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Nachricht vom 18.03.2022
Region
Kurzkrimi: Trecker ins Jenseits von Arnold Küsters
Heute gibt es den nächsten Kurzkrimi eines bekannten Autors aus unserer Reihe der Kurzkrimis der Krimiautorenband "STRENG GEHEIM". Geschrieben zu einem Song von AC/DC kommt heute der Kurzkrimi "Trecker ins Jenseits" von Arnold Küsters.
Symbolfoto. (Foto: Pixabay / tmcsparron)Region. Im Wechsel mit der Kolumne “Alles klar, Herr Kommissar?“ gibt es heute den nächsten spannenden Kurzkrimi, der speziell für das Programm der Krimi-Autoren-Band “STRENG GEHEIM“ (vermutlich die weltweit einzige Rockband in der nur Krimiautoren musizieren) des Syndikats geschrieben wurde. Das Syndikat ist keine kriminelle Organisation, sondern die Vereinigung deutschsprachiger Kriminalschriftsteller (unter anderem Nina George, Nele Neuhaus, Ingrid Noll, Jacques Berndorf, Andreas Gruber, Sebastian Fitzek, Arno Strobel und weitere bekannte Autoren). Alle Stories haben einen Bezug zu einem bekannten Rock-Song und die Kurzkrimis werden immer im Kontext mit dem jeweiligen Song auf der Bühne präsentiert.

Heute nun der erste Krimi “Trecker ins Jenseits“, den der Autor, Journalist sowie Bluesharp und Percussion Musiker, Arnold Küsters, zum Song “Highway to Hell" von “AC/DC" geschrieben hat.

Zuckerrüben hin oder her. Johannes hatte sich entschieden. Er konnte nicht länger warten. Auch wenn die Rüben noch in dieser Nacht zur Fabrik mussten. Vornüber gebeugt hielt er das Steuer seines 56er Schlüters fest umklammert. Alt aber zuverlässig. Solide. Er liebte den Trecker.

Schweigend starrte Johannes hinaus in die Dunkelheit. Rein und eiskalt wie Bommerlunder: Er liebte diese klaren Nächte! Und er liebte diesen Schnaps!

Noch sieben Kilometer. Sein Schlüter ratterte wie eine gut geölte Nähmaschine. Nervös rieb er sich über die Wangen. Der Handschuh kratzte. Mit einer Hand schraubte er den Stopfen von der Thermoskanne, die zwischen seinen Beinen steckte. Kaffee, mit Gin gestreckt. Er leckte sich die Lippen. Na ja, vielleicht ein wenig zu viel Wacholder, um Trecker zu fahren. Aber auf jeden Fall genug – für das, was er vorhatte. Highway to hell. I´m on the Highway to hell. Er kicherte.

“Der Schnaps wird dich noch umbringen.“ Ihre Stimme verlor sich im Fahrtwind. ´Oder dich!‘, dachte Johannes. Peter Pause, sein ältester Kumpel, hatte recht. Er würde Christa abräumen wie überreifen Weizen. Sie irgendwo unterpflügen. Noch in dieser Nacht! Erst Christa, dann die Rüben. Niemand würde Christa vermissen. Rein niemand! Ha. Er grinste. Teufel auch, am wenigsten er.

Verstohlen beobachtete Johannes seine Frau, die auf ihrem Sitz über dem Radkasten im Takt des Motors leicht auf und ab hüpfte. Er genoss das Bild, wenn er absichtlich durch eine Bodenwelle fuhr und sie mühsam gegen die Schwerkraft ankämpfen musste. Es gab also doch noch etwas, gegen das auch sie nicht ankam. Christa hatte ihr Haar unter eine Ohrenmütze gestopft und die Ohrenklappen unter dem Kinn zusammengebunden. Aus dem Kragen des dicken Wintermantels quoll ein verfilzter Schal.

“Warum sagst du nichts?“ Christa ließ die Landstraße nicht aus dem Blick.
“Ich muss mich konzentrieren.“
“Du solltest weniger saufen.“

Ha! Das ewige Genörgel hatte bald ein Ende. Noch heute Nacht. Er summte leise: Livin´ easy, lovin´ free. Johannes presste seinen Hintern in die Sitzschale. Er hoffte auf eine tiefe Bodenwelle. Vielleicht würde sie ihm die Arbeit abnehmen. Er hatte sehr lange und ausgiebig mit Peter über diese Nacht philosophiert. Peter Pause. Alle nannten ihn nur Pause. Freund, Roadie und gute Seele ihrer Rockband. Pause hatte ein paar Mal vielsagend genickt, als ihnen beim Schrauben am Motor des Schlüters klar geworden war, was passieren musste. Dann hatte Pause von der Rückbank seines Opels zwei frische Astra gefischt und wie Ausrufezeichen aus den Dosen zischen lassen. Anerkennend hatte er gemeint: “Dein Plan ist genial. Ja – du musst es tun. Aber warte nicht zu lange. Es wird nicht besser.“

Und nun war Johannes mit Christa auf dem Weg ins Jenseits. Er genehmigte sich noch einen tiefen Schluck aus der Kanne. Christa war mit ihren »Mädels« verabredet: Papierrosen drehen fürs Schützenfest! Mein Gott. Phh. Halbherzig unterdrückte Johannes einen Rülpser. Besser konnte es nicht kommen.

Die Scheinwerfer des Treckers zitterten noch eine ganze Weile an den dicht am Fahrweg stehenden Tannen entlang. Dann kam das Ausflugslokal in Sicht: Das Jenseits. Es hieß so, weil die alte Kneipe jenseits eines tiefen und dunklen Waldes lag. Den Namen fanden nur die Touris seltsam, dann aber auch gleich irgendwie geheimnisvoll. Johannes wurde mit jedem Meter, dem sie sich dem Jenseits näherten, nervöser. Wie war noch mal der Plan? Er würde sie nur kurz absetzen. Genau. Christa würde sich dann später zu Fuß auf den Heimweg machen. Niemand würde ihn verdächtigen, wenn er sie morgen als vermisst melden würde. Zwischen dem Jenseits und seinem Hof konnte schließlich viel passieren. Wusste man ja. Es würde eine lange Nacht werden. Wie gesagt, erst Christa, dann die Rüben.

Endlich, das Jenseits. “Tschüüss.“ Christa kletterte vom Sitz und wartete, bis die Lichter des Treckers in der Dunkelheit verschwunden waren. Johannes würde sich noch wundern. Sie drehte sich um. Aus dem Schatten der wenigen Parkplatzlampen hörte sie das Öffnen einer vertrauten Autotür. “Komm. Steig ein. Ich liebe dich.“

Peter Pause, Johannes ältester Freund, küsste Christa zärtlich, als sie zu ihm in den Wagen stieg. Er drehte die Boxen voll auf, als sie vom Parkplatz des Jenseits bretterten: I'm on my way to the promised land.


Zum Autor:
Arnold Küsters, Jahrgang 1954, ist Autor, Journalist und Musiker. Er schreibt sowohl Krimis unter seinem Namen als auch unter dem Pseudonym Ian Bray. Daneben schrieb er auch eine Fülle von Kurzkrimis und anderer Werke. Mehr Infos unter www.arnold-kuesters.de.
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