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Nachricht vom 10.05.2022    

Assistenzhunde im Alltag - wenn Tiere ihrem Menschen helfen, zu leben

Von Elke Stockhausen

Hunde sind Teil unserer Familie. Wir verbringen gerne Zeit mit ihnen, haben Ansprüche an sie und im Gegenzug versorgen und umsorgen wir sie. Für manche sind Hunde aber auch mehr als bloß ein treuer Freund. Speziell ausgebildete Assistenzhunde ermöglichen es vielen Menschen, ihr Leben zu bewältigen.

Atréju bei der Unterstützung im Alltag. (Foto: Elke Stockhausen)

Westerwald. Generell wurden Hunde, und das unterscheidet sie vom Wolf, domestiziert (aus Wildformen gebändigt) und für die Erfüllung spezieller Aufgaben gezüchtet. Hütehunde können eine Herde Schafe dirigieren und sie eigenverantwortlich zusammentreiben. Herdenschutzhunde beschützen hingegen die Herde. Wachhunde bewachen und Jagdhunde, die heute oft nur reine Familienhunde sind, werden selektiv für die Jagd gezüchtet. Selbst die kleinen, handlich süßen “Schoßhunde“ sind unter anderem aus rein sozialem Aspekt gezüchtet worden. Wir halten Hunde zur Erfüllung eines Zweckes, denn auch die Freundschaft mit ihnen ist ein Zweck, entstanden aus dem Wunsch nach Freude und Abwechslung oder zur Verdrängung des Gefühls der Einsamkeit.

Manche Hunde leisten aber sehr viel mehr als das. Es sind die, die leiten, die unterstützen und Menschen mit körperlichen, geistigen oder gesundheitlichen Problemen das Leben erleichtern und sogar die Fähigkeit besitzen, das Leben ihres Halters zu retten. Es gibt zum Beispiel Diabetes-Warnhunde, die den schnellen Abfall oder Anstieg des Blutzuckerspiegels riechen und ihren Menschen, erkrankt an Diabetes Typ 1, warnen können. Blindenführhunde geleiten ihren Halter sicher durch deren Leben und geben so eine Selbstständigkeit zurück. Letztere sind sogar im Hilfsmittelkatalog des Sozialgesetzbuches erwähnt (§33 SGB V). Die Krankenkasse übernimmt so die Kosten für den Erwerb, die Ausbildung und den Unterhalt des Tieres. Andere Assistenzhunde werden jedoch nicht von der Krankenkasse finanziert.

Und für viele unter uns steht es außer Frage, dass ein Blindenführhund wirklich arbeitet. Wir erkennen, dass der Mensch an der anderen Seite der Leine nicht sehen kann. Unser Erkennen schafft Akzeptanz und Rücksichtnahme im Alltag.

Unbekannter sind all die anderen Assistenzhunde. Auch sie sind speziell gekennzeichnet und haben die gleichen Rechte, denn sie alle unterstützen einen Menschen. Eine sogenannte Kenndecke im Bereich der Schulter oder ein Halstuch mit Hinweis – beim Blindenführhund auch eine starre Führungshilfe für den Halter – ermöglichen eine eindeutige Kennzeichnung. So können Außenstehende den Assistenzhund von einem Artgenossen zu unterscheiden, der vielleicht gerade nur seine “Gassirunde“ geht. Und würde dieser in den Räumlichkeiten des Einzelhandels mitgeführt werden, ist dies anders als bei Assistenzhunden nicht erlaubt. Für einen Assistenzhund gilt jedoch “freier Zutritt“ in öffentliche Einrichtungen, auch in Lebensmittelgeschäfte, sowie in medizinische Einrichtungen wie sogar Rettungswagen, Krankenhäuser und Arztpraxen. Es ist dem Halter nach BGG §12e ff (Behindertengleichstellungsgesetz) erlaubt, sie überall dorthin mitzuführen, wo auch Menschen in Straßenschuhen hineindürfen.

Die Realität im Leben dieser Mensch-Hund-Verbindung
Atréju und sein Frauchen aus dem Westerwald wissen zu berichten, dass die Unwissenheit über diese besonderen Rechte oftmals zu Diskussionen führt – zu Momenten, in denen Erklärungen notwendig sind, die es zu vermeiden gilt. Die meisten Geschäfte kann sie problemlos mit ihm besuchen, denn dort weiß man, dass er sie bei den täglichen Erledigungen unterstützt und eine Hilfe ist, sich zurechtzufinden. Dafür ist sie den Mitarbeitern und Kunden dankbar. Sie sieht und sie hört, es ist keine der offensichtlichen Behinderungen, die sie beeinträchtigen. Es waren die Erfahrungen, die sie machte, die ihr die uns meist normale Leichtigkeit des Lebens nahm. Ihre Empfindungen sind daher unseren nicht gleichzusetzen. Es gibt unterschiedliche Trigger (auslösende Faktoren), die ein normales Leben, wie wir es empfinden, nicht erlauben. Genau hier hilft ihr der Hund. Er erkennt die persönliche Gefahr und weiß, sie im richtigen Moment abzulenken und zu warnen, noch bevor sie selbst die nahende und für sie bedrohliche Situation wahrnimmt. So kann sie entsprechend frühzeitig für sich sorgen.

Nicht gewappnet ist er jedoch gegenüber spontanen Reaktionen. Dann steht sie allein da. Fragen wie “Bilden Sie den Hund für einen Blinden aus?“, mögen höflich gemeint sein, für sie sind sie jedoch belastend, denn sie bedürften einer Erklärung. Aussagen wie “Sie brauchen doch gar keinen Assistenzhund“, ohne nach den Hintergründen zu fragen, seien für sie sehr verletzend. Schließlich sind es oft die unsichtbaren Narben, wie sie auch auf der Seele liegen können, die am meisten schmerzen. Würden Menschen auf optische Signale achten – der Hund trägt eine Kenndecke – und daraus ihre Handlungen ableiten, blieben ihr einige belastende Situationen erspart.

Ist es die Unwissenheit? Die Leichtfertigkeit, in der wir oftmals anderen Menschen gegenübertreten? Diskriminierende Blicke träfen sie sehr oft und noch immer seien Menschen, die im täglichen Leben auf Hilfsmittel angewiesen sind, im falschen Fokus des Interesses. Jüngst sei es zu einer Diskussion in einem Discounter gekommen, in dem ihr der stellvertretende Filialleiter das Betreten des Marktes in Begleitung des Hundes verbieten wollte, so erzählt sie. Und hier ist sie kein Einzelfall. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes verzeichnete in den Jahren 2018/2019 bundesweit 18 Fälle gleichen Inhaltes. Hygienevorschriften werden als Entscheidungsgrundlage für das Zutrittsverbot angeführt.



Dazu gibt es jedoch entsprechende Aussagen des Robert Koch Institutes, welche diese Bedenken eindeutig widerlegen. Was im Bereich des Einzelhandels passiert, ereignet sich auch in Arztpraxen und Kliniken, hier wurden sechs Fälle erfasst. Wie oft jedoch passiert es wirklich? Denn noch lange nicht jede dieser Situationen wird von den Betroffenen auch gemeldet.

Man kann natürlich Gesetzestexte zitieren, publizieren, über Gleichstellung schreiben oder die Begrifflichkeit der Inklusion erörtern. Es erfordert Aufmerksamkeit und Ausbildung an den richtigen Stellen. Es bedarf einer einfachen Information an strategisch günstigen Orten, die in Kurzfassung aufklärt und damit belastende Situationen für die gesundheitlich beeinträchtigten Menschen verhindert.

Der Pfotenpiloten e. V. hat dazu ein Konzept erarbeitet. Flyer, Poster und Aufkleber können dort beispielsweise bezogen werden. Platziert im Fenster des Eingangsbereiches eines Lebensmittelgeschäftes können so alle Kunden informiert werden. Dass Assistenzhunde nicht angefasst werden sollen, dass die Besonderheiten eines Menschen zur Normalität des Lebens gehören, dass Respekt und Verständnis ein Teil unseres Sozialverhaltens sein sollten, dies wird ein Lernprozess bleiben.

Wie verhält man sich gegenüber einem Assistenzhund richtig?
Atréju ist kein Labrador oder Golden Retriever, die man sonst als arbeitende Assistenzhunde häufig wahrnimmt. Er ist Eurasier. Viele Hunderassen sind zum Assistenzhund geeignet und werden nach Rücksprache mit dem Assistenzhund Trainer individuell passend ausgewählt. Ein kuschelig anmutender und freundlicher Hund, der so manchen Hundefreund zum Streicheln einlädt. Dabei lenkt dies Assistenzhunde von ihrer, für den Halter so wichtigen, Arbeit ab.

Assistenzhunde im Dienst sollte man nicht stören oder ablenken. Das heißt, den Assistenzhund nicht anfassen, streicheln, anstarren, locken oder füttern. Eigene Hunde sollte man daran hindern, zum “Assistenzhund im Dienst“ zu laufen. Am besten hält man einen entsprechenden Abstand zum Assistenzhund ein. In der Freizeit des Assistenzhundes, sowie der Hundeschule, erhält dieser auch die Gelegenheit zu sozialen Kontakten unter Artgenossen.

Für manch Außenstehenden mag das Anzeigen eines Assistenzhundes auch irritierend wirken. So hilft ein Anstupsen oder ein Anspringen des Halters diesem Menschen, sich selbst zu helfen. Mitunter führt er seinen Menschen zügig zum Ausgang, zeigt ihm eine Sitzgelegenheit an, was leicht als Unerzogenheit des Tieres interpretiert werden kann. Dabei sind es genau diese Fähigkeiten, die ihn so besonders machen.

Der Assistenzhund lernt in seiner langen intensiven Ausbildung von circa 18 bis 24 Monaten je nach Situation und Partner entsprechend richtig zu reagieren. Wer das nicht kennt, der denkt dabei eventuell an betteln nach Leckerlis oder Ungehorsam. Dabei hilft genau dieses Verhalten des Hundes seinem Menschen.

Einige Assistenzhunde, wie die der Epileptiker, tragen auch eine Notfalltasche und bitten Außenstehende um Hilfe. Sie werden im Notfall eindeutig auf sich aufmerksam machen, um dem Herrchen oder Frauchen womöglich das Leben zu retten. Entsprechende Informationen findet man dann in der Notfalltasche.

Wird der Einsatz eines Rettungswagens erforderlich, sollte der Assistenzhund nicht von seinem Menschen getrennt werden. Der Mittransport ist gesetzlich genehmigt.

Wer mehr über Assistenzhunde erfahren möchte, kann die Besitzer einfach vorsichtig und sensibel fragen. Einige Assistenzhund-Halter sind je nach Situation sicherlich gern bereit, allgemeine Fragen zu beantworten. Ansonsten kann man sich auch gerne über die Pfotenpiloten informieren.

Quellen:
(1) Sdr_3120019121313300 (antidiskriminierungsstelle.de)
(2) § 12e BGG - Einzelnorm (gesetze-im-internet.de)
(3) 7 Barrieren zum Assistenzhund: So überwinden wir sie (pfotenpiloten.org)
(4) Gespräch mit Atréju und seinem "Schützling". Name und Wohnort bleiben zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte anonym.



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