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Nachricht vom 23.12.2019
Region
Erinnerungs-Stele an Opfer des Fleckfiebers von 1793
Man schrieb das Jahr 1793. Frankreich lebte noch in den Wirren der Revolution von 1789, die sogar bis ins Rheinland und nach Unkel ausstrahlte. Denn eben dort griff 1793 das Fleckfieber, die sogenannte Lazarettenseuche, um sich. Der Erinnerung daran dient die neue historische Erinnerungsstele des Geschichtsvereins Unkel e.V..
Bei der feierlichen Enthüllung des Gedenksteins (von links): Prof. Dr. Piet Bovy (Vorsitzender Geschichtsverein Unkel), Markus Winkelbach (Stadtbeigeordneter), Stadtbürgermeister Gerhard Hausen, Stadtarchivar Wilfried Meitzner und Initiator Werner Mayer. Foto: Thomas HerschbachUnkel. Das Memorial wurde an der Frontseite des Historischen Rathauses Unkel genau dort angebracht, wo die Seuchenopfer damals begraben worden waren. Stadtarchivar Wilfried Meitzner weiß Genaueres zu berichten.

„1855 sollte dieses Gebäude –heute Altes Rathaus - als Schule auf dem zugeschütteten ehemaligen Stadtgraben errichtet werden. Bei den Ausschachtungsarbeiten kamen menschliche Skelettreste zu Tage. Es stellte sich heraus, dass man auf ein Massengrab gestoßen war und man erinnerte sich, dass im Winter 1792/93 viele kaiserlich-habsburgische Soldaten in Unkel verstorben waren, die auf dem Kirchhof aus Platzmangel nicht bestattet werden konnten. Stattdessen hatte man sie in den Stadtgraben südlich des Stadttores gelegt und den Graben zugeschüttet.

Wie kam es nun zu dieser Tragödie um die kaiserlichen Soldaten ?
Der Kaiser in Wien und der König in Berlin sahen 1791 das monarchische System in Europa durch die revolutionären Vorgänge in Paris ernsthaft gefährdet. Sie stellten ihre traditionell feindseligen Gefühle gegeneinander hintan und entschlossen sich zu gemeinsamem Handeln. Sie verlangten von der französischen Revolutionsregierung die Freilassung und Wiedereinsetzung des Königs Ludwig XVI. und die Wiederherstellung der Burbonenherrschaft. Dies empfanden die Revolutionäre in Paris als unerhörte Einmischung in inner-französische Angelegenheiten und erklärten der habsburgisch-preußischen Koalition am 20. April 1792 den Krieg.

Die Koalitionäre waren überzeugt, die Sache schnell für sich entscheiden zu können. Sie marschierten in Frankreich ein und die ersten Scharmützel schienen ihnen Recht zu geben. Aber die Überheblichkeit rächte sich. Bei der sogenannten „Kanonade von Valmy“ in der Champagne wendete sich das Blatt. Die Revolutionstruppen waren von weit besseren Offizieren geführt, hoch motiviert und kamen mit den unsäglichen Wetterbedingungen besser zurecht. Es regnete wochenlang und war kalt. Die Wege waren unpassierbar. Der Nachschub und die sanitäre Versorgung der Koalitionstruppen funktionierten nicht. Viele Soldaten hungerten und erkrankten. Verwundete starben zu Hunderten. Zwischen Ende September und Dezember 1792 wurden die Preußen und die Kaiserlichen bis über den Rhein zurückgedrängt.

Ein sehr prominenter Augenzeuge hat diese Vorgänge sehr anschaulich geschildert, nämlich Johann Wolfgang von Goethe; nachzulesen in seinen autobiografischen Schriften. Unter dem Eindruck der Schlacht bei Valmy sprach er den prophetischen Satz: „Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus, und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen.“

Längs der rechtsreinischen Uferseite hatte man in aller Eile Notlazarette eingerichtet. In Unkel wurden dafür der Fronhof, der Eschenbrender Hof (heute Hotel Schulz), der Wittgenstein´sche Hof (heute PAX-Heim) und der Herrestorff´sche Hof (also Burg Unkel) beschlagnahmt. Auch in Rheinbreitbach, Honnef und weiter nördlich gab es solche.Lazarette.

Kurz vor Weihnachten 1792 trafen in Unkel die ersten kaiserlichen Soldaten ein. Sie waren in körperlich und seelisch schlechtem Zustand. Die Lazarettplätze reichten nicht aus und viele Soldaten wurden bei den Bürgern einquartiert. Bald brach das hochansteckende Fleckfieber aus, eine bakterielle Infektion (mit sogenannten „Rickettzien“), die durch Läuse, Zecken, Flöhe oder Milben von Mensch zu Mensch übertragen wird.

Äußerliches Zeichen ist ein rotfleckiger Hautausschlag. Meist treten Folgeerkrankungen wie Entzündungen der Lunge, der Hirnhaut und des Herzmuskels ein. Dagegen war man machtlos und die Erkrankten starben in großer Zahl. Man schätzt die Gesamtzahl der Lazarett-toten längs des Rheins auf 500 kaiserliche Soldaten. Aber auch 47 Unkeler und Scheurener Bürger fanden wegen des Kontakts mit den Soldaten den Tod.

Fälschlich wurde das Fleckfieber früher als Flecktyphus bezeichnet; das ist irreführend. Der Typhus löst zwar ähnliche Symptome aus, wird aber durch Salmonellen verursacht.

Die erste schlimme Erfahrung, die die Unkeler mit den sogenannten Koalitionskriegen gemacht haben, war aber nur der Beginn der womöglich schrecklichsten Zeit, die jemals über sie hereingebrochen ist. In der Folgezeit wechselte mehrfach die abwechselnde Besetzung durch französische und kaiserliche Truppen. Schließlich zur Zeit des Friedens von Campo Formio 1797 war die Bevölkerung von Unkel stark dezimiert, völlig verarmt und hoch verschuldet. Ihre Wälder und Weinberge waren zerstört, ihr Vieh requiriert. Und erst der berühmte Franz Vogts hat ihnen zu besseren Zeiten verholfen. Aber das ist eine andere Geschichte“.

Zur näheren Information empfiehlt sich die Lektüre des Hefts Nr. 01 in der Schriftenreihe des Geschichtsvereins Unkel „Franz Vogts: Leben und Wirken in schweren Zeiten“. Es kostet nur zwei Euro

Bürgermeister Gerhard Hausen würdigte das Engagement des Geschichtsvereins, der in Unkel einen unverzichtbaren Beitrag dazu leiste, Stadthistorie aufzuarbeiten und transparent zu machen.

Über Formate wie eben Gedenkplaketten und den Geschichtsboten hinaus bringe sich der Geschichtsverein auch bei Stadtführungen und Veranstaltungen wie den Carl-Loewe Musiktagen stets positiv ein und trage zur Attraktivität von Unkel bei.
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