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Nachricht vom 20.11.2025
Region
Informationsveranstaltung zum Haushalt im Alten Bahnhof in Puderbach
Für den 19. November 2025 ab 18 Uhr hatte der CDU-Landtagskandidat Jan Petry in Kooperation mit dem CDU-Ortsverband Puderbach in den Alten Bahnhof eingeladen. Für die Impulsvorträge hatte er mit dem Neuwieder Oberbürgermeister Jan Einig und Moritz Petry, dem geschäftsführenden Vorstand des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz, zwei qualifizierte Gäste mitgebracht.
Moritz Petry, Jan Petry und OB Jan Einig standen den Besuchern Rede und Antwort zu Haushaltsfragen. (Foto: Ulrike Puderbach)Puderbach. Nach der Begrüßung durch Jan Petry trat zunächst Moritz Petry ans Rednerpult und führte kurz in das Thema des Abends ein – die Ursache für die Probleme mit dem Haushalt in Rheinland-Pfalz. Er wies auf das Korridorverfahren hin, in dem ein Mindestfinanzbedarf von 8,3 Milliarden Euro bestimmt wird. Von diesem Bedarf können die Kommunen in Eigenleistung 4,3 Milliarden Euro aufbringen, somit wäre ein Ausgleich von vier Milliarden Euro über Schlüsselzuweisungen zu verteilen. An dieser Stelle taucht jedoch das erste Problem auf, denn das Land entnimmt bereits vorher Geld aus diesem Topf, so dass am Ende nur noch zwei Milliarden ausgeschüttet werden können.

Bei einer durchschnittlichen, berechneten Steuerkraft pro Kopf von 1.480 Euro können aktuell die Ortsgemeinden ungefähr 76 Prozent davon eigenständig aufbringen, doch der Versuch, das übrige, benötigte Geld gerecht zu verteilen, funktioniert aktuell nicht. Somit geben die Kreise ihre Probleme nachgelagert an die Verbands- und Ortsgemeinden weiter, die im Umkehrschluss folglich ihrer Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung gemäß §28 II GG neben den Pflichtausgaben (zum Beispiel Erhalt der Infrastruktur, Kindertagesstätten und Schulen) auch freiwillige Ausgaben (zum Beispiel Kulturveranstaltungen, Schwimmbäder und Unterstützung der Sportvereine) tätigen sollen, nicht mehr nachkommen können. Denn nachdem die Ortsgemeinden die Umlagen an die Verbandsgemeinden und den Kreis abgeführt haben, ist in den meisten Fällen noch nicht einmal mehr Geld für die allernötigsten Pflichtausgaben vorhanden. Vorausgesetzt, die Einnahmen der Ortsgemeinden reichen überhaupt aus, um die Umlagen an Verbandsgemeinde und Kreis abzuführen, denn oftmals überschreiten die Umlagen die Einnahmen bereits im Vorfeld. Im Gegenzug bleibt auch den Ortsgemeinden nur die Stellschraube, die Abgaben für die Bürger zu erhöhen, was wiederum diese gegen die Politik aufbringt und zu einer merklichen Unzufriedenheit führt. Moritz Petry sagte in diesem Zusammenhang ganz klar, dass er den durchaus nötigen Sparwillen in den Verwaltungen und beim Land aktuell nicht sehen kann.

Einige Beispiele aus Neuwied
Oberbürgermeister Jan Einig forderte mehr Vertrauensvorschuss vom Bund gegenüber den Kreisen und Verbandsgemeinden, da die ständige Misstrauenskultur, in der sich dieses Land seit Jahren befindet, unverhältnismäßig hohe Kosten verursacht, die an anderer Stelle viel sinnvoller genutzt werden könnten.

Neuwied ist mit 70.000 Einwohnern als Kreisstadt im Gegensatz zu den Ortsgemeinden in der Verpflichtung, neben den Pflichtausgaben auch Theater, Schulen und Kulturveranstaltungen zu unterstützen. Bis 2021 hat die Stadt immer einen nicht ausgeglichenen Haushalt gehabt, seit 2022 ist der Haushalt positiv. Das war allerdings nur möglich, in dem die Stadt die Grundsteuer auf 610 Punkte erhöhte, also faktisch in die Tasche der Bürger griff. Hintergrund dieser Entscheidung war allerdings, dass freiwillige Ausgaben nur bei ausgeglichenem Haushalt möglich ist und im Gegenzug wurde eine höhere Verschuldung für den Erhalt und die Sanierung von Kindergärten und Schulen genehmigt,

Als ein Beispiel führte der Oberbürgermeister den Nachholbedarf beim Thema Digitalisierung in Schulen an. Ungeachtet der Tatsache, dass der Nutzen für Schüler und das Bildungssystem bei weitem nicht bewiesen ist, mussten 2021 im Rahmen des Landesdigitalpaktes 2.200 Endgeräte beschafft werden, die aber auch gewartet werden müssen, wofür die Stadt 4,5 zusätzliche Stellen benötigt, für die sie aber gar kein Personal findet. Das Land zahlt bei real anfallenden Kosten von 169 Euro pro Schüler aktuell für diese Aufgaben elf Euro pro Schüler. Nach der Evaluation aus dem Jahr 2022 wurde ein Angebot zwischen fünf und 25 Euro pro Schüler vom Land gemacht, welches allerdings bis zum heutigen Tag nicht bestätigt oder umgesetzt wurde. Hier kann mit Fug und Recht über Hinhaltetaktik gesprochen werden.

Das Gesetz zur Ganztagsförderung (GaFög) ab dem kommenden Schuljahr, das besagt, dass alle Schulkinder (beginnend mit den ersten Klassen) einen Anspruch auf Ganztagsförderung haben, verursacht neben der Tatsache, dass die Gebäude für diesen Anspruch überhaupt nicht nutzbar sind, da noch nicht einmal die nötigste Infrastruktur in den letzten Jahren instandgehalten werden konnte, einen zusätzlichen Stellenbedarf von 3,5 Stellen, für die es auch kein Fachpersonal gibt.

Als eines der Hauptprobleme nannte Einig die Tatsache, dass es für den Erhalt von Beständen (Feuerwehr, Kindergarten, Schulen) keine Zuschüsse gibt. Statt also entsprechend Geld durch Sanierungen und Bestandspflege einzusparen und den Sanierungsstau gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Anschließende Diskussionsrunde
In der anschließenden offenen Diskussionsrunde gab es von einigen qualifizierten Besuchern Anregungen zum Thema Bürokratieabbau und Vergaberecht. Gefordert wurde der Abbau unnötiger Bürokratie im Vergaberecht, die das ganze System komplett ineffizient werden lässt. Am Beispiel von Nordrhein-Westfalen, wo die Grenze für die Möglichkeit von Direktvergaben deutlich angehoben wurde, zeigt sich, dass eine Abschaffung der Misstrauenskultur dazu führt, dass Aufgaben schneller und effizienter angegangen werden können. Das Hauptproblem beim Vergaberecht ist aktuell, dass die Verwaltung und die Ausschreibung, die selbst für kleine Projekte verpflichtend ist, oftmals fast mehr Geld kosten, als der eigentliche Auftrag umfasst.

Das angekündigte Sondervermögen
Zum Sondervermögen erklärte Moritz Petry im Anschluss noch einige Fakten. Er warnte davor, zu hohe Erwartungen an das Sondervermögen zu haben. Auch wenn das Landesgesetz dazu im Januar 2026 verabschiedet wird, ist es wichtig, das Geld in Großprojekte für die nächsten zwölf Jahre zu investieren, damit die Menschen wieder Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Politik bekommen. Auf keinen Fall darf dieses Geld durch unnötige Bürokratie in den Verwaltungen versickern.

Abschließend kann zu dieser Veranstaltung gesagt werden, dass jeder, der sich ernsthaft für Politik und Haushaltsprobleme interessiert, hier die Gelegenheit hatte, direkt Fragen zu stellen und auch Antworten zu bekommen. (UP)
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