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Nachricht vom 16.06.2021
Region
Netzwerk der Citykirchen aus vier europäischen Ländern tagte in Neuwied
Nahezu 60 Delegierte trafen sich in den Räumlichkeiten der Marktkirchengemeinde und diskutierten Glaubensfragen im analogen und digitalen Raum.
Fotos: Jürgen GrabNeuwied. Unter dem etwas abgewandelten Spruch des Psalm 23 „Und ob ich schon wanderte im Digi- Tal“..., fand kürzlich in den Räumlichkeiten der evangelischen Marktkirchengemeinde Neuwied, zumeist analog, die 14. Ökumenische Fachtagung des Netzwerks der Citykirchenprojekte in Deutschland, Schweiz, Österreich und Frankreich statt. „Wie muss eine zukunftsfähige Kirche aussehen, damit sie auch weiterhin in unserer Gesellschaft eine Bedeutung hat? Hängt dies möglicherweise davon ab, ob wir es zukünftig schaffen, stärker eine digitale Kirche zu sein? Denn in diesen schwierigen Corona Zeiten hat sich das Kommunikationsverhalten in den christlichen Gemeinden zweifellos verändert, wobei zwar digitale Räume es ermöglichen eine stärkere Beteiligung und eine komplett neue Art der Kommunikation zu realisieren, doch der Wunsch (die Hoffnung) nach Präsenzgottesdiensten, gemeinsamen Abendmahlsfeiern, geistlichen Konzerten und Gemeindeveranstaltungen ist deswegen keinesfalls abhandengekommen.

Weiter registrierten die Repräsentanten des Citykirchen-Netzwerkes bei ihrer Neuwieder Konferenz, dass die eine oder andere Veranstaltung zwar unter erschwerten Bedingungen „live“ stattfinden, doch Video-Konferenzen und Streaming-Gottesdienste eher an der Tagesordnung sind. So haben die Christen beiderlei Konfessionen kaum mehr eine Möglichkeit persönliche Kontakte im kirchlichen Raum zu pflegen. Wenn auch solche Konsequenzen durchaus im Sinne der Gesundheit jedes Einzelnen sein mögen, so ist doch die Hoffnung auf persönliche Kontakte und die Sehnsucht nach lebendigen Beziehungen sowie nach individuellen Gesprächen und nach Nähe in der Seelsorge unbedingt festzustellen, was die Tagungsteilnehmer durchaus aufmerksam zur Kenntnis nahmen.

Möglicherweise sind „digital und analog“ jedoch überhaupt keine Gegensätze, sondern können eventuell in einer Welt der stetigen Veränderungen eine durchaus sinnvolle und persönlichkeitsgerechte Symbiose bilden, was im Rahmen der immer weiter wachsenden Nachfrage nach digitaler Kommunikation durchaus einen Sinn macht. Diese und ähnliche Fragestellungen haben die Tagungsverantwortlichen formuliert, die sodann im Plenum diskutiert wurden. Der evangelische Pfarrer Werner Zupp drückte dieses Dilemma mit folgenden Worten aus: „Ist ein verstärktes digitales Vorgehen wirklich eine relevante Alternative zu unseren bisher traditionell gelebten Formen von Gemeinschaft in unseren Kirchen? Wieviel nichtdigitale Formen brauchen wir unbedingt auch in Zukunft für unsere Gemeinden? Und wie können wir die Stärken der verschiedenen Formen miteinander verbinden?“

Nahezu 60 Teilnehmer sowohl evangelischer wie auch katholischer Herkunft hatten sich zu dieser Tagung in Neuwied eingefunden. Referenten beider Konfessionen standen zur Verfügung. Pfarrer Werner Zupp, sowie die Mitglieder des Sprecherrates Heiko Kuschel aus Schweinfurt, Stefanie Roeder aus Dortmund, Bernd Welharn aus Essen, und Carla Döhnstedt aus Berlin erläuterten die Absichten des Netzwerkes, das sich in Neuwied zu einem eingetragenen Verein zusammengefunden hat. Dabei waren neben formalen Fragen vornehmlich Gespräche und Beispiele über das eigene Selbstverständnis hinsichtlich der möglichen inhaltlichen Intensionen sowie über die Zukunft des experimentellen Pastorals zu führen, die für die Zukunft der Kirchen von elementarer Bedeutung sind.

„Kirche und Gesellschaft verändern sich. Als Christen teilen wir das Leben mit vielen anderen Menschen um uns herum. Wir wollen ihre Freude und Hoffnung, ihre Trauer und Angst immer besser verstehen und fragen uns: Wie können wir die Bedürfnisse und Hoffnungen der Menschen noch deutlicher sehen und verstehen? Bekommen die Menschen, das was sie brauchen, und brauchen sie, was sie bekommen?“. Solche Fragestellungen und Themeninhalte spielten bei dieser Netzwerktagung eine wichtige Rolle. So waren sowohl Referate wie auch Beispielschilderungen aus den Reihen entsprechender Initiativen ein ganz wesentlicher Faktor bei dieser Zusammenkunft, bei der der Frage nachgegangen wurde, wie wohl eine zukunftsfähige Kirche aussehen muss, damit sie auch weiterhin in unserer Gesellschaft eine entsprechende Bedeutsamkeit behält.

So referierte Professorin Dr. Sandra Bils zum Thema „Was kann und soll die Kirche sein?“. Der katholische Theologe Tobias Sauer sprach über „Glaubenskommunikation in einer digitalisierten Gesellschaft“, während der Theologe und Diakon Tobias Wiegelmann einen vielbeachteten Workshop mit dem Thema „Netzgemeinde da-zwischen“ abhielt. Auf der Ebene der Workshops war auch die evangelische (Neuwieder-) Pfarrerin Julia Arfdmann-Knübel aktiv, die mit „AnsprechBar“ eine Initiative der evangelischen und katholische Kirche für Menschen zwischen 20 und 40 Jahren im Großraum Koblenz vorstellte, die Raum für Begegnungen mit einem selbst und mit dem, was uns umgibt, anbietet.

Schließlich ist in diesem Zusammenhang der Theologe Dr. Josef Freise von der Heilig-Kreuz-Pfarrgemeinde im Neuwieder Sonnenland zu erwähnen, der gemeinsam mit zahlreichen weiteren Christen und Christinnen die „Offene Gemeinde“ in der Pfarreiengemeinschaft St. Matthias bildet. „Sie versteht sich als ein Netzwerk verschiedener Orte von Kirche im dortigen Stadtteil, wo sich Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religion; Nachbarn und Freunde der Gemeinde, aber auch Asylsuchende und andere ausländische Mitbürger treffen, um gemeinsam zu beten und zu meditieren. „All das macht den Charakter dieser offenen Gemeinde aus, die die Zusammenarbeit mit Initiativen sucht, die sich aus dem gleichen Geist, auch ohne kirchliche Bindung, für eine geschwisterliche Welt im Einklang mit der Schöpfung einsetzt“ (Anmerkungen von Dr. Josef Freise).

Ein sowohl gesellschaftliches wie auch christlich-gemeinschaftliches Ereignis war das Treffen der Tagungsteilnehmer mit Neuwieder Bürgern sowie mit hochrangigen Repräsentanten christlicher Kirchen (wobei die Ehrengarde Spalier stand) auf der Terrasse des Neuwieder Schlosses. Bei diesem besonderen Empfang durch die Fürstinnen Isabelle und Sophie-Charlotte und dem jungen Fürsten Maximilian zu Wied waren unter anderem der Trierer Weihbischof Jörg Michael Peters, der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Dr. Thorsten Latzel, Superintendent Peter Kowalski, Dechant Peter Dörrenbächer und auch Oberbürgermeister Jan Einig anwesend.

Nach der Begrüßung durch Fürstin Isabelle, die auf die Geschichte Neuwieds ebenso einging wie das Stadtoberhaupt, hatten sowohl die regionale als auch die überregionale kirchliche Prominenz Gelegenheit wahrgenommen nicht nur lobende Worte für die Aktivitäten des international-engagierten Citykirchen-Netzwerkes sowie für die Organisation durch Pfarrer Werner Zupp zu äußern, sondern auch ihre Vorstellungen von einer zeitgemäßen kirchlichen (religiösen) Handlungs- und Darstellungsweise der Kirchen vorzustellen. Dabei ließ niemand der Redner die Hinweise darauf aus, dass in der 1653 gegründeten Stadt bereits neun Jahre später die unabdingbare Religionsfreiheit verkündet wurde, und dann mindestens sieben Konfessionen in der Stadt Neuwied friedlich miteinander lebten, was auch heute noch, einschließlich der Muslime, der Fall ist.
Jürgen Grab

     
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