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Nachricht vom 30.11.2020
Kultur
Klara trotzt Corona im Advent
Von dem Autoren-Duo Christiane Fuckert und Christoph Kloft gibt es in den vier Adventswochen noch einmal (jeweils wöchentlich) kurze Klara-Episoden. So können unsere Leser/innen sich während des neuen Lockdowns noch viermal bis Weihnachten an der resoluten Limburger Pfarrhausköchin und ihrem gutmütigen Pfarrer van Kerkhof erfreuen.
SymbolfotoKölbingen. Die Folge zum 1. Advent:
„Herr Pfarrer, jetzt rücken Sie doch mal ein Stück mit Ihrem Stuhl nach hinten, der ganze Tisch ist doch eingemehlt!“ Mit kräftigem Händedruck knetete Klara einen goldgelben Klumpen Teig durch, bei dessen Anblick die Augen ihres Chefs leuchteten. „Sie haben besonders gute Eier verwendet“, stellte van Kerkhof fest.

„Das will ich meinen“, erwiderte Klara ein wenig atemlos. „Trotzdem bekommen Sie von dem rohen Teig nichts ab. Erstens werden Sie demnächst mehr als genug Plätzchen essen und zweitens ist es nicht sicher, ob das Coronazeug nicht auch in Hühnerställen rumschwirrt. Oder können Sie mir beweisen, dass das nicht so ist?“

„Natürlich kann ich das nicht, liebe Klara, dennoch sollten wir unsere Angst vor dem Virus nicht übertreiben.“ „Bisher sind wir mit unserer Vorsicht aber gut davongekommen, Herr Pfarrer, und jetzt brauche ich das Nudelholz. - Da, mittlere Schublade rechts!“ Ihr weiß bestäubter Zeigefinger deutete auf den Küchenschrank. „Und den Backofen können Sie auch schon auf hundertachtzig Grad stellen.“

„Ganz wie Sie wünschen.“ Van Kerkhof erhob sich und schob sich an Klara vorbei, und noch während er konzentriert am Schalter des Backofens drehte, erhielt er die nächste Order. „Machen Sie das Radio doch gerade mal etwas lauter. Hach, wie schön, die Weihnachtslieder“, schwärmte Klara und summte mit zu dem Kindergesang, der kurz darauf die Küche des kleinen Pfarrhauses ausfüllte.

„Ja, diese Lieder gehören doch jedes Jahr zu unserem Plätzchenbacken dazu“, schloss sich van Kerkhof Klaras Begeisterung an. „Einmal nichts mit Corona, nur die Vorfreude auf den 1. Advent.“ Er reichte Klara das Nudelholz, und diese begann mit ausholenden Bewegungen, den gelben Klumpen auf dem Tisch nach allen Seiten hin auszurollen.

„Und jetzt brauche ich die Förmchen zum Ausstechen“, sagte Klara mit zufriedenem Blick auf die gelungene plattgewalzte Teigmasse. „Zuerst eine Reihe Mondgesichter“, beschloss sie, „und jetzt eine ganze Reihe von Sternen.“ Zufriedenheit und Harmonie sprachen aus jedem ihrer Worte, bis sie plötzlich schimpfte: „Finger weg vom Teig, Herr Pfarrer! Dass ich die Ränder abschabe, heißt noch lange nicht, dass die für Sie sind! Die knete ich wieder zusammen und rolle sie neu aus.“ Kopfschüttelnd fügte sie ihrer Rüge hinzu: „Jedes Jahr dasselbe mit diesem Mann! Als wäre er noch im Kindergarten!“

Van Kerkhof schmunzelte vor sich hin und ließ genüsslich ein bonbongroßes Stück des rohen Plätzchenteiges im Mund zergehen. „Wo Sie gerade von Kindern sprechen“, begann er, „es kann ja in diesem Jahr kein Krippenspiel stattfinden. Wie wäre es, wenn Sie ein paar Plätzchen mehr backen und wir den Kommunionkindern in unserer Pfarrei eine kleine Gebäcktüte zukommen lassen?“

Klara hielt kurz inne. „Eine gute Idee“, bestätigte sie gleich darauf eifrig. „Wir ziehen diese Plätzchen bei Ihnen ab und Frau Wischnewski kann Tütchen füllen und sie rundtragen. Da würden Sie über die Weihnachtszeit nicht so viel zunehmen und Ihre Sekretärin könnte mal etwas wirklich Sinnvolles in ihrer Freizeit tun!“ Die Schärfe des letzten Satzes brachte den Pfarrer zum Seufzen. „Ach Klara“, sagte er resigniert, „wann werden Sie Frau Wischnewski endlich einmal so akzeptieren, wie sie ist?“

„Ganz einfach: Dann, wenn sie endlich einmal anders ist als bisher! Nicht mehr so eingebildet und besserwisserisch. Und vor allem sollte sie nicht mehr so aufgetakelt herumlaufen!“ Mit Schwung ließ Klara die Klappe des Backofens aufschnellen. „Im Sommer sah das aber noch ganz anders aus“, versuchte van Kerkhof, seine aufgebrachte Haushälterin vorsichtig zu erinnern. „Als sie zu unserem Aufbruch in den Hollandurlaub das freundliche Abschiedskomitee organisiert hat, waren selbst Sie ganz ergriffen.“

„Pah, so was bringt die doch nicht zustande! Das haben vielleicht Sie angenommen, aber so naiv wie Sie bin ich nicht. Ich wollte Ihnen nur nicht die Freude nehmen. - Ach, was war das ein schöner Urlaub! Da hatten wir das eine Lockding gut hinter uns, und jetzt sind wir schon wieder im nächsten ...“

„Lockdown, wollen Sie wohl sagen“, korrigierte van Kerkhof mit erhitztem Gemüt, weil Klaras sture Meinung ihn immer wieder verärgerte. Doch deren Interesse galt längst wieder den Verrichtungen auf dem Küchentisch. Als ihr Blick über das belegte Backblech glitt, stellte sie mit vorwurfsvollem Tonfall fest: „Aha, bei zwei Monden fehlt die Nase. Wenn ich nicht wüsste, dass Sie genau davor sitzen, würde ich glauben, wir hätten Mäuse im Haus!“

In Anbetracht von Klaras zuckenden Mundwinkeln wagte van Kerkhof die Beteuerung: „Ich verspreche Ihnen, dass ich diese fehlerhaften Gebäckstücke freiwillig essen werde.“

„Das glaube ich Ihnen aufs Wort!“, ließ sich Klara auf den Scherz ein, dann schob sie ein Blech in den Ofen, setzte sich ihrem Chef gegenüber und seufzte: „Was wird das nur noch alles werden mit dem Corona, gerade jetzt im Advent …“

„Ja, es ist schlimm“, pflichtete van Kerkhof ihr bei. „Ich als Geistlicher könnte raten, wir sollten uns in diesem schwierigen Jahr einmal mehr auf die wahre Botschaft der Weihnacht besinnen. Aber sagen Sie das mal all den Menschen, die alleine sind und auf Besuch warten, oder denen, die durch die Umstände große Geldsorgen haben, geschweige denn, den Menschen, die stark von dem Virus betroffen sind.“

Klara hatte zu seinen Worten nachdenklich genickt. „Da müssen wir wirklich noch dankbar sein, dass uns das alles nicht betrifft. Auch die geschlossenen Gaststätten, wie sollen die nur weiter zurechtkommen … Naja, Sie laden mich ja sowieso nicht zum Essen ein!“

„Unser Gastronomie-Besuch würde auch die Lage nicht verändern“, erwiderte van Kerkhof. „Warten Sie, im Büro läutet das Telefon.“ Er erhob sich und eilte aus der Küche. In Anbetracht von Klaras teigbeschmutzten Händen würde er mit wem auch immer in Ruhe telefonieren können. Doch kaum hatte er den Hörer abgenommen, stand sie auch schon neben ihm und folgte seinen lautstarken Wiederholungen. „Ach, Frau Wischnewski, Sie backen gerade Weihnachtsplätzchen? - Nun, das ist wirklich eine schöne Idee, dass wir unsere Kommunionkinder damit beschenken. - Daran haben wir auch schon gedacht, nicht wahr, liebe Klara?“, wollte er sich mit einem verschmitzten Lächeln an seine Haushälterin wenden, doch von der sah er nur noch die Kehrseite, die im Eiltempo sein Büro verließ. „Das war ja nun wohl eine abgesprochene Sache!“, vernahm er Klaras Schimpfen. Umgehend legte er den Hörer auf. „Wat is er nu gebeurd?“, murmelte er ratlos, als er ihr in die Küche folgte.

„Was nun schon wieder los ist? Mich für dumm verkaufen wollen Sie!“, erhielt er zur Antwort, ohne dass ihre Adleraugen von ihm abließen. „Und jetzt Finger weg vom Teig!“ Noch während sie weiterschimpfte, ließ der Pfarrer eine Kugel der süßen Masse auf seiner Zunge zergehen, was ihn augenblicklich zuversichtlich stimmte: Seine Klara würde sich schon wieder beruhigen. Weihnachten war schließlich auch das Fest der Versöhnung. (www.christoph-kloft.de)
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