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Nachricht vom 05.01.2023    

Grabenkämpfe zum Thema Ärztlicher Bereitschaftsdienst: Wo bleibt der Patient?

Von Katharina Behner

Seit Tagen nehmen die Diskussionen inklusive breit gestreuter Berichterstattung rund um lange Warteschlangen vor Bereitschaftspraxen im Westerwald und auch im Kreis Altenkirchen zwischen den Feiertagen 2022 kein Ende. Doch wo bleibt der Patient zwischen Schuldzuweisungen und der Suche nach Verantwortlichen?

Symbolfoto. (Foto: Pixabay)

Region. Nicht nur in Hachenburg, sondern auch in Kirchen oder in Neuwied, mussten Patienten zwischen den Feiertagen teils Stunden vor Einrichtungen des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes warten. Seither nehmen die Diskussionen und Berichterstattungen dazu kein Ende: dies immer mit der Frage nach der Verantwortung und Rechtfertigungen für die Umstände. Dabei scheint die Leserschaft inzwischen das Gefühl zu haben, in einen Grabenkampf geraten zu sein, in dem es lediglich um die Frage geht: Wer ist hier schuld und wer übernimmt die Verantwortung für die Misere? Sicherlich können – und dürfen – dies am Ende nicht die Patienten sein, die medizinischer Hilfe bedürfen, sei es in welcher Angelegenheit auch immer. Die Leidtragenden sind die Patienten aber derzeit.

Schuldzuweisungen von A nach B bis zum Patienten
So lag für Landtagspräsident Henrik Hering (SPD) bereits Anfang Januar der Fall klar auf der Hand, wie er in einer Pressemitteilung bekannt gab. Die massive Unterversorgung des nördlichen Westerwaldkreises mit hausärztlicher Versorgung habe ihn entsetzt. Völlig unstreitig sei, dass an dieser Stelle die Kassenärztliche Vereinigung (KV) die Verantwortung für diese Zustände zu tragen habe. Wir berichteten hier. Ebenso geht er darauf ein, dass die KV zum Thema Ärztemangel am Beispiel von Fachärzten die Aussage träfe, dass der KV-Bereich ausreichend versorgt sei. Fragt man die Patienten, sprechen diese jedoch eine andere Sprache.

Die KV RLP sorgt dafür, dass die ambulante medizinische Versorgung zu jeder Tages- und Nachtzeit für die Bürger des Landes in der Nähe ihres Wohnorts gewährleistet ist. Hierzu organisiert sie auch den Ärztlichen Bereitschaftsdienst, dessen Trägerin sie ist. In der DPA-Meldung vom Mittwoch (4. Januar) widerspricht die KV RLP deutlich. Vor Personalengpässen und damit verbundenen Versorgungsproblemen habe insbesondere auch die KV RLP bereits seit 2004 gewarnt. Reagiert habe die Politik allerdings erst 2019, als die prognostizierten Engpässe Realität wurden. Daher wundere es doch sehr, dass Teile der Politik die Kassenärztlichen Vereinigungen heute für die Situation verantwortlich machen wollten. Zur Sicherstellung der Versorgung sei die KV darauf angewiesen, dass die Politik entsprechende Rahmenbedingungen schaffe und auch genügend Medizinstudienplätze zur Verfügung stelle – was bereits seit den 1990er-Jahren nicht mehr der Fall sei.

Zum Fall der langen Wartezeiten weist die KV darauf hin, dass die Öffnungszeiten der Ärztlichen Bereitschaftspraxen (ÄBP) in RLP zwischen Weihnachten und Neujahr 2022 massiv ausgedehnt worden seien. Dies sollte einen erhöhten Versorgungsbedarf abdecken, der durch die zu erwartenden Praxisschließungen während dieser Zeit abzusehen war. Da die Arztpraxen im Bereich der KV RLP eine Praxisschließung erst ab einer Woche melden müssen, konnte die KV keinen Überblick über das tatsächliche Ausmaß urlaubsbedingter Praxisschließungen haben, so die Meldung. Zudem läge die Benennung von Vertretungen im Verantwortungsbereich der Arztpraxen vor Ort. Hinzu sei gekommen, dass es rund um die Feiertage im Vergleich zu anderen Jahren deutlich mehr Patienten durch die aktuelle Infektionswelle an Atemwegserkrankungen gegeben habe.



Kritik richtet sich seitens der KV allerdings auch an die Patienten. So äußerte der rheinland-pfälzische Kassenärztechef Dr. Peter Heinz gegenüber verschiedenen Medien, viele Patienten kämen nur wegen Bagatellfällen in die Bereitschaftspraxen. Jeder Patient solle sich fragen, ob er so krank sei, dass er den Notdienst brauche und fordert seitens der Patienten mehr Verantwortung für das Solidarsystem zu übernehmen. So könnten die Patienten einfach kommen und alles umsonst erhalten, was einer Selbstbedienungsmentalität gleiche. Hinsichtlich der Erreichbarkeit der 116 117 könne bei einem hohen Anrufaufkommen zugemutet werden, später nochmals anzurufen. So wie auch in einer niedergelassenen Praxis gegebenenfalls auf eine Nachmittagssprechstunde verwiesen werde. Für zeitkritische Gesundheitsstörungen gebe es den Rettungsdienst.

Gesamtstrukturelles Probleme Gesundheitswesen?
Wie das die Patienten sehen, die insbesondere zwischen Weihnachten und Neujahr teils stundenlang vor den Bereitschaftsdienstpraxen warteten, steht sicher auf einem anderen Blatt. Neben Äußerungen zu langen Wartezeiten im besagten Zeitraum richtet sich die Kritik generell gegen ewige Wartezeiten selbst mit Kleinkindern auch an anderen Wochenenden. Das scheine bisher die Politik wohl auch nicht interessiert zu haben.

Ebenfalls sei die Erreichbarkeit der 116 117 nicht sichergestellt gewesen. Erst nach einer Vielzahl von Anrufen oder stundenlangem Warten habe man dort jemanden erreichen können – um dann oft einfach an eine Praxis verwiesen zu werden. Insgesamt wird nach vielen Meinungen der Leserschaft ein generelles strukturelles Problem im Gesundheitswesen gesehen.

Nicht zuletzt spielen hier sicher auch die Schließungen von ärztlichen Bereitschaftspraxen im Rahmen einer umfangreichen Reform des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes in RLP im Jahr 2020 seitens der KV eine Rolle. Betroffen war damals auch der Standort in Wissen, der im nördlichen Rheinland-Pfalz dauerhaft für Entspannung hätte sorgen können. Dazu wurde hier berichtet. Schon hier prognostizierten sowohl Wissens Bürgermeister Berno Neuhoff als auch Landrat Dr. Peter Enders: “Das geht klar zu Lasten der Gesundheitsversorgung der Menschen an Wochenenden, Feier- und Brückentagen.“ An der Stelle passt sicher auch der Blick auf “Quo Vadis Gesundheitswesen“ und die Frage: Wo wird das noch hinführen?

Die Hoffnung bleibt, dass aufgrund der aktuellen Situation eine Aufarbeitung erfolgt. Eine, in der alle Beteiligten und Verantwortlichen gemeinsam nach Lösungen suchen. Lösungen, die den Blick für die Menschen auch in ländlichen Regionen nicht aus dem Auge verlieren und demografische als auch medizinischen Entwicklungen berücksichtigen. (KathaBe)



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