Vorurteile auf dem Prüfstand: Ist BDSM wirklich so anrüchig?
Im Vergleich zu früheren Zeiten ist die Gesellschaft heute auch in erotischer Hinsicht deutlich offener geworden. Nicht zuletzt durch den Erfolg von „50 Shades of Grey“ ist auch der Knoten hinsichtlich der härteren Erotik bei vielen Menschen geplatzt. Andere betrachten die Veränderungen eher skeptisch: Sind die jetzt wirklich alle verrückt oder gar pervers geworden? Zeit, einige Vorurteile genauer zu hinterfragen.
BDSM ist gefährlich!
Ja. Die Missionarsstellung ist es aber auch und die Reiterstellung ohnehin. Tatsache ist: BDSM erfordert Wissen und Einfühlungsvermögen, dann ist das Risiko ernster gesundheitlicher Schäden äußerst gering. Die meisten Freunde von Bondage und anderen härteren Spielarten wissen nicht nur ganz genau über die Materie Bescheid. Sie klären auch im Vorfeld jeder Session ab, wie belastbar ihr Gegenüber in der jeweiligen Situation ist. Ein sogenanntes Safeword wird vorher vereinbart. Sobald es genannt wird, ist das Spiel sofort unterbrochen oder gar beendet.
Ein Strapon ist ein Machtwerkzeug!
Es stimmt, dass viele dominante Damen den einen oder anderen Umschnalldildo in ihrem Fundus haben. Allerdings ist der Rollentausch beim Sex nicht zwangsläufig mit einem Machtgefälle gleichzusetzen, sondern kann auch ganz kuschelig praktiziert werden. Immer mehr Männer entdecken das angenehme Gefühl einer Prostatastimulation für sich, zudem kann der Sex durch dieses Spiel zeitlich in die Länge gezogen werden. Außerdem bietet sich ein Strapon natürlich für den gleichgeschlechtlichen Sex unter Frauen an.
BDSM hat immer mit körperlichem Schmerz zu tun!
Nein. BDSM ist ein mehrschichtiges Akronym, das sich aus den Anfangsbuchstaben der englischen Wörter „Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism“ zusammensetzt. Es geht also um die Fesselung und Fixierung, Dominanz und Unterwerfung sowie Sadismus und Masochismus. Fast jeder, der sich für „BDSM“ begeistern kann, bezieht nur einen Teil der genannten Begriffe auf sich. Einige Paare ziehen ihren Lustgewinn aus der gegenseitigen Fesselung, für andere steht das Machtgefälle zwischen Domina und Sklaven (beziehungsweise der umgekehrten Konstellation) im Vordergrund. Wieder andere beschränken sich auf das Zufügen oder das Erdulden von körperlichem Schmerz. Nicht immer sind die Rubriken klar voneinander abgegrenzt. Die Konstellationen und Bandbreiten sind aber fast grenzenlos.
Lack, Leder, Latex und Ketten gehören unbedingt zum BDSM!
Viele, aber bei Weitem nicht alle BDSM-Anhänger wissen diese Elemente für ihre Erotik sehr zu schätzen. Doch auch hier gibt es keine Vorgaben, wer welche Kleidung in welchen Momenten anzuziehen hat. Auch ist es nicht so, dass sich bestimmte Stoffe mit einer Rolle fest in Verbindung bringen lassen. Außerdem gibt es eine große Anzahl an reinen Fetischisten, die sich zwar für das Material begeistern können, mit BDSM aber eigentlich nichts am Hut haben.
BDSM ist pervers!
„Pervers ist, wenn niemand mehr freiwillig mitmacht!“ Ansonsten gilt: erlaubt ist, was den Beteiligten gefällt und keine anderen Menschen in der eigenen Freiheit beschränkt. Viele Anhänger der Szene verhalten sich sogar verantwortungsbewusster als sogenannte „Stinos“ (Szene-Jargon für „Stinknormale“). Denn BDSM beruht stets auf Kommunikation in Verbindung mit gegenseitigem Respekt und einem Höchstmaß an Einfühlungsvermögen. Man geht offen mit der eigenen Erotik und den damit verbundenen Vorlieben um und versucht nicht krampfhaft, jeden Deckel auf jeden Topf zu quetschen. Anhänger der BDSM-Szene sind gerade deshalb im höchsten Masse tolerant und haben keinerlei Problem mit Diversität. Insofern sind BDSMler also echte Vorbilder für eine bunter werdende Gesellschaft. (prm)
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