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Pressemitteilung vom 10.07.2022    

Vom Fußballprofi, den der Krieg an den Engerser Wasserturm trieb

Sein Lebensplan sah anders aus. In einem rheinischen Dorf wohnen, weit weg von der Familie, und Pakete ausfahren: Das war nicht vorgesehen. Vadim Semchuck wollte immer Fußball spielen. Vadim war Profi. Doch Vadim ist Ukrainer. Und wie für so viele seiner Landsleute änderte der 24. Februar 2022 auch für ihn alles.

Vadim Semchuck war gerade mit seiner (Profi-)Mannschaft im Trainingslager in der Türkei, als Putin sein Heimatland überfiel. Jetzt ist der Ukrainer in Engers und will den „Jungs vom Wasserturm" helfen, erfolgreich zu sein. (Foto: FV Engers)

Engers. Dabei war Vadim Semchuk an dem Tag, als Wladimir Putin sein Heimatland überfiel, gar nicht zu Hause. Er war in der Türkei. Mit seinem Club war er einige Tage zuvor ins Trainingslager aufgebrochen. Der PFK Nywa Winnyzja wollte sich auf die neue Saison vorbereiten. Dann kam der Krieg. Und sein Berater rief ihn an. „Geh nicht zurück", riet er ihm eindringlich. Anfangs, so erzählt Semchuck, gab es ohnehin keine Flüge in die Ukraine. „Und es wusste ja überhaupt keiner, was kommt. Deshalb hat Oleg mir gesagt, dass ich nach Deutschland gehen soll. Er meinte, dass er da wahrscheinlich etwas hätte, wo ich zumindest weiter Fußball spielen kann.“

Und so klingelte bei Alexander Naric das Telefon. Der Teammanager des FV Engers kannte Oleg noch aus seiner Zeit bei der TuS Koblenz. In jüngeren Jahren, lange vor der Knieverletzung, die seine Spielerkarriere beenden sollte, hatte er sich von ihm ebenfalls beraten lassen. „Ich hab‘ hier einen Jungen", sagte Oleg jetzt und fragte ohne Umschweife: „Kannst Du ihn um 22 Uhr am Bahnhof in Koblenz abholen?“ Naric konnte. Und er nahm Vadim nicht nur spontan in seine Wohnung auf, er sorgte auch dafür, dass sich ab sofort der FV Engers um den 28-Jährigen kümmerte.

Schlüsselfigur neben Naric war und ist Co-Trainer Vitaliy Karpov. Als gebürtiger Russe hat er keine Sprachbarriere. Aufenthaltstitel, Sparkassenkarte, Sozialhilfe und und und: Karpov begleitete Semchuck zu sämtlichen Behörden, half ihm, übersetzte. Auch in Sachen Unterkunft tat sich etwas. Nach zwei dreiwöchigen Intermezzi im Neuwieder Food-Hotel und der Engerser Ferienwohnung Blum – „Beide sind uns sehr entgegengekommen“, betont Naric dankbar – fand der Verein eine eigene Wohnung für Vadim in Heimbach-Weis. Weil die natürlich leer war, initiierte Mannschaftskapitän Yannick Finkenbusch, dass die „Jungs vom Wasserturm“ zusammenschmissen. Und so stand der Ukrainer wenig später mit Naric und Karpov im Ikea und suchte Möbel aus.

"Wahnsinns-Technik" auf dem Platz
Gern hätte sich Vadim schon da revanchiert und den Grün-Weißen auf dem Platz geholfen. Doch weil der Fußballverband Wettbewerbsverzerrung befürchtete, bekam er wie alle Ukrainer für die abgelaufene Saison keine Freigabe. Drei Monate durfte er nur mittrainieren. „Um ihn richtig einschätzen zu können, muss ich ihn im echten Wettkampf sehen. Aber dass er eine Wahnsinns-Technik hat, ist klar“, freut sich Coach Sascha Watzlawik auf seinen Neuzugang für den rechten Flügel.



Die „Wahnsinns-Technik“ ist kein Wunder, wenn man sich die Laufbahn anschaut. Im zentralukrainischen Zhytomyr geboren, fiel Semchucks Talent schon früh auf. Mit zwölf Jahren zog er ins Fußballinternat des 400 Kilometer entfernten Erstligisten Karpaty Lwiw. Später spielte er als Profi für Clubs in der ersten, zweiten und dritten ukrainischen Liga. Ein Jahr war er in Polen aktiv.

Klingt fast zu gut für einen Oberligisten. Doch in Engers haben sich für Vadim die Umstände verändert. Profigehälter kann und will der FVE nicht zahlen. Von Sozialhilfe leben? Das kommt wiederum für den stolzen Ukrainer nicht infrage. Also suchte er sich einen Job. Vadim fährt jetzt Pakete aus, macht zum ersten Mal im Leben etwas anderes, als Fußball zu spielen. „Er stöhnt schon manchmal, wenn er nach der Schicht zum Training kommt“, erzählt Alex Naric und lächelt leicht verschmitzt. „Für den Anfang ist es okay“, antwortet Vadim selbst und schiebt dann nach, dass er keine Profi-Ambitionen mehr hat. „Es ist alles nicht leicht, vor allem wegen der Sprache. Auf der einen Seite will ich manchmal nach Hause. Aber das wird schwierig. Von daher möchte ich mich hier integrieren und meine Familie herholen, wenn das gefahrlos möglich ist“, erzählt er und stellt fest: „Die Jungs in der Engerser Mannschaft haben mich super aufgenommen. Das hilft mir unheimlich. Deshalb freu ich mich jetzt erst einmal auf das große Pokalspiel und auf die neue Saison. Ich hoffe, dass ich dem Team helfen kann.“ (PM)


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