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Nachricht vom 07.04.2022    

Alles klar, Herr Kommissar? - Ist "Morgens um sieben" die Welt noch in Ordnung?

Von Jörg Schmitt-Kilian

KOLUMNE | Obwohl ich die Frage meist mit "Nein" beantworte, habe ich diesen Songtitel des Extremmusikers Falco als Überschrift für meine Kolumnen gewählt. Ich werde Geschichten aus dem Leben erzählen, Antworten auf Ereignisse im polizeilichen Alltag suchen und möchte Leser sensibilisieren, ihre eigene Haltung zu überprüfen und mit anderen zu diskutieren.

Zeichnung unseres Kolumnisten von Hannes Dietze.

Hamm/Sieg. Die Frage, ob “Morgens um sieben“ die Welt noch in Ordnung ist, beantworte ich mit “vielleicht“ und erinnere mich an Begegnungen mit suchtkranken Menschen im Umfeld der Diskothek “Morgens um sieben“. Dieser “Musikladen“ in Hamm/Sieg war in den 80er-Jahren DER Treffpunkt für viele Drogenkonsumenten aus dem Dreiländereck. In Hamm wurde nicht nur Shit (Cannabisharz) und Marihuana (Cannabiskraut) verkauft, sondern die Region war Anlaufstelle von Konsumenten harter Drogen (im Amtsdeutsch der polizeilichen Kriminalstatistik KhD). Da es sich rumgesprochen hatte, dass die “Versorgung mit Heroin“ nicht nur in Frankfurt und Köln, sondern auch in der ländlichen Region “gesichert“ sei, pilgerten jedes Wochenende Disco-Besucher (nicht alle konsumierten illegale Drogen) aus umliegenden Dörfern und angrenzenden Bundesländern nach Hamm/Sieg, einige waren noch keine 16 Jahre alt.

Zurück zur eigentlichen Frage: Solange die Heroinspritze wirkt, fühlen Fixer sich “in Watte eingehüllt und wie im Bauch der Mutter geborgen“ und im Rauschzustand ist morgens um sieben (Uhr) die Welt noch in Ordnung. Aber spätestens, wenn die Entzugserscheinungen den Körper überfallen (einen Affen schieben) zerbricht diese Scheinwelt. Diese Phase wird auch cold turkey (kalter Truthahn) genannt, da sich eine Gänsehaut bildet und an einen kalten Truthahn erinnert. Aber zuvor beginnen das erste Zittern und der Schnupfen. Die Hände zucken wie die Pfoten eines schlafenden Hundes. Die Handflächen werden feucht. Schüttelfrost lässt den Körper erfrieren. Gleichzeitig fließt heißer Schweiß. Über das Gesicht. Über die Hände. Überflutet den ganzen Körper. Spätestens dann muss ein Junkie die Entzugserscheinungen wegdrücken und eine neue Einstichstelle neben den vernarbten Punkten finden, die sich an den Unterarmen wie eine blau gefärbte Perlenschnur aneinanderreihen. “Gib dem Affen Zucker“, fordert der Körper und in dieser Phase des cold turkey ist morgen ums sieben nichts mehr in Ordnung



Apropos cold turkey
Ich erinnere mich an die Antwort des Bundesdrogenbeauftragen Eduard Lintner (1992-1998) auf die Frage eines Journalisten zu cold turkey. Er soll sinngemäß geantwortet haben: “Cold turkey ist eine besonders gefährliche Droge, die schnell süchtig macht.“ Wollen wir hoffen, dass Burkhard Blienert, seit Januar neuer Beauftragter der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen, sich mehr über illegale Substanzen und deren unterschiedliche Wirkungen informiert. Ich habe weder Herrn Lintner gekannt und an den “Neuen“ gestern eine Anfrage zu der im Koalitionsvertrag vereinbarten Cannabisfreigabe gestellt, aber ich kenne Sabine Bätzing-Lichtenthäler aus dem Westerwald und sie hat als noch junge Frau von 2005 bis 2009 als Drogenbeauftragte der Bundesregierung einen “guten Job gemacht“. Hui Wäller allemol!



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