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Nachricht vom 22.02.2023    

Deutschland, Land der Gottlosen?

Die Zahl der Kirchenaustritte ist nach wie vor auf Rekordniveau. Die Corona-Pandemie hat die Problematik der leeren Kirchen weiterhin verschärft: Im Lockdown durften gar keine Gottesdienste stattfinden, später galt für lange Zeit eine Masken- und Abstandspflicht in Kombination mit zahlreichen Hygieneauflagen. Und offenkundig haben die großen christlichen Religionsgemeinschaften keine Antwort auf die Frage gefunden, wie sich der Trend vielleicht umkehren ließe. Dabei ist es keineswegs so, dass Deutschland eine vollkommen atheistische Zukunft bevorstünde. Zahlreiche Fachleute sind sich einig, dass die Menschen auch weiterhin einen Glauben in sich tragen, – der sich jedoch in vielen Fällen weitab von den Standpunkten der Kirchen bewegt.

Foto Quelle: pixabay.com / falco

Viele Deutsche sind spirituell, ohne religiös zu sein
Weihnachten, ihn einigen Regionen auch Ostern sind jene Termine, in denen die Gotteshäuser nach wie vor gefüllt sind. Und das nicht nur von Menschen, die einfach einer Tradition folgen, denn dann herrschte nicht an den Sonntagen gähnende Leere in den Kirchen. Doch eine immer größere Zahl an Menschen probiert verschiedene aus, um Antworten auf die großen Fragen des Universums, des Lebens und der eigenen Existenz zu finden. Der weihnachtliche Besuch der Kirche steht nicht im Widerspruch zum Zen-Meditationskurs und zum Yoga. Ganz im Gegenteil: Die Bewegung „Spriritual but not religious“ (#sbnr), die in den Vereinigten Staaten viele gutbesuchte Workshops und ; Kongresse organisiert, fasst zunehmend auch in Europa Fuß. Fachleute gehen unisono davon aus, dass sich das religiöse Leben in Deutschland massiv verändern wird und dass ein Esoterik-Großhandel für Wiederverkäufer künftig immer wichtiger wird. Allerdings sind die Prognosen im Hinblick auf die gesellschaftlichen Entwicklungen nicht ganz so einheitlich.

"Spiritualität bleibt nebulös", so der Soziologe Detlef Pollack
Der Fachmann von der Universität Münster kann in der Spiritualität keine so festen Strukturen erkennen wie in der Kirche. Dennoch sieht der Experte Parallelen und Schnittmengen: „Wir müssen die Trennlinien zwischen der kirchlich-christlichen Religiosität und außerkirchlichen Formen der Religiosität erforschen, um Gemeinsamkeiten zu entdecken.“ Pollack untersucht ausgehend von vorhandenen Daten und Befragungen wie der Allbus-Studie die Zusammenhänge zwischen dem Gottesglauben und der Säkularisierung der Gesellschaft. Einige Resultate seiner Arbeit verwundern den Experten nicht. So bezeichneten sich in Ländern mit überwiegend traditionell-katholischer Bevölkerung wie Italien oder Polen nur sehr wenige Menschen als spirituell, jedoch nicht religiös. In den säkularen Gesellschaften Skandinaviens sieht es anders aus. In Norwegen oder Schweden bezeichnet sich eine Mehrheit der Menschen als „weder religiös noch spirituell“.

Deutschland wird immer säkularer
„In Deutschland schreitet der Prozess der Entkirchlichung voran“, sagt Pollack. Immer mehr Menschen könnten mit der Kirche als Institution immer weniger anfangen. Dennoch bezeichneten sie sich nicht als vollkommen atheistisch, sondern als spirituell. Pollock hält dies als eine Formel für den Übergang in eine komplett säkulare Gesellschaft. „Die Spannungslinie verläuft zwischen Religiösen und Nichtreligiösen“, so der Soziologe. Säkularisiere sich die Gesellschaft weiter, müssten einzelne Formen des Religiösen weiter zusammenrücken. Insbesondere die katholische und die evangelische Kirche müssten sich dann „stärker behaupten gegen spirituelle Wahrheitssuchende“.

Spiritualität ist gut für die Gesundheit
Die Theologin und Philosophin Katharina Ceming erkennt Chancen in der neu erwachenden Spiritualität. So gäbe es wissenschaftliche Erkenntnisse aus Psychologie und Neurobiologie, dass spirituelle Übungen positive Veränderungen in Körper und Geist bewirkten. Auch diese wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse tragen ihrer Meinung zum anhaltenden Boom des spirituellen Themas in den Medien bei. Doch die Fachfrau erkennt auch Gefahren des Missbrauchs. So dürfe man spirituelle Übungen nicht zu einem Werkzeug für die Selbstoptimierung werden lassen. Denn Leistungsorientierung habe nichts mit Spiritualität zu tun. Dafür könnten allerdings Religionsgemeinschaften und Kirchen die Chance ergreifen und den Menschen neue Angebote machen. Denn es sei längst Realität, dass Menschen die eigenen religiösen Traditionen mit neuen Erfahrungen mischten. „Wir sollten die religiöse Rückbindung von Spiritualität an Institutionen überprüfen“, so Cemings Rat.

Quo vadis, Religion?
Man muss die aktuelle Bewegung nicht als Drama empfinden, eine Phase der gesellschaftlichen Neuorientierung ist sie auf jeden Fall. Und es bleibt eine Aufgabe der Religionsgemeinschaften, aber auch der Medien, die Menschen dabei nicht sich selbst zu überlassen. Während der Pandemie konnte man immerhin sehr deutlich beobachten, wie auch nüchtern denkende Menschen in den Einfluss von Bauernfängern mit fragwürdigen politischen wie weltanschaulichen Ansätzen gerieten. (prm)

Agentur Artikel



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