NR-Kurier
Ihre Internetzeitung für den Kreis Neuwied
Nachricht vom 21.03.2018
Region
Im Notfall Bargeld: Jobcenter testet neues Auszahlungsverfahren
Um Kunden in besonderen Notsituationen schnell zu helfen, bietet das Jobcenter im Einzelfall Barzahlungen an. Für diese „Barauszahlung im Ausnahmefall“ wird nun das Verfahren teilweise geändert. Bisher verfügt das Jobcenter Landkreis Neuwied über einen Kassenautomaten in Neuwied. Dieser Automat wird wegen der hohen Betriebsdauer und steigender Störanfälligkeit abgeschaltet und zukünftig durch einen Zahlschein zur Barauszahlung im Einzelhandel ersetzt.
Beispiel eines Zahlscheins.Neuwied. Generell gilt: Arbeitslosengeld wird auch weiterhin auf das Konto überwiesen. Barauszahlungen betreffen wenige Kunden und machen nur einen geringen Teil der Gesamtauszahlungen aus. Für die meisten Kunden ändert sich nichts. Wer in Notsituationen schnell Bargeld braucht, kann dieses in einem neuen Verfahren aufgrund eines bei dem Jobcenter ausgestellten Zahlscheins im Einzelhandel bekommen.

Der neue Zahlschein wird Ende Mai in Neuwied eingeführt. Das Jobcenter Neuwied wird einer von bundesweit neun Standorten sein, an dem das neue Verfahren ab Juni zunächst getestet wird.

Kunden, die in einer Notsituation dringend Bargeld benötigen, können vom Jobcenter einen neutral gehaltenen Zahlschein erhalten. Mit diesem Beleg bekommen sie an den Kassen der beteiligten Einzelhändler die festgelegte Summe ausbezahlt.

Mehr Stellen zur anonymen Bargeldauszahlung
Der Zahlschein kann bei den Einzelhändlern Rewe, real, Rossmann, Penny, dm und Dr. Eckert eingelöst werden. Durch das neue Verfahren erhöht sich die Zahl der Auszahlstellen deutlich. Damit werden Kunden auch Fahrwege in die nächste Dienststelle mit Kassenautomat erspart.

Anonym und diskriminierungsfrei
Mit dem Zahlscheinverfahren bietet das Jobcenter eine diskriminierungsfreie Barzahlung an. Der ausgehändigte Zahlschein ist anonym, enthält keine Personendaten und lässt keinen Rückschluss auf das Jobcenter zu. An den Kassen ist nicht erkennbar, ob es sich um eine Barauszahlung des Jobcenters oder eine Rückzahlung aus einem Onlineeinkauf handelt.

Die Barzahlung kann dann als Vorschuss etwa für die Ersatzbeschaffung einer defekten Waschmaschine oder als Erstattung für Reisekosten zum Bewerbungsgespräch eine schnelle Hilfe garantieren.

Das neue Verfahren soll 2018 bundesweit eingeführt werden. Dabei werden die Erfahrungen aus den Pilotstandorten berücksichtigt.

Faktencheck

Zukünftig werden alle Leistungen nur noch über das Zahlscheinverfahren ausgezahlt. Stimmt das?
Nein. Für die meisten Kunden ändert sich nichts, weil Überweisungen unberührt bleiben. Die Änderung betrifft nur Kundinnen und Kunden, denen wir zur Vermeidung einer Notsituation mit einer sofortigen Barauszahlung helfen wollen. Das ist zum Beispiel bei begrenzten Vorschüssen der Fall oder bei außergewöhnlichen Aufwendungen etwa für die Neuanschaffung einer Waschmaschine.

Bleiben Leistungsempfänger im Supermarkt anonym?
Ja. Der Zahlschein wird auf einen A4 Bogen gedruckt, enthält einen Barcode und eine Auflistung von teilnehmenden Märkten in der Nähe. Die ausgebende Stelle wird verborgen. Auch der auszahlende Markt und der Anbieter Cash Payment Solutions erhalten keine Klardaten von Kundinnen und Kunden des Jobcenters.

Der Supermarktmitarbeiter an der Kasse kann anhand des Zahlscheins nicht erkennen, ob etwa die Auszahlung einer Online-Retoure des Versandhandels abgewickelt wird oder ein Vorschuss auf das Arbeitslosengeld Grund der Barzahlung ist

Ist für die Einzelhändler im Moment der Auszahlung ersichtlich, welche Art von Leistung bezogen wird? Werden Personendaten öffentlich?
Nein, der Barcode auf dem Zahlschein lässt keine Rückschlüsse auf personenbezogene Daten zu. Sowohl der auszahlende Markt als auch der Anbieter Cash Payment Solutions erhalten keine Personendaten. Zur Abrechnung mit der Bundesagentur für Arbeit wird lediglich ein Zifferncode gespeichert, damit die Zahlungsflüsse korrekt abgewickelt werden können.

Überlässt das Jobcenter damit hoheitliche Aufgaben privaten Anbietern?
Nein. Das Jobcenter gibt keine hoheitlichen Aufgaben an private Dritte ab. Der Hoheitsakt der Leistungsbewilligung verbleibt auch künftig bei den Dienststellen. Die Auszahlung selbst ist keine hoheitliche Aufgabe.

Ist das Jobcenter zu Barauszahlungen verpflichtet?
Die Bundesagentur für Arbeit und die Jobcenter zahlen im gesetzlichen Auftrag Geldleistungen an Kundinnen und Kunden aus. Dies erfolgt im Regelfall per Überweisung auf das Konto des Zahlungsempfängers. Unter bestimmten Voraussetzungen können Vorschuss- bzw. Abschlagszahlungen geleistet werden. Eine gesetzliche Verpflichtung, Abschläge oder Vorschüsse als Barzahlung auszuführen, gibt es nicht. Arbeitsagentur und Jobcenter bieten diesen Service aber im Ausnahmefall und zur Vermeidung einer Notsituation an.

Wie viele Barauszahlungen gibt es? Welche Summe wurde dafür aufgewendet?
Barauszahlungen sind nur zur Vermeidung einer Notsituation im Ausnahmefall notwendig. Im Jahr 2017 wurden an den Kassenautomaten rund 310.000 Transaktionen verbucht, die ein Gesamtvolumen von 78 Millionen Euro umfassten. Zum Vergleich: Die Arbeitsagenturen haben im letzten Jahr 14 Milliarden Euro Arbeitslosengeld I bewilligt, die Jobcenter 16,2 Milliarden Euro Arbeitslosengeld II (ohne Kosten der Unterkunft). Barauszahlungen sind also eher die Ausnahme.

Welche Märkte nehmen teil?

Die Bargeldauszahlung ist bei den Einzelhändlern Rewe, Penny, real, Rossmann, dm und Dr. Eckert möglich.

Bevorteilt die BA bestimmte Supermarktketten? So ist etwa bei Edeka keine Auszahlung möglich.
Der Zuschlag wurde nach Ausschreibung an das Unternehmen Cash Payment Solutions vergeben. Das Unternehmen unterhält Vertragsbeziehungen zu Partnern des Einzelhandels. Die BA selbst hat keine konkreten Einzelhandelsunternehmen beauftragt, sondern greift auf das Portfolio des Anbieters zurück.

Ist das neue System günstiger?
Jede Transaktion am Kassenautomaten kostet derzeit rund acht Euro. Mit dem neuen Verfahren werden sich die Transaktionskosten verringern. Da die meisten Barauszahlungen über die steuerfinanzierten Jobcenter bewilligt werden, verringern sich aber die Kosten für den Steuerzahler. Neben dem wirtschaftlichen Aspekt stand auch die flächendeckende Abdeckung im Vordergrund.

Warum hat die BA keine neue Automaten beschafft?
Die derzeit eingesetzten Automaten sind alt. Die BA hat eine offene Ausschreibung für eine schnelle, unbürokratische und diskriminierungsfreie Auszahlung in räumlicher Nähe vorgenommen. Der Betrieb von stationären Automaten wäre im Rahmen der Ausschreibung auch möglich gewesen. Die BA hat dazu keine Angebote erhalten.



Nachricht vom 21.03.2018 www.nr-kurier.de