie in Neuwied endete mit dem Tod der Mutter
Von Wolfgang Rabsch
Erschreckende, aber auch aufwühlende Details kamen am 22. März im Fortsetzungstermin vor der 14. Strafkammer des Landgerichts Koblenz zur Sprache. Vorsichtige Andeutungen gingen in die Richtung, ob die grausame Tat hätte verhindert werden können. Der NR-Kurier berichtete.
Neuwied. Dem 33-jährigen Angeklagten wird seitens der Staatsanwaltschaft Koblenz vorgeworfen, mehrere erhebliche Straftaten begangen zu haben. So soll er im Zustand einer paranoiden Schizophrenie seine Mutter mithilfe einer Axt und eines Filetiermessers erstochen und erschlagen haben, ihren Körper anschließend mit Isopropanol übergossen und entzündet haben, wodurch der Körper bis zur Unkenntlichkeit verbrannte.
Kein "normales" Strafverfahren - ein Sicherungsverfahren
Da die Staatsanwaltschaft Koblenz davon ausgeht, dass der Angeklagte die Taten im Zustand einer paranoiden Schizophrenie begangen hat, wird von einer Schuldunfähigkeit des Angeklagten ausgegangen und somit die Verhandlung als Sicherungsverfahren durchgeführt.
Der Angeklagte hat die Tat eingeräumt
In dem ersten Hauptverhandlungstermin hatte der Angeklagte zugegeben, dass er seine Mutter mit Axt und Messer attackiert hat und sie anschließend mit Isopropanol übergoss und anzündete.
Im Fortsetzungstermin am 22. März wurden eingangs nacheinander fünf Polizeibeamte vernommen, die zusammengefasst schilderten, dass der Angeklagte in Neuwied polizeibekannt gewesen sei. Ein gravierender Vorfall hatte sich im August 2022 ereignet, als der Angeklagte mit seinem Auto mit hoher Geschwindigkeit in einen Streifenwagen fuhr, der vor der Dienststelle in Neuwied abgestellt war, dabei entstand an beiden Autos Totalschaden. Die Polizisten, die durch den Knall auf den Unfall aufmerksam wurden und aus der Wache stürmten, pöbelte der Angeklagte mit den Worten "Ihr seid an allem schuld, ihr seid satanische Pädophile und Missgeburten" an. Anschließend leistete er noch erheblichen Widerstand, sodass er erst unter großen körperlichen Einsatz fixiert werden konnte.
Hätte die Tat eventuell verhindert werden können?
Ein Polizeibeamter bekundete, dass der Freund der jüngsten Tochter des Opfers etwa zwei Wochen vor der Tat zur Wache in Neuwied kam und dort berichtete, dass der Angeklagte wohl unter einer Psychose leide. Er stammle nur wirres Zeug und habe sich Filetiermesser, Pfeile und Kampfbogen gekauft, sowie Axt und Messer, um im Krieg in der Ukraine zu kämpfen. Eine mögliche Unterbringung wurde seitens der Staatsanwaltschaft nicht beantragt.
Der Freund der jüngsten Tochter des Opfers sagte dann selbst aus: "Ich hatte einige unheimliche Ereignisse mit dem Angeklagten erlebt. Ein Beispiel: Wir gingen gemeinsam im Wald spazieren. Als ich mich auf eine Bank setzte, stand er plötzlich mit gezücktem Messer hinter mir, ich bekam Todesangst, weil das auf mich sehr bedrohlich wirkte. Mit dem Messer warf er dann mehrmals nah an mir vorbei gegen Baumstämme, das Messer blieb immer stecken, weil er wohl geübt hatte. Als er sich beruhigte und wir weiter gingen, begegnete uns ein Fußgänger und er fragte mich: "Soll ich ihm das Messer in den Kopf rammen?" Im Auto bekam er einen knallroten Kopf und meinte "Ich bringe die Alte um", dabei spielte er weiter mit dem Messer herum, ich hatte echte Todesangst".
Der Zeuge berichtete weiter, dass auch die Mutter Angst vor ihrem Sohn gehabt habe, aber er würde ihr schon nichts tun, meinte sie. Trotzdem machte er sich zusammen mit der Mutter auf den Weg zur Polizei, weil sie beide um Hilfe und Rat nachsuchen wollten. Doch vor der Dienststelle der Polizei verhinderte die Mutter, dass sie in die Wache gingen. Sie meinte, er sei doch ihr Kind und er würde ihr schon nichts tun. Der Zeuge wörtlich: "Die Mutter hielt immer die Hände über ihn, egal, was passierte, obwohl sie ständig Angst vor ihm hatte. Sie war halt eine Mutter." Der Angeklagte habe auch große Wut auf Jeff Bezos verspürt, weil dieser schuld sei, dass er so schlechte Ergebnisse im Computerspiel erziele.
Der Bruder des Angeklagten berichtete, dass der Bruder arbeitslos geworden sei, als er einem Arbeitskollegen ohne Grund drohte, er würde ihm Salzsäure ins Gesicht schütten. Daraufhin wurde er von seinem Chef zur Rede gestellt, was zur Folge hatte, dass der Bruder einen Stuhl nahm und diesen durch das Fenster des Chefbüros warf, worauf ihm sofort gekündigt wurde. Der Zeuge: "Ich versuchte meinen Bruder aufzufangen und es gelang mir, ihm Arbeit in meiner Firma zu besorgen. Doch auch da gab es nur Ärger mit ihm, er beschwerte sich dauernd über Kollegen, kam zu spät zur Arbeit, weil er noch dringend tanken oder duschen musste. Sein Verhalten hatte zur Folge, dass ihm bald gekündigt wurde. Er beharrte immer notorisch darauf, recht zu haben und sah die Schuld immer bei den anderen. Nach der Kündigung hielt er sich nur im Keller auf, rauchte dort Cannabis und legte sich den Campingsack zu, mit Beil und Messer, weil er in den Krieg in der Ukraine ziehen wollte. Wodurch oder warum er so wurde, wie er sich verhielt, kann ich nicht sagen".
Der Angeklagte folgte den Aussagen ohne jede äußerliche Regung, er wirkte eher apathisch und abwesend, starrte immer in eine Richtung. Im Sitzungssaal herrscht eine bedrückt emotionale Stimmung, da einige Angehörige anwesend waren, ebenso eine Schwester des Angeklagten, die als Nebenklägerin zugelassen ist und dem Angeklagten Auge in Auge gegenübersaß.
Termin zur Fortsetzung ist bestimmt auf den 27. März 2023, der NR-Kurier wird vom Fortgang des Verfahrens berichten. Wolfgang Rabsch
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