Krimi „Ostfriesenangst“ von Klaus-Peter Wolf wird im ZDF gezeigt
Am 20. März wird um 20.15 Uhr im ZDF die Verfilmung von „Ostfriesenangst“ laufen. Bisher waren alle Verfilmungen von Wolf Einschaltquotenhits, „Ostfriesenkiller“ gehörte sogar zu den drei meistgesehenen Filmen des Jahres. „Ostfriesenangst“ bedeutet dem Autor besonders viel. Davon erzählt er im Interview.
Norden/Wissen. Die Verfilmung Ihres Kriminalromans „Ostfriesenangst“ läuft am Samstag im ZDF zur Primetime. Ihr neuer Roman „Ostfriesenzorn“ ist seit vier Wochen das meistverkaufte Buch in Deutschland. Wie fühlt sich das an?
Klaus-Peter Wolf: Ein bisschen unwirklich ist es immer noch für mich. Ich habe vierzig Jahre lang ein nicht immer leichtes Leben als freier Schriftsteller geführt. Manchmal wusste ich nicht, wie ich die Miete bezahlen sollte und in dem Viertel, in dem ich wohnte, kannte ich jeden Gerichtsvollzieher persönlich. Einige habe ich geduzt, sie waren nette Kerle und bei mir war nichts zu holen.
Das hat sich mit mehr als 13 Millionen verkaufter Bücher sicherlich geändert?
Klaus-Peter Wolf: Na klar. Aber um Geld ist es nie gegangen.
Sondern?
Klaus-Peter Wolf: Ich wurde nach dem Krieg in einer schweigenden Gesellschaft groß. Den einen war peinlich, was sie getan hatten, die anderen fürchteten, die junge Demokratie könne wieder zur Nazi-Diktatur werden und sie verhielten sich weiterhin ängstlich.
Sprechen Sie aus Erfahrung?
Klaus-Peter Wolf: Ja, in meiner Familie wurden Juden versteckt, die die schlimme Zeit auch überlebt haben. Ich habe als kleiner Junge „Tante Sophie“ noch kennengelernt. Sie war nicht meine richtige Tante, aber so wurde sie mir vorgestellt. Eigentlich hätten meine Großeltern Helden sein können, doch sie schwiegen als hätten sie etwas Schlimmes getan, denn sie hatten immer Angst davor, alles könnte sich wieder drehen und sie könnten verhaftet werden für das, was sie getan hatten. Ich glaubte sogar, sie hätten während des Faschismus Schuld auf sich geladen und würden deswegen schweigen. Es war aber nicht so. Das Gegenteil war der Fall. Vielleicht liegen da die Wurzeln, dass ich die Welt erzählerisch begreifen wollte. Geschichten waren für mich wichtig. Ich las alles, was ich in die Finger bekam und wollte selber Schriftsteller werden.
Das wussten Sie schon sehr früh?
Klaus-Peter Wolf: Spätestens, seit ich acht Jahre alt war, habe ich jedem erzählt, ich wolle Schriftsteller werden. Ich bin natürlich viel ausgelacht worden. Aber ich blieb meinem Traum immer treu.
Der Anfang war nicht leicht, oder?
Klaus-Peter Wolf: Ich wurde im Ruhrgebiet groß und geriet dort sofort unter den Einfluss schreibender Arbeiter. Das war damals eine richtige Bewegung. Noch heute gehören einige ihrer Repräsentanten zum Kanon der deutschen Literatur, zum Beispiel Max von der Grün. Bei ihnen lernte ich. Sie haben mich, den vierzehnjährigen Jungen, ernst genommen. Im Hause des Schriftstellers Philipp Wiebe lernte ich Heinrich Böll kennen und viele andere große Literaten. Ich habe erst viele Jahre später begriffen, welch großes Privileg es war, von diesen Menschen ernst genommen und angenommen zu werden. Ich ging noch zur Schule, aber meine Kurzgeschichten erschienen schon in den großen Tageszeitungen. Die Redakteure wussten gar nicht, dass die Geschichten von einem Schüler kamen, der sie teilweise während des Unterrichts schrieb. Damals konnte es durchaus passieren, dass auf einer Seite im Kulturteil eine Kurzgeschichte von Heinrich Böll und eine von mir abgedruckt wurde. Es gab Geschichten, die wurden dreißig-, vierzigmal gedruckt. Manchmal verdiente ich mehr als mein Vater. Das war nicht nur leicht, damit müssen beide Seiten ja auch erst lernen, umzugehen.
Sie blieben aber nicht immer so auf der Erfolgsspur.
Klaus-Peter Wolf: Keineswegs. Die Situation für deutsche Autoren war damals schwierig. Die Bestsellerlisten wurden von amerikanischer und skandinavischer Spannungsliteratur beherrscht. Deutsche Autoren nahm man meistens nur ernst, wenn sie über den Krieg schrieben, die Vergangenheit aufarbeiteten. Spannungsliteratur von deutschen Autoren galt als unlesbar und bemüht. Die großen Werbeetats bekamen andere. Ich gründete damals zusammen mit dreizehn anderen Autoren den Literarischen Verlag Braun. Wir wollten (Wolf lacht) den Bertelsmännern zeigen, wie man Bücher macht. Ich wurde zum Geschäftsführer gewählt. Ich führte den Verlag wie ein Geisteskranker. Es endete damit, dass ich 2,7 Millionen D-Mark Schulden hatte. Ich war damals 25 Jahre alt.
Und dann?
Klaus-Peter Wolf: Einige ganz Schlaue strengten Prozesse gegen mich an. Ich hatte nichts mehr. Sogar meine Schreibmaschine wurde gepfändet. Wir mussten aus dem Haus raus … Ach, es war eine harte Zeit, die mir heute natürlich sehr nutzt.
Wie darf man sich das vorstellen?
Klaus-Peter Wolf: Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn jemand am Abgrund steht. Ich kenne das Gefühl existenzieller Not. Ich weiß, wie es ist, Verachtung zu spüren und ausgegrenzt zu sein. Für einen Schriftsteller ist so etwas nicht unwichtig. Ich kann Figuren schildern, die in den Höllenschlund gestürzt sind und eine Tür suchen. Literarisch war das sehr nützlich. Privat eine Katastrophe.
Wie sind Sie rausgekommen? Haben Sie die Tür gefunden?
Klaus-Peter Wolf: Fast zwanzig Jahre lang ist mir das nachgelaufen. Ich habe mehr als 150 Stunden Fernsehen gemacht, Serien geschrieben, aber auch Psychothriller, „Polizeiruf 110“, „Tatort“. Ich glaube, es gibt keinen Sender in Deutschland, für den ich nicht gearbeitet habe. Manchmal für drei gleichzeitig.
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Haben Sie nicht auch für die Akademie von ARD und ZDF unterrichtet?
Klaus-Peter Wolf: Ja, viele Jahre lang habe ich dort Kurse in Dramaturgie, Dialogführung und Figurenentwicklung gegeben, für junge Regisseure und Drehbuchautoren.
Sie haben Drehbuchpreise auf drei Kontinenten bekommen. Warum schreiben Sie die Drehbücher für die Verfilmungen Ihrer Romane nicht selbst?
Klaus-Peter Wolf: Früher habe ich das getan. Meine Romane werden ja nicht erst seit den Ostfriesenkrimis verfilmt. Ursprünglich gab es auch eine Absprache mit dem ZDF, dass ich die Drehbücher selbst schreibe. Aber dann musste ich mich entscheiden. Zusammen mit meiner Frau Bettina Göschl mache ich ja ausgedehnte Lesereisen durchs ganze Land. Wir nennen das literarisch-musikalische Krimiabende. Dazu schreiben wir gemeinsam eine Kinderbuchreihe, „Die Nordseedetektive“ und ich selbst verfasse einen, meist zwei, Romane pro Jahr. Da wurde die Zeit zum Drehbuchschreiben knapp. Drehbucharbeit ist, wenn die Geschichte steht und die Dialoge da sind, ja ein Handwerk. Die Arbeit konnte ich in die Hände sehr guter Drehbuchautoren legen, die ich natürlich berate.
„Ostfriesenangst“ war der sechste Roman und Ihr eigentlicher Durchbruch.
Klaus-Peter Wolf: Ja, genau so ist es. Damit hat niemand von uns gerechnet. Der Roman hatte praktisch keinen Werbeetat. Aber inzwischen hatten die Bücher doch eine Reihe Fans, die sich auf den neuen Roman freuten, ihn vorbestellt hatten und gleich bei Erscheinen in ihrer Buchhandlung abgeholt haben. Die erste Auflage war praktisch in den ersten zwei Tagen verkauft und das Buch stieg in den Top Ten in der Spiegel-Bestsellerliste ein. Die wird nach reinen Verkäufen ermittelt, da fällt die Entscheidung an der Kasse. Der Verlag musste übers Wochenende eine Notauflage drucken, um am Montag wieder lieferfähig zu sein.
War das Ganze vorher nicht absehbar?
Klaus-Peter Wolf: Nein, überhaupt nicht. Ich habe mir mein Publikum wirklich auf langen Tourneen erlesen. Am Anfang war das schwierig. Bei der ersten Lesung in Leer hat die Stadt ihrem Namen alle Ehre gemacht. Es sind sieben Gäste gekommen. Ich war damals froh, wenn zu meinen Veranstaltungen fünfzehn oder zwanzig Leute kamen.
Später wurden große Events daraus!
Klaus-Peter Wolf: Ja, jetzt sind die Stadthallen und Theater meist Monate vorher ausverkauft. Bettina summt zu Beginn die Titelmelodie, singt dann ihre Krimilieder und ich lese vor. Integriert sind Signierstunden, meist vorher, in der Pause und auch nachher. Ich liebe diese Veranstaltungen. Viele finden ja auch im Sommer auf den Inseln statt, traditionell auf Langeoog, Wangerooge, jetzt sind auch Auftritte auf Norderney geplant.
Der Aufritt im Kulturwerk Wissen musste ja letztes Jahr coronabedingt verschoben werden, wir hoffen natürlich sehr, dass es am 15. September klappt.
Locken Ihre Bücher viele Touristen nach Ostfriesland?
Klaus-Peter Wolf: Das kann man wohl sagen. Sie besuchen dann gern die Schauplätze der Romane. Es gibt ganze Bustouren, Stadtführungen, aber viele machen es auch auf eigene Faust. Sie wollen dann zum Beispiel im Café ten Cate an dem Tisch sitzen, an dem der Serienkiller Dr. Bernhard Sommerfeldt seine Frau Beate kennengelernt hat.
Ihre Morde sind aber nicht echt und die Serienkiller frei erfunden!
Klaus-Peter Wolf: Viele Figuren meiner Bücher gibt es wirklich. Das ist ganz wichtig für mich. Ich wollte reale Menschen in meine Geschichten holen und von ihnen erzählen. Der Maurer Peter Grendel, der Konditor Jörg Tapper, auch meiner Frau, die Sängerin Bettina Göschl, spielen eine wichtige Rolle in meinen Büchern. Es stimmt also alles, das Personal, die Schauplätze, nur den Mord erfinde ich, weil ich hoffe, dass sich meine Leserinnen und Leser besser unterhalten fühlen, wenn sie wissen, dass niemand wirklich leiden musste. Es gibt auch eine ganz andere Kriminalliteratur, die erzählen wahre Fälle nach, dafür stimmt der ganze Rest nicht. Er muss ja verfälscht werden, damit sie sonst nicht von den realen Personen verklagt werden. Das ist bei mir genau andersherum.
Und wenn Ihre real existierenden Figuren dann im Film mitspielen, wie wird das gemacht? Spielen die sich selbst?
Klaus-Peter Wolf: Ich habe mit der Filmproduktion ausgehandelt, dass sie bei der Besetzung der Rollen ein Mitspracherecht haben. So wird zum Beispiel der Maurer Peter Grendel von dem wunderbaren Schauspieler Andreas Euler gespielt. Die beiden haben sich kennengelernt, waren sofort ein Herz und eine Seele, haben sich prima verstanden, und so muss das auch sein. Jörg Tapper hat bis jetzt meist sich selbst gespielt, wie das bei größeren Sprechrollen wird, muss man dann sehen.
Werden Sie auch in „Ostfriesenangst“ wieder einen kleinen Auftritt haben?
Klaus-Peter Wolf: Bettina und ich haben ja immer so kleine Cameo-Auftritte. Das verdanken wir dem alten Hitchcock. Bei der Verfilmung von „Ostfriesenkiller“ war es der Filmproduktion wichtig, dass man uns einmal sieht, damit klar wird, dass wir mit der Verfilmung einverstanden sind. Für viele Fans ist es jetzt ein zusätzlicher Spannungsfaden, wann man uns beide entdeckt. Klar sind wir auch in „Ostfriesenangst“ wieder dabei.
Ich wünsche Ihnen eine Riesen-Quote am Samstagabend.
Klaus-Peter Wolf: Herzlichen Dank!
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