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Nachricht vom 10.05.2017
Region
Fachtag Demenz beleuchtet viele Perspektiven
Gemeinsam hatten die Netzwerke Demenz Koblenz, Mayen-Koblenz und Neuwied zu einem Fachtag mit dem Titel „Demenz - eine Krankheit? Auf den Blickwinkel kommt es an“ in die Aula der Christiane-Herzog Schule in Neuwied-Engers eingeladen. Die Veranstaltung richtete sich an alle, die sich mit dem Thema Demenz beschäftigen, sei es als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der verschiedenen Dienste und Einrichtungen, der kommunalen Verwaltung und Politik oder als Betroffene, Angehörige und Interessierte.
Von links nach rechts: Prof. Dr. Andreas Fellgiebel, Chefarzt der Gerontopsychiatrie der Rhein-Hessen-Fachklinik; Achim Hallerbach, 1.Kreisbeigeordneter Landkreis Neuwied; Prof. Dr. Dr. Reimer Gronemeyer, Justus-Liebig-Universität Gießen; Uwe Baumann, Netzwerk Demenz Koblenz; Dr. Ulrich Kettler, Netzwerk Demenz Neuwied; Heike Kautz, Netzwerk Demenz Koblenz; Patrick Landua, Landeszentrale für Gesundheitsförderung in RLP; Mechtilde Neuendorff, Seniorenzentrum des Heinrich-Hauses Engers; Moderatorin Daniela Bublitz und Olaf Spohr, Netzwerk Demenz Mayen-Koblenz.Kreisgebiet. Über 150 Interessierte waren der Einladung der Veranstalter gefolgt. Als renommierte Referenten konnten der Soziologe und Theologe Prof. Dr. Dr. Reimer Gronemeyer aus Gießen sowie der Mediziner Prof. Dr. Andreas Fellgiebel aus Mainz/Alzey gewonnen werden. Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen eine Vielzahl von Fragen: Wie ist der aktuelle Stand der Demenzforschung? Wird das Thema Demenz medizinisch-pharmazeutisch dominiert? Wie geht unsere Gesellschaft mit den Themen Alter und Demenz um?

Als Vertreter der Veranstalter begrüßte Psychiatriekoordinator Dr. Ulrich Kettler die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Er führte aus, wie es zu der engen Zusammenarbeit der drei regionalen Netzwerke kam und welche gemeinsamen Ziele die Kooperationspartner verfolgen. „In den Landkreisen Mayen-Koblenz und Neuwied sowie der Stadt Koblenz leben über eine halbe Million Menschen. Legt man die Zahlen der deutschen Alzheimer-Gesellschaft zugrunde, sind davon rund 10.000 Personen von Demenz betroffen", führte Kettler aus. Die gute und enge Zusammenarbeit auf regionaler Ebene ermöglicht es, die Angebote und Hilfen ständig weiter zu entwickeln.

Auch der 1. Kreisbeigeordnete Achim Hallerbach, der als Vertreter der beteiligten Kommunen die Anwesenden begrüßte, führte die Bedeutung des Themas Demenz sowie die Anforderungen an die Kommunen aus. „Die Kommunen arbeiten daran, Versorgungsangebote zu verbessern und Versorgungslücken zu schließen", so Achim Hallerbach. „Erfreulicherweise wurden durch die Pflegestärkungsgesetzte die Leistungen für erforderliche Hilfen, insbesondere für Menschen mit kognitiven Einschränkungen, verbessert". Weiterhin begrüßten Patrick Landua von der Landeszentrale für Gesundheitsförderung in RLP und Mechtilde Neuendorff vom Seniorenzentrum des Heinrich-Hauses die Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

Anschließend referierte Prof. Dr. Fellgiebel über das Krankheitsbild Demenz am Beispiel der Alzheimerdemenz, die mit rund 55 Prozent den größten Teil aller Demenzformen ausmacht. Er führte aus, dass typisch neuropathologische Befunde wie die sogenannten Plaques eine notwendige, aber keine hinreichende Diagnose für Alzheimer seien. Er führte weiter aus, dass nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung mit Medikamenten im günstigsten Fall nur eine Verlangsamung des Krankheitsverlaufes, nicht aber eine Heilung möglich sei. Trotzdem plädierte er für eine frühzeitige Diagnostik, auch um andere Krankheitsursachen, die behandelbar sind, auszuschließen. Nach seiner Auffassung erfolge bis heute die Diagnostik zu spät. Die Forschung zeige darüber hinaus, dass mit einer höheren Bildung das Risiko einer späteren Demenzerkrankung sinke. Weitere wichtige Faktoren seien soziale Netzwerke, eine gesunde Lebensführung sowie geistige und körperliche Aktivitäten.

Der Soziologe Reimer Gronemeyer, Autor des Buches „Das 4. Lebensalter - Demenz ist keine Krankheit" führte kritisch aus, wie unsere moderne, leistungsorientierte Gesellschaft allgemein mit dem Thema Alter und dem Thema Demenz im Speziellen umgehe. Nach seiner Auffassung sei Alter schon immer mit körperlichen und geistigen Einschränkungen verbunden gewesen. Indem die Demenz vorrangig als Erkrankung definiert und das Thema durch die Medizin dominiert wird, würden soziale Fragen in den Hintergrund treten. Dabei stünden Profite der Pharmaindustrie im Vordergrund, der gesellschaftliche Umgang mit dementen Menschen und ihren Angehörigen rücke in den Hintergrund. „Jede Gesellschaft erhält die Erkrankungen, die sie verdient", so die provokante These von Prof. Gronemeyer.

In einer abschließenden Gesprächsrunde unter Leitung der Moderatorin Daniela Bubliz konkretisierten beide Referenten jeweils ihre Standpunkte und beantworteten die zahlreichen Fragen aus dem Kreis der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Musikalisch eingerahmt wurde der Fachtag durch Beiträge der Pianistin Arngard Schmidt von der Akademie für Musik und Bildung. Finanzielle Unterstützung erhielt die Veranstaltung von den beteiligten Kommunen, der Landeszentrale für Gesundheitsförderung in RLP, der Heinrich-Haus gGmbH und den Barmherzigen Brüder Saffig.
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