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Nachricht vom 13.02.2022
Kultur
Lustiger Parforceritt durch Berlin mit Stefan Danziger
Das Hotel zur Post in Waldbreitbach hatte für den 13. Februar einen großartigen Geschichtenerzähler engagiert, der das Publikum aufs Beste unterhielt und nebenbei kurz und prägnant Geschichtskenntnisse vermittelte. Eine Win-win-Situation für alle, denn der Künstler freute sich, endlich wieder vor einer „großen Mischpoke“ spielen zu können.
Stefan Danziger auf der Bühne in Waldbreitbach. Fotos: Wolfgang TischlerWaldbreitbach. Es war erst seine zweite Show für dieses Jahr, nachdem er viel Zeit zu Hause verbracht hatte mit seiner kleinen Tochter. Währenddessen beschloss er, in Zukunft nur noch richtig dicke und sichere Kondome zu kaufen.

Mit Berliner Witz und Schnauze plauderte der in der DDR geborene Comedian ohne Spickzettel aus seinem Leben und seiner ereignisreichen Zeit als Stadtführer in Berlin. Am lustigsten seien amerikanische Touristen, die gern geniale Fragen stellen, zum Beispiel, warum die Berliner nicht um die Mauer herumgelaufen seien. Ganze Schulklassen bildeten die Königsdisziplin, diesen brachte der Guide die Geschichte Brandenburg-Preußens anschaulich dar, sodass jedem Schüler unvergesslich belieben wird, dass der Alte Fritz wegen einer Syphilis-Erkrankung keine Nachkommen zeugte und sein Schloss Sanssouci nicht „ohne Sorgen“, sondern „ohne Würstchen“ bedeutet.

Zum Glück umfasst die Berliner Geschichte nur 1.000 Jahre. Danziger fasste die 500 Seiten im Geschichtsbuch in zwei Minuten unterhaltsam und mit eindeutiger Gestik zusammen. Nicht nur die Berliner Mauer und der unspektakuläre Checkpoint Charlie, die Retour-Kutschen-Quadriga auf dem Brandenburger Tor, die Allee Unter den Linden ohne Nüsse, aber mit dem Hotel Adlon, in dem man ein Baby aus dem Fenster halten kann, eine ostdeutsche James-Bond-Verfilmung mit Trabi und eingebauten Gadgets, Preußens Gloria, das Dritte Reich und das Regierungsviertel zogen über die Bühne des Rittersaals, auch der Mauerfall wurde von dem Kabarettisten mit menschlichen Schwächen und Kommunikationspanne begründet und witzig dargeboten. Klar ist: Am neunten November spielte in der internationalen Pressekonferenz Günter Schabowskis Zettel eine weltverändernde Rolle. Und Egon Krenz wurde wegen seiner Zahngröße neuer Staatschef.

Berlin wurde in sehr kurzer Zeit durch Zuwanderung groß, daher haben sich Begriffe aus verschiedenen Sprachen eingebürgert, wie „Fisimatenten“ und „Etepetete“ aus dem Französischen oder das jiddische Wort „Schlamassel“. Der Sprachenfreund Danziger konnte Stadtführungen in fünf Sprachen anbieten, seine Motivation zum Sprachenlernen war Sex.

Auch als Comedian erlebte der Bühnenkünstler skurrile Verhaltensweisen, die sich alle auf eine frühere Belagerungssituation der jeweiligen Stadt und jahrhundertelang nachfolgende Gedenkfeiern mit Besäufnis zurückführen lassen.

Anfangs war Danzigers Leben gar nicht lustig, denn der gebürtige Dresdner zog mit vier Jahren mit seiner Familie in die Sowjetunion, wahrscheinlich, weil sein Vater unterwegs falsch nach Osten abgebogen war. Das erste Wort, das der kleine Stefan im Kindergarten lernte, war „Faschist“, samt zugehöriger Prügel. Andere Erinnerungen an Russland sind die schlechte Stimmung wegen des von Gorbatschow verfügten Wodka-Verbots und Kino-Filme, die mit nur einer Stimme synchronisiert wurden.

Als Zugabe gab der Comedian eindeutige, dreistufige Belege dafür, dass Mädchen klüger sind als Jungen.

Die Zuschauer verließen mit einem Lächeln im Gesicht die Veranstaltung und dem Bedauern, dass sie keine Stadtführung mit Stefan Danziger buchen können. (htv)
   
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