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Nachricht vom 15.03.2023    

Neuwieder Bürgerliste und NABU fordern: Energiewende ja, aber naturverträglich und bürgernah

Die Neuwieder Bürgerliste im Stadtrat kritisiert, dass bei den nun bekannt gewordenen Plänen der Stadt zur Energiewende weder eine Bürgerbeteiligung noch Naturschutzbelange berücksichtigt wurden. Der NABU Neuwied kritisiert, dass Naturschutz gegen Energiewende ausgespielt wird.

Fotomontage: Bürgerliste

Neuwied. Die Stadt möchte klimaneutral werden und plant den Bau von sechs Windrädern im Wald bei Monrepos und Feldkirchen und Freiflächen-Photovoltaikanlagen im Vogelschutzgebiet Engerser Feld, in Torney und Segendorf. Diese Vorhaben wurden kurz vor der Sitzung des Stadtrats am 16. März, um 17.30 Uhr bekannt gegeben, der den Startschuss für die Planungsvorhaben genehmigen muss. Eine vorherige Bürgerbeteiligung war nicht vorgesehen.

Die Geheimhaltungstaktik bis kurz vor der Abstimmung wird von der Bürgerliste stark kritisiert. "Die Energiewende kann nicht hinter dem Rücken der Bürgerinnen und Bürger, sondern nur mit ihnen geplant werden." verweist Dr. Jutta Etscheidt als Fraktionsvorsitzende der Neuwieder Bürgerliste auf den nötigen gesellschaftlichen Diskurs. Vor Planungsbeginn sollten die Neuwieder mit einbezogen werden in die Fragen, welche Maßnahmen für die Energiewende infrage kommen und wie wir dabei mit unseren Ressourcen umgehen wollen.

Am Montag, dem 13. März gab es in Segendorf eine kurzfristig einberufene Bürgerversammlung, die sehr gut besucht war. Hier gab es teils Zustimmung, aber auch viele kritische Stimmungen und viele noch offene Fragen, die allerdings erst in einem noch zu beginnenden Verfahren geklärt werden können.

Windkraft im Wald wird zum Beispiel von Naturschutzverbänden durchweg abgelehnt. Wir berichteten. Für den Bau und die Zuwegung müssen große Flächen gerodet werden. Zudem ist die Artenvielfalt und damit die Gefahr von Schlagopfern durch die Rotatorenblätter um ein Vielfaches höher als zum Beispiel auf Agrarflächen. Die sechs in Neuwied geplanten Windenergieanlagen sind zudem am Rand oder in unmittelbarer Nähe von FFH-Schutzgebieten und der Kernzone des Naturparks Rhein-Westerwald geplant. Beide Schutzgebiete sind sogenannte Ausschlussgebiete, das heißt, dort dürfen aus gutem Grund keine Windräder gebaut werden. Planungen, die Windräder direkt auf den Rand der Gebiete setzen, unterlaufen diesen Schutzstatus. Es muss also diskutiert werden, ob es geeignetere Flächen gibt oder Windstrom besser aus der näheren Umgebung zugekauft wird.

Auch für Photovoltaik-Freiflächenanlagen gibt es Verbotszonen
Natura 2000 und Vogelschutzgebiete gehöre dazu. Beides trifft auf das Engerser Feld zu. Um diese Gesetze zu umgehen, plant die Stadt, aus der Freiflächenanlage ein Pilotprojekt zu machen. "Für den Naturschutz würde das einem Dammbruch gleichkommen", kommentiert Günter Hahn für die Bürgerliste das Vorhaben. Er ist ehemaliger Biotopbetreuer des Kreises Neuwied und kennt das Engerser Feld wie seine Westentasche. "Das Gebiet ist nicht umsonst europäisches Vogelschutzgebiet geworden. Es ist unabkömmlich für Zugvögel und den Schutzstatus gefährdeter Arten."

Die PV-Anlage auf dem ehemaligen Sportplatz in Segendorf wurde ebenfalls ohne Bürgerbeteiligung und sogar ohne Austausch mit dem Ortsbeitrat geplant, für die Bürgerliste ein absolutes No-Go. Mit dem Wennenberg in Torney wurde eine Fläche für Photovoltaik ausgesucht, die als kleines Biotop inmitten von Agrarflächen liegt, ohne mit biodiversitätsfördernden Maßnahmen darauf Rücksicht zu nehmen.

Stromgewinnung auf versiegeltem Gebiet - Fehlanzeige

Was der Neuwieder Bürgerliste bei der Planung in Gänze fehlt, sind Vorschläge zur Stromgewinnung auf versiegeltem Gebiet. Es gibt ein Solarkataster und viele Dach- und Parkplatzflächen, Fassaden, Gehwege und Straßen, die für Photovoltaik genutzt werden könnten. Wissenschaftler sehen hier das größte Potenzial der Städte. Auch Bundes- und Landesregierung führen aus, dass diese Flächen vorrangig genutzt werden sollten. Agri-PV, also das Überbauen von bestimmten Anbaugebieten zum Schutz vor Hitze oder Unwettern birgt ebenfalls ein großes Potenzial und würde Landwirten zudem ein zweites Standbein generieren. "Hiervon ist in Neuwied leider noch überhaupt keine Rede", kritisiert Fred Kutscher, Geschäftsführer der Bürgerliste. Als ehemaliger Leiter der Geschäftsstelle der Kreishandwerkerschaft Neuwied fügt er hinzu, dass im Gegensatz zu Großbauprojekten von den vorgeschlagenen Alternativen auch die lokalen Handwerksbetriebe profitieren könnten.



Der NABU kritisiert:
Wenn Bürger aufgerufen werden, sich an Pflanzungen von Bäumen zu beteiligen, zeitgleich aber Vorhaben geplant sind, bei denen riesige Schneisen und Kahlflächen in den Wald geschlagen werden, damit Windkraftanlagen dort Platz finden, klingt dies schon mehr als grotesk. Auf der einen Seite informieren die Medien ständig über die bedeutende Rolle des Schutzes und den Erhalt unserer Wälder, auf der anderen Seite entstehen durch WKA tiefe Wunden in der Waldstruktur und machen sie noch anfälliger für Stürme und Dürren.

"Wir hoffen, dass die Stadt Neuwied von diesen schrecklichen Vorhaben absieht und durch die Auswahl geeigneter, naturverträglicherer Flächen als zeitgemäßes, positives Beispiel in Erscheinung tritt. Solange Vorhaben dieser Art zukünftig ohne Berücksichtigung der Natur durchgesetzt werden und der Rückgang der Artenvielfalt weiter angefeuert wird, ist es auch die Spezies Mensch, die am langen Arm keine Zukunft mehr haben wird", heißt es vom NABU-Neuwied und Umgebung e.V.

Dass die Energiewende kommen muss, ist auch für die Neuwieder Bürgerliste und den NABU keine Frage. Jahrzehntelang hat die Politik sie verschlafen. Allerdings sollten die Maßnahmen nun nicht in einem Aktionismus nachgeholt werden, der für Naturschutzbelange und Bürgerbeteiligung blind ist. Angesichts der Tatsache, dass wir zurzeit das größte und schnellste Artensterben seit den Dinosauriern beobachten, warnen Wissenschaftler eindringlich davor, Energiewende und Artenschutz gegeneinander auszuspielen.

Allerdings werden Naturschutzgesetze in rasantem Tempo ausgehöhlt, um in der Energiepolitik Versäumtes nachzuholen und Genehmigungen von Windrädern und PV-Freiflächenanlagen voranzupeitschen. In den entsprechenden Industriezweigen herrscht Goldgräberstimmung. (red)



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