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Nachricht vom 23.10.2021
Kultur
Buchtipp: „Heimat-Jahrbuch 2022 Landkreis Neuwied“
367 Seiten voller Geschichte(n): Das Heimat-Jahrbuch 2022 des Landkreises Neuwied ist erschienen und spannt den Bogen von den historischen Anfängen Isenburgs bis zum Boom der Neuwieder Mittelstraße in den 1970er Jahren. Landrat Achim Hallerbach bezeichnet das Heimatjahrbuch als wichtige Dokumentation der Heimatgeschichte.
BuchtitelDierdorf/Neuwied. Bei der Vorstellung der aktuellen Ausgabe in Leutesdorf betonte er: „Das Buch ist auch ein Bekenntnis zur Region und bewahrt vieles, was sonst verloren gehen würde. Wir haben sonst keine Möglichkeit.“ Wir berichteten.

Weihnachten steht vor der Tür. Das sehr preiswerte gebundene Buch (7 Euro) ist das ideale Geschenk für jeden interessierten Mitbürger.

Das Kalendarium zieren zwölf Aufnahmen von Traditionsgasthäusern im Kreis. Der Jahresrückblick bringt noch einmal die Ereignisse von Juli 2020 bis Juli 2021 in Erinnerung.

Die Aufsätze beginnen mit einem Nachruf auf den am 29. Juli 2021 mit 91 Jahren verstorbenen Walter-Friedrich Schmidt, der als Uhrmachermeister, Restaurator und Spezialist für Kinzing-Uhren für das Roentgen-Museum wertvolle Arbeit leistete. Auch des vor 70 Jahren verstorbenen Professors Hugo Eich, Mitbegründer des heutigen Roentgen-Museums und der Leutesdorfer Künstlerin Guta von Freydorf-Stephanow, die unter anderem das Wied-Denkmal am Schlosstheater schuf, wird gedacht.

Dann geht es ganz weit zurück in die Historie zu den Anfängen Isenburgs vor über 2000 Jahren und der seit fast 925 Jahren belegten Geschichte der Isenburg.

Es geht weiter mit dem Mittelalter und den Ortschaften der Hornschaft Schöneberg im Lagerbuch des Amtes Altenwied von 1660, deren Einwohnerzahl sich bis heute etwa versiebenfacht hat. Zur Abwehr der Pest Bewohner von Linz, Erpel, Vettelschoß und Altenwied begannen die Tradition der Wallfahrten zum Grab des heiligen Apostels Matthias in Trier. Im fürstlich wiedischen Archiv belegt ein Dokument, dass Jodocus, Sohn des Johann Moschedt, Bürger zu Isenberg, ein Stipendium für sein Studium in Herborn von Graf Hermann I. gewährt wurde. Er gilt als Ahnherr der Muscheids in der Grafschaft Wied. Der Aufsatz „Bruchhausen im Verbund mit der Pfarrei und dem Kirchspiel Erpel in den letzten fünf Jahrhunderten“ befasst sich mit Hexenverbrennung, der Kirche Sankt Johann Baptist und der Kirchen-Trennung von Bruchhausen und Erpel. Aus den ehemaligen Abteien Sayn und Rommersdorf gelangten Bücher in die Bibliothek der Abtei Marienstatt.

Das Cantonbuch von 1756 kategorisiert die ausgehobenen Rekruten des Grafen Alexander zu Wied-Neuwied in die Gruppen „entbehrliche Landeskinder, halbentbehrliche Untertanen, weniger entbehrliche Untertanen, ganz arme Untertanen, arme Untertanen, ganz unentbehrliche Söhne und Eydame und angesessene Untertanen.“

In einem Exkurs zum kurtrierischen Landkirchenbau im 18. Jahrhundert wird die vor 250 Jahren geweihte neue Pfarrkirche Sankt Margaretha in Heimbach-Weis beschrieben. Kirchenbücher sind wichtige Geschichtsquellen, weil in ihnen alle wichtigen Standesveränderungen, Lebens- und Sterbeumstände vermerkt wurden. Zum Beispiel schrieb ein Pfarrer in Heddesdorf: „Ludwig Andrèe stirbt im Alter von 59 Jahren an Faulheit.“

Die Böcklings- oder Keltermühle in Niederbreitbach und die im Freilichtmuseum Bad Sobernheim wiederaufgebaute Heddesdorfer Ahl Schull mit Backes sind ebenso eine Betrachtung wert wie das Leben des Tischlersohns Georg Heinrich Roentgen - Africanus - und dessen kurzem Traum von der Erkundung Afrikas.

Die Neuerwerbungen für das Roentgen-Museum Neuwied und die dort gezeigte Ausstellung von Werken Friedrich Siegerts in diesem Jahr stehen in Verbindung zu Franz Beyschlag, lutherischer Pfarrer in Neuwied, der 1855 die 19-jährige Lina Siegert heiratete.

„Mit dem Gesetz in Konflikt“ kam laut Urteilsspruch der fürstlich wied’schen Regierung Maximilian Friedrich Thiel, weil er unter Alkoholeinfluss seinen Knecht gefährlich verletzte.

Die zunehmende Industrialisierung in Verbindung mit freiheitlich-demokratischem Gedankengut brachten die Sozialreformer Karl Marx, Friedrich Engels und Friedrich Wilhelm Raiffeisen hervor. Marx und Raiffeisen wurden beide im Jahr 1818 geboren, ihre Ideologien unterschieden sich jedoch sehr. Raiffeisen wies auf die von den „Umsturzparteien“ ausgehende Gefahr hin.

1878 machte „das Wunder von Rheinbreitbach“ Schlagzeilen und erwies sich als Fake News. Dagegen erwies sich Pater Michael Colling aus Dinkelbach im Westerwald als verlässliche Stütze des Ordensgründers Arnold Jansen und der Steyler Missionare.

Brennereien und Brauereien waren zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Neuwied zahlreich. Der „Neuwieder Doppelkümmel“ fand häufigen Absatz. Der Anteil namenswerter Lokale verringerte sich beständig, vier Firmen bestanden den Konkurrenzkampf. Eine Kneipe mit langer, mindestens 160-jähriger Tradition ist das Wirtshaus am Aubach in Niederbieber.

Ein Aufsatz befasst sich mit dem „neuen Marstall“ im Umfeld von Schloss Monrepos bei Neuwied, ein anderer mit Rheinbreitbach und Umgebung im Dritten Reich. Hier werden einige Behauptungen richtiggestellt.

Persönliche Erlebnisse wie „Der Cognac des Gauschatzmeisters und 15 Kilogramm Kartoffeln aus Lochum - Wie man Vater im Westerwald 1945 das Kriegsende überlebte“ oder die von Werner Johann Keßler wiedergegebene Erzählung des Augenzeugen General Irzyk zur Sprengung der Urmitz-Engerser Kronprinzenbrücke sowie die Erinnerungen eines Elgerters, der als Junge bei dem Besuch von Queen Elizabeth 1965 fähnchenschwingend an der Autobahn stand sowie desselben Begegnungen mit dem „Niederwerther“ und anderen Hausierern lesen sich sehr unterhaltsam.

Beim Rückblick auf das Einkaufsvergnügen, das die Mittelstraße 1970 als erste Fußgängerzone in Neuwied bot, mag Wehmut aufkommen, aber „die kleinen wilden Ecken“, in denen Wildkräuter wachsen dürfen und der als Forsthelfer geschätzte Eichelhäher lassen Hoffnung zu.

Im Anschluss an die reich bebilderten Texte der 33 Autoren wird neue heimatkundliche Literatur vorgestellt. Der Kreis Neuwied hat viel zu bieten, historisches und neuzeitliches Gut, das wird bei der Lektüre des aktuellen Heimatjahrbuchs deutlich. Es ist außer im Buchhandel in allen Verbandsgemeindeverwaltungen erhältlich. (htv)
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