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Nachricht vom 13.07.2022
Region
Ein Landrat als Lehrer: Achim Hallerbach unterrichtete an der IGS Horhausen
Wie funktionieren Politik und Gewaltenteilung? Was macht ein Landrat? Wie arbeitet eine Kreisverwaltung? Wo kommen ihre Einnahmen her? Welche Spielräume hat sie? Fragen, auf die die Elftklässler des Sozialkunde-Leistungskurses an der IGS Horhausen sich Antworten von "echte" Menschen wünschen. Einer davon war der Neuwieder Landrat Achim Hallerbach, der den Kurs eine Doppelstunde lang unterrichtete.
Schulleiter Norbert Schmalen (hintere Reihe) und die Schüler des Sozialkunde-Leistungskurses freuten sich über die Unterrichtsstunde mit Landrat Achim Hallerbach. (Foto: KV Neuwied)Horhausen. „Sie haben Nachholbedarf nach realen Kontakten“, weiß Direktor Norbert Schmalen. Eine Hauptstadt-Journalistin der „Zeit“ war als erster Gast dann trotzdem noch mal per Videokonferenz zugeschaltet. Aus Berlin anzureisen, wäre schwierig geworden. Dann aber „tütete“ Lehrer Tobias Buddendiek die nächste praktische Unterrichtsstunde ein, als er in Asbach auf dem Fußballplatz Landrat Achim Hallerbach sah und ihn einfach ansprach. Als der wenig später in der Klasse stand, war die erste Erkenntnis für die Schüler auch schon gewonnen: Privatleben gibt es nur noch selten, wenn man Landrat ist - auch nicht, wenn gerade der eigene Sohn kickt.

Dass ein Verwaltungschef die Einladung einer Schule annimmt, die zwar viele Schüler aus seinem Kreis besuchen, die aber faktisch im Nachbarkreis steht, unterstrich gleich eine zentrale Botschaft, die Hallerbach mitgebracht hatte: „Wir sind eine große Region und müssen zusammenarbeiten. Wir müssen offen über Grenzen hinweg denken“, betonte er. Mit seinem Altenkirchener Amtskollegen Dr. Peter Enders habe er trotzdem vorher über den Besuch gesprochen und keinen Einspruch erhalten, versicherte Hallerbach.

In seinem Vortrag und bei den Antworten auf die Fragen der gut vorbereiteten Schüler zeigte sich der Landrat fast schonungslos ehrlich. Um Versäumnisse der Vergangenheit, die die jüngsten Krisen aufgezeigt haben, redete er nicht drumherum, politische Fehler nannte er beim Namen. Auch vieles von dem, was er zu Beginn seiner Amtszeit 2018/19 angestoßen habe, sei nicht so vorangekommen, wie es sich das anfangs vorgestellt habe. „Dass ich mich zwei Jahre hauptsächlich um eine Pandemie kümmern muss, stand leider nicht in der Stellenausschreibung“, bemerkte er achselzuckend.

Auf sich persönlich bezogen gestand er ein, einen Wandlungsprozess durchgemacht zu haben. „Früher war ich als junges Kreistagsmitglied schon ein Hardliner. Aber das war völliger Quatsch. Das wirkliche Leben funktioniert oft anders als das Parteiprogramm. Es lebt von Kompromissen“, rief er den jungen Erwachsenen zu und appellierte, dass sie sich selbst kommunalpolitisch einmischen. „Sie werden keine Partei finden, die zu 100 Prozent ihren Vorstellungen entspricht. Aber in den Parteien werden Sie wirklich etwas bewegen können. Und Sie können auch Ihre Partei verändern“, machte er deutlich.

Achim Hallerbach riet den Schülern gleichzeitig, keinen rein politischen Weg einzuschlagen, sondern sich beruflich breit aufzustellen. Er skizzierte seinen eigenen Lebenslauf über Stationen in Wiesbaden, Mainz und Berlin, bei der Abfallwirtschaft sowie als Inhaber einer Marketingagentur und zeigte sich sehr froh, „auch jederzeit wieder etwas anderes machen zu können“. Das wiederum galt dann nach der schnell vergangenen Doppelstunde für die Schüler genauso. Auch wenn mancher wohl gern noch weitergefragt hätte, rief etwas, das ohne lebedigen Original-Gesprächspartner auskommen musste: eine wichtige Prüfung in Latein.

An der 1996 gegründeten Integrierten Gesamtschule (IGS) in Horhausen unterrichten rund 80 Lehrer circa 800 Schüler. Mindestens ein Drittel von ihnen kommt laut Direktor Norbert Schmalen aus dem Kreis Neuwied. Das Einzugsgebiet erstreckt sich insgesamt über 97 Orte und Ortsteile. (PM)
 
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