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Nachricht vom 11.04.2022    

Mahnende Erinnerung an die Opfer der NS-Zeit: Engers stellt Gedenkstein auf

"Damit aus Erinnerung Erkenntnis wird", so lautet die eingravierte Mahnung auf den Gedenkstein, der seit Samstag (9. April) auf dem Kunosteinplatz im Neuwieder Stadtteil Engers steht. Die Engerser Initiativgruppe hat ihn mit Unterstützung vieler Helfer aufgestellt, um dem Vergessen entgegenzuwirken.

Der Gedenkstein auf dem Engerser Kunosteinplatz soll dem Vergessen entgegenwirken. (Fotos: Jürgen Grab)

Neuwied-Engers. Bei der offiziellen Einweihung des Gedenksteins hatten die Beteiligten viel zu sagen und erschütternde Details aus der Nazi-Zeit zu berichten: Der engagierte Engerser Bürger Günther Salz hatte bereits zwei Bücher herausgebracht und mehrere Artikel in den Heimat-Jahrbüchern des Landkreises Neuwied geschrieben, die sich mit den Lebensläufen Engerser Einwohner während der Schreckensherrschaft des faschistischen Naziregimes befasst haben. Bei all seinen Recherchen musste Günther Salz bestürzt feststellen, dass es immer noch Widerstände, Verharmlosungen und Umdeutungen gegenüber den ausgewiesenen Fakten einer Wieder-Erinnerung des Geschehens während der NS-Schreckensherrschaft gibt. Nicht zuletzt mit seinen Büchern und Veröffentlichungen will Salz und mit ihm der Deutsch-Israelische Freundeskreis und eben auch die Engerser Initiativgruppe dem Vergessen entgegenwirken und dazu beitragen, dass sich ein solches Willkür-Geschehen niemals mehr wiederholt.

In diesem Zusammenhang erwähnte er auch das Schicksal der jüdischen Familie Mendel aus Engers, die im Ort zunächst von den örtlichen Nationalsozialisten drangsaliert und in den wirtschaftlichen Ruin getrieben und später dann mit allen Mitteln aus Engers und später aus Niederbieber vertrieben wurden. Nach ihrer Flucht aus der Region verliert sich die Spur der Mendel-Familie und bis heute ist unklar, wie und wo ihr Schicksal endete. Neben Günther Salz war es Friedel Kupfer, der über eine Vielzahl von Engerser Opfern und Verfolgten berichtete, die allesamt unter dem Nazi-Regime gelitten haben, wobei darunter auch die polnischen und russischen Zwangsarbeiter zu finden waren, von denen elf bei ihrem Einsatz zu Tode gekommen sind. "Wir erinnern an all diese Menschen und denken darüber nach, wie das Unheil über unsere Vorfahren kommen konnte und wie ein solches künftig zu vermeiden ist", betonte Friedel Kupfer in seiner Rede auf dem Kunosteinplatz. Schließlich widmeten sich Initiativen-Mitglieder weiteren Bürgern des Ortes, deren Schicksale häufig mit Inhaftierung oder gar mit dem Tod endeten.

Voller Abscheu
Berthold Langenfeld widmete sich in seinem Beitrag dem Judentum und damit der Menschen, an denen der Zivilisationsbruch besonders unmenschlich verübt wurde, wobei alle Gedenken-Teilnehmer sich voller Abscheu über den derzeit wieder erkennbaren Judenhass äußerten.

Anne Basten trug Auszüge aus dem "Schwur von Buchenwald" vor, der als Vermächtnis der kommunistischen Gefangenen dort gilt. Helmut Gelhard las Auszüge aus Briefen des jüngeren Bruders des vormaligen polnischen Zwangsarbeiters Franziscek Matzac, der beschuldigt wurde, sich mit einem deutschen Mädchen "eingelassen" zu haben und schließlich für dieses "Vergehen" im Engerser Feld erhängt wurde.

Gerne unterstützte auch die Stadt Neuwied und der Engerser Ortsbeirat die Vorhaben der Initiativgruppe. So spendete der Ortsbeirat mit seinem Vorsitzenden Dieter Neckenig, der bei der Gedenkstunde eine mahnende Rede hielt, eine erhebliche Summe für die Fertigstellung des Gedenksteinareals und forderte, ebenso wie Günther Salz und die beiden örtlichen Geistlichen Pfarrer Hartmut Ohlendorf und Peter Dörrenbächer, die die Einsegnung des Gedenksteines vornahmen, ein stetes Eintreten für den Frieden und für entsprechenden Widerstand gegen Judenhass und Fremdenfeindlichkeit.



Erinnerungskultur ist wichtig
"Damit aus Erinnerung Erkenntnis wird", so lautet die auf dem Stein eingravierte Mahnung, die alle Sprecher an diesem Nachmittag mehrfach als Maxime für alle gesellschaftlichen Gruppen einforderten. Oberbürgermeister Jan Einig zeigte sich beeindruckt vom Engagement einiger Bürger, die eine Initiative gebildet haben, die durchaus eine gesamtgesellschaftliche Relevanz hat, und dankte ihnen für die Entstehung eines Projektes, das vor mehr als 20 Jahren seinen Anfang genommen hat. "Die Inititativgruppe setzt mit der Installierung dieses Gedenksteins ein Zeichen dafür, dass das Erinnern ein lebendiger Prozess ist und auch weiterhin seine Bedeutung hat. Erinnern heißt auch, sich für Freiheit und Toleranz und damit für die Werte der Demokratie unabdingbar einzusetzen", erklärte der Neuwieder Oberbürgermeister, der den Mitgliedern der Gruppe für deren Erinnerungskultur und für deren grundsätzlich demokratische Haltung in diesen schwierigen Zeiten seine Hochachtung aussprach.

Von Günther Salz und den weiteren Gruppenmitgliedern kamen vielfältige Informationen über ehemalige Bewohner des Ortes und andere Personen, die in Engers weilten und aus diversen Gründen das Missfallen der örtlichen Nazi-Prominenz erregt und deren menschenverachtende Reaktionen nach sich gezogen haben. Die Sanktionen der örtlichen Nationalsozialisten gegen angebliche Rechtsbrüche und Widerstandsverhaltens gegen Partei und Staat reichten vom Jugendarrest für einen Jugendlichen, der nicht in die NS-Jugendorganisation eintreten wollte, über stetige Repressalien gegenüber missliebigen Bürgern bis hin zur "Schutzhaft" und schließlich zur Inhaftierung eines aktiven Kommunisten und dessen Unterbringung in einem Konzentrationslager, wo auf ihn unsägliche Qualen und der wahrscheinliche Tod warteten.

Günther Salz zeigte sich abschließend über das Kommen von annähernd 100 Bürgern und sowie über die Ausführungen der beiden Geistlichen bei der Segensweihe des Gedenksteins entsprechend beeindruckt und zollte all den Menschen und Institutionen seine Dankbarkeit, die an der Herstellung und Aufstellung des Gedenksteines mit der Inschriftentafel beteiligt waren. Seinen ausdrücklichen Dank sagte Salz auch den beiden Musikern Herbert Schmidt (Akkordeon) und Manfred Pohlmann (Gesang und Gitarre), die dieser beeindruckenden Gedenkstein-Einweihung ein besonders nachhaltiges Gepräge gaben. (Jürgen Grab)


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