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Nachricht vom 29.06.2022    

Impulsforum in Horhausen: ABBA soll helfen, Innenstädte attraktiver zu machen

Die Alarmstufe Rot ist ausgerufen: Der lokale Einzelhandel sieht sich großen Herausforderungen gegenüber, um nicht komplett in der Versenkung zu verschwinden. Welche Maßnahmen helfen können, das Überleben zu sichern, hat das Impulsforum „Vielfalt in der Innenstadt“ der IHK Koblenz versucht herauszuarbeiten.

Gruppenbild nach dem Impulsforum Innenstadt: Prominenter Gast war Ministerin Daniela Schmitt (5. von rechts). (Foto: vh)

Horhausen. Die Schlagworte sind allgegenwärtig: die Corona-Pandemie, die Digitalisierung, ein geändertes Konsumverhalten oder technologische Neuerungen. Sie alle tragen dazu bei, dass es der lokale (und inhabergeführte) Einzelhandel in den Innenstädten von Tag zu Tag schwerer hat zu überleben. „Stadt ist mehr als ausschließlich Handel“, spannte Daniela Schmitt, die rheinland-pfälzische Ministerin für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, bei einem Impulsforum unter dem Motto „Vielfalt in der Innenstadt“ den Bogen über die ortsansässige Geschäftswelt hinaus. Rund 90 Akteure aus City-Bereichen wie Händler, Gastronomen, Hoteliers oder Dienstleister aus den Kreisen Altenkirchen und Neuwied nahmen diese Botschaft am Dienstagabend (28. Juni) im Kaplan-Dasbach-Haus in Horhausen bei einer Veranstaltung der IHK Koblenz mit Moderatorin Kristina Kutting (IHK-Regionalgeschäftsführerin für die Landkreise Altenkirchen und Neuwied) zur Kenntnis, ehe Schmitt forderte, die Städte neu zu gestalten, sie müssten erlebbar werden, „was ich im Internet nicht kann. Städte sind Orte der Regionalität, der Individualität, der Begegnung, des Genusses, der Kultur und des Tourismus“. Es gelte, ein angenehmes Aufenthaltsklima zu schaffen. Auch die Verkehrssituation sei wichtig, ergänzte sie und hatte „alle Verkehrsteilnehmer“ im Blick. Schmitt appellierte in ihrem „Statusbericht“, mehr Grün und Blau (Bepflanzung und Wasser) in die Zentren zu bringen. Die Landesregierung habe das breite Themenfeld unter dem Dach „Innenstädte in Rheinland-Pfalz neu gedacht“ zu einem Schwerpunkt der aktuellen Legislatur gemacht und einen „breiten Förderkasten“ konzipiert. Vor Ort müsse entschieden und konzipiert, Kooperationen von verschiedenen „Themenkombinationen“ angestoßen werden, „Städte müssen multifunktional, kooperativ und lebendig sein“.

Weitere Krisen kommen
„Innenstädte kennen und können Krisen“, sah Dr. Peter Markert, geschäftsführender Gesellschafter der Imakomm Akademie GmbH aus Aalen, einem Institut für Marketing und Kommunalentwicklung, zunächst einmal nicht grundsätzlich schwarz, was die Zukunft der städtischen Zentren betrifft. Abgehakt seien der demografische Wandel, die Einführung des E-Commerce, die Auslagerung von Geschäften auf die „grüne Wiese“ oder die Corona-Pandemie, neue wie Klima- und Fachkräftemangel, Nachfolgeunsicherheiten oder Finanzprobleme seien zu erkennen. Sein Unternehmen habe im Auftrag deutscher Spitzenverbände 750 deutsche Innenstädte untersucht. „Den Zentren gehen die Frequenzbringer verloren“, zitierte Markert aus der Auswertung: Einzelhandel 13 bis 14, Gastronomie 6 bis 7 und Gewerbe (gesamt) 3 bis 4 Prozent. In Zukunft werde das Nutzungsmanagement (Leerstandsmanagement) zur Daueraufgabe zum Beispiel von Citymanagern.

Schablone vorgestellt
Vor diesem Hintergrund entwickelte er ein Schema, das – mit den Buchstaben A-B-B-A (hat nichts mit der schwedischen Musikgruppe gleichen Namens zu tun) abgekürzt – helfen kann, erfolgreiche Innenstädte, in denen „Shoppen nur Begleitmusik“ ist, zu entwickeln, wie er auch anhand von Beispielen (Schwäbisch Gmünd oder Leinfelden-Echterdingen) darstellte. Das erste A stand für „Agile Strukturen“: mehr Geschwindigkeit (in der Verwirklichung), Anreiz- und Verpflichtungssysteme, mehr Ressourcen, Professionalisierung, Fehlerkultur zulassen, Lernfähigkeit sicherstellen usw.; das erste B definierte er als "Belebungspotenziale": Frequenz für den Handel, Ausbau unterschiedlichster Besuchsgründe, funktionsräumliches Entwicklungskonzept als Instrument, Erreichbarkeit orientiert an Nutzungen usw.; "Besonderheiten auf-/ausbauen" (das zweite B) erklärte Markert mit: Erlebbarkeit von Besonderem, Fokus auf Wettbewerbsvorteile statt „Stärken stärken und Schwächen schwächen“ usw.; das Quartett komplettierte das zweite A (nicht für Anni-Frid stehend) mit dem "Ausbau resilienter Strukturen": Wasser und Grün gegen Hitze im Zentrum, multifunktionale Flächen, Testräume und Reallabore, Krisenpläne für Institutionen (auch Gewerbevorteile), Innovationsfähigkeit erhöhen usw. Markert gab seinen Zuhörern einen Satz von Albert Einstein mit auf den Weg gen Heimat: „Es grenzt beinahe an Wahnsinn, neue Lösungen mit den immer gleichen Maßnahmen herbeiführen zu wollen“, ehe er aufforderte: „Seien Sie hoffnungsvoll! Machen Sie Fehler! Packen Sie es an!“



Keine Lösung von der Stange
„Eine Lösung von der Stange wird es nicht geben“, positionierte sich Altenkirchens Landrat Dr. Peter Enders. Es brauche Raum für Begegnungen, mehr Grünflächen, kulturelle und soziale Angebote. „Reine Fußgängerzonen mit Geschäften umgeben von autogerechter Stadtlandschaft, das galt einmal als Nonplusultra. Was früher aus den Stadtzentren outgesourct wurde, muss wieder herein – zum Beispiel Werkstätten für Handwerker“, fügte er an. Aber auch Neues gehöre dazu: Co-Working-Spaces oder Pop-up-Stores für regionale und nachhaltige Waren, „und in Innenstädten müssen wieder mehr Menschen wohnen können“. Es brauche vielerlei kreative Ideen für die Vielfalt in der Innenstadt, „um unseren ehemals vom Handel geprägten Stadt- und Ortskerne eine Zukunft zu geben“. Enders’ Neuwieder Amtskollege Achim Hallerbach hielt fest, dass er viele neue Impulse aus der Veranstaltung mitnehmen werde. Die Herausforderungen für die Region seien unterschiedlich, es bestehe noch eine Menge Luft nach oben. Hallerbach erwähnte zudem als wichtiges Instrument den „Wäller Markt“, die Online-Plattform, die von Westerwälder Händlern beschickt werde (inklusive Lieferservice) und die eine wichtige Anschubfinanzierung von knapp einer Million Euro vom Land erhalten habe. „Wir betrachten die drei Kreise, Altenkirchen, Neuwied und Westerwald, kreisübergreifend als einen Wirtschaftsraum mit über 500.000 Einwohnern. Rheinland-Pfalz hört nicht am Deutschen Eck in Koblenz auf!“, meinte er ein wenig süffisant - wohl an die Landespolitik gerichtet.

Schmitt blieb konkrete Antwort schuldig
In einer Podiumsrunde unter Leitung von Sven Klein, dem Referenten für Handel der IHK Koblenz, berichteten Stefanie Stieler (Inhaberin Schankwirtschaft SiegLinde Betzdorf), Nicole Häuser-Diehl (Inhaberin LadyChic Wissen), Brahim Nikqi (Geschäftsführer Nikis Gastronomie GmbH Neuwied), Jörg Germandi (Geschäftsführer food hotel Neuwied GmbH) und Christian Dübner (Referent Tourismuswirtschaft IHK Koblenz) beispielsweise über die Herausforderungen der Corona-Pandemie und wie Lösungen aussahen, über künftige Projekte oder die Anstrengungen vor Ort, die Innenstadt attraktiver und somit besuchenswerter zu machen. Bei der Beantwortung der Frage nach einer möglichen Änderung der Regelung der Ladenöffnung an Sonntagen im Dezember (Advent) gab sich Schmitt ganz „Politiker like“, denn konkret wurde sie bei diesem, seit vielen Jahren latenten und leidigen Thema nicht. Sie beließ es bei Allgemeinplätzen wie „Öffnungszeiten kundenorientiert anzubieten“, forderte eine „Einheitlichkeit vor Ort“ ein, erklärte, „das Thema wird viel diskutiert“ und „wir müssen zu Lösungen mit Kirchen und Gewerkschaften kommen“… Zu Erklärung: In Rheinland-Pfalz dürfen Geschäfte vor Weihnachten (Advent) an Sonntagen nur öffnen, wenn der erste Advent auf einen Sonntag noch im November fällt. In vielen anderen Bundesländern, so in Nordrhein-Westfalen, ist die Öffnung an Dezember-Sonntagen möglich, woran viele heimische Werbegemeinschaften jeweils als Sprachrohr ihrer Mitglieder wirtschaftliche Nachtteile, eine Chancenungleichheit, eine Wettbewerbsverzerrung, festmachen. (vh)



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